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Doch die Zeit war abgelaufen. Der Raffer tauchte aus dem Dunkel ins Mondlicht — gigantisch, finster, gesichtslos. Crispin spannte seinen Bogen und schoß seine Pfeile mit solcher Geschwindigkeit auf das Ungeheuer ab, daß Wil seine Bewegungen kaum verfolgen konnte. Doch alle Pfeile wurden mühelos zur Seite geschleudert. Wil krampfte sich der Magen zusammen. Verzweifelt schlug er auf den Bolzen ein, und dieser rutschte noch ein Stück weiter durch den Ring. Doch dann blieb er stecken.

Da fielen ihm plötzlich die Elfensteine ein. Die Elfensteine! Jetzt mußte er sich ihrer Kraft bedienen! Wilde Entschlossenheit durchflammte ihn. Er sprang auf, griff in seinen Kittel und riß den Lederbeutel heraus. In Sekundenschnelle hatte er die Steine in der Hand, hielt sie so fest umfaßt, daß sie in sein Fleisch einschnitten. Der Raffer kam immer näher, ein riesenhaftes, schattendunkles Ungeheuer, das tief zusammengekauert den Steg entlangkroch. Er war keine zwanzig Fuß mehr entfernt. Wil schwang die Faust mit den Steinen in die Höhe und beschwor mit aller Willenskraft, die ihm zu Gebote stand, das Feuer, das dieses Ungeheuer vernichten würde.

Die Elfensteine flammten blitzartig auf, und ihr blaues Feuer stieß züngelnd in die Nacht. Dann aber schien in Wils Innerem eine Schranke herabzufallen. Und im nächsten Moment versiegte der Kraftstrom der Steine.

Entsetzen packte Wil. Verzweifelt versuchte er noch einmal sein Glück. Nichts geschah. Amberle stürzte zu ihm, schrie wie eine Rasende auf ihn ein — doch ihre Worte verloren sich im gellenden Heulen des Windes. Wil war wie vom Donner gerührt vor Schreck und Entsetzen. Er hatte versagt! Er besaß keine Macht mehr über die Kraft der Elfensteine.

Da sprang plötzlich Crispin auf den Steg hinaus. Keinen Augenblick hatte er gezögert. Er warf den Bogen beiseite und zog sein Schwert, um dem Dämon entgegenzutreten. Das Ungeheuer schien flüchtig zu zögern. Eine direkte Konfrontation hatte es nicht erwartet. Wild rüttelte der Wind an der schmalen Eisenbrücke.

»Die Bolzen!« rief Crispin scharf nach hinten zurück.

Immer noch fassungslos schob Wil die Elfensteine unter seinen Kittel, ergriff wieder den Hammer und begann erneut, mit aller Kraft auf den Bolzen einzuschlagen. Er rührte sich nicht. Amberle kam aus den Schatten hinter ihm gelaufen. Sie nahm den Hammer, den Crispin weggeworfen hatte, und fing an, den anderen Bolzen mit erbitterten Schlägen zu bearbeiten.

Draußen auf der schmalen Brücke focht Crispin einen Kampf der Verzweiflung. Mit Scheinangriffen drang er auf den Raffer ein, um ihn aus dem Gleichgewicht zu werfen und so seinen Sturz in den Abgrund herbeizuführen. Doch der Dämon ließ sich nicht aus der Reserve locken, blieb in Lauerstellung, während er die Hiebe und Attacken des Elfen mit wuchtigem Arm abwehrte. Crispin verstand sich auf den Kampf mit dem Schwert, doch er vermochte nicht, die Abwehr des Ungeheuers zu durchdringen. Immer weiter schob sich der Raffer vorwärts, und der Elf war gezwungen, Boden abzugeben.

Ein ungeheurer Zorn über seine eigene Ohnmacht packte Wil Ohmsford. Den Hammerstiel mit beiden Händen umspannend, hieb er mit aller Gewalt auf den runden Kopf des Bolzens ein, und endlich sprang dieser aus seiner Fassung und sauste in die Schlucht hinunter. Doch da lief ein plötzlicher Ruck durch die Brücke und der waghalsig kämpf ende Crispin verlor das Gleichgewicht. Als er taumelnd nach hinten stolperte, stürzte sich der Raffer auf ihn. Krallenhände schlugen sich in den Kittel des Elfs. Mit blankem Entsetzen sahen Wil und Amberle, wie der Raffer Crispin in die Höhe schleuderte. Das Schwert des Elfen-Hauptmanns sauste blitzend abwärts zur Kehle des Dämonen, doch die Klinge zersprang, als sie auftraf. Der Raffer wehrte den Hieb ab wie eine lästige Fliege. Noch einen Moment lang hielt er Crispin über seinem vermummten Kopf, dann schleuderte er den Elf von der Brücke in die schwarze Tiefe. Lautlos taumelte Crispin durch die Luft und war verschwunden.

Und wieder rückte der grauenhafte Töter näher.

Da packte ein plötzlicher Windstoß mit gewaltiger Kraft die schon schwankende Brücke und rüttelte mit solcher Heftigkeit an ihr, daß auch der letzte Bolzen aus seiner Fassung brach. Der schmale Steg löste sich von der Plattform, an der er festgemacht war, und fiel klirrend in den Abgrund, den Raffer mit sich reißend, der das eiserne Gestänge umklammert hielt. Gemächlich beinahe sank der Steg herab, schwang mit metallischem Knirschen zur gegenüberliegenden Wand hinüber, fiel durch den schmalen Streifen Mondlicht in den Schatten zurück und krachte schließlich donnernd gegen den Fels. Doch er löste sich nicht ganz aus seiner Verankerung. Die Pfeiler auf der anderen Seite, geknickt zwar und verbogen, hielten ihn noch, und schaukelnd wippte er im tosenden Wind hin und her. In den finsteren Schatten der Wand war er kaum sichtbar. Der Raffer war nirgends zu sehen.

Amberles Stimme übertönte plötzlich das Heulen des Sturms, ein schrilles, verängstigtes Wimmern. Doch Wil konnte nicht verstehen, was das Elfenmädchen rief. Er hielt noch immer seinen Hammer umklammert, und in seinem Geist herrschte das Chaos. Crispin und die Elfen-Jäger waren nicht mehr. Die Kraft der Elfensteine war verloren. Amberle und er waren allein.

Weinend drückte sie sich an seine Schulter und flehte ihn an, diesen Ort zu verlassen. Jetzt erst wandte er sich ihr zu und zog sie an sich. Flüchtig war ihm, als höre er Allanons Stimme, die ihm sagte, daß der Druide sich vor allen anderen auf ihn, Wil Ohmsford, verlasse. Amberle fest an seiner Seite, verschwand er im Schutz des einsamen Turmes.

25

Sie brauchten die ganze Nacht, um aus dem Turm wieder herauszufinden. Beim flackernden Licht der Fackel, die Crispin in einem eisernen Halter neben dem Turmtor zurückgelassen hatte, durchwanderten sie eine scheinbar endlose Folge von Gängen und Treppenschächten, die sich durch den Fels des Berges stetig abwärtswanden. Zu Tode erschöpft von den Strapazen der vergangenen Tage, rannten sie stolpernd Hand in Hand durch die dunklen Gänge des uralten Steinturms. Sie sprachen nichts; sie hatten nichts zu sagen. Sie waren noch immer wie betäubt vor Schreck und Entsetzen über das, was geschehen war. Es beherrschte sie nur ein Gedanke — diesem Berg zu entfliehen.

Rasch verloren sie jegliches Zeitgefühl, und sie hätten nicht sagen können, ob sie nun Stunden oder gar schon Tage durch die Finsternis des Berges flohen. Sie hatten keine Vorstellung, wohin die Gänge sie führten. Sie vertrauten blind auf ihren Instinkt und auf das Glück, während sie in der verzweifelten Hoffnung durch das Labyrinth der Gänge irrten, daß sie irgendwo schließlich doch wieder an das Tageslicht gelangen müßten. Ihre Glieder schmerzten, und ihre Muskeln verkrampften sich, und ihnen schwindelte vor Müdigkeit. Die Fackel brannte herunter, und noch immer nahm der Irrgarten der Gänge kein Ende.

Doch dann standen sie unversehens vor einer wuchtigen Eisentür, die durch einen schweren Riegel gesichert war. Wil wollte ihn öffnen, als Amberle ihn am Arm faßte.

»Wil«, fragte sie ängstlich, und ihre Stimme war heiser vor Erschöpfung, »was tun wir, wenn da draußen auch Dämonen auf uns warten? Was tun wir, wenn der Raffer nicht allein war?«

Wil blickte sie schweigend an. Diese Möglichkeit hatte er bis jetzt nicht in Erwägung gezogen. Er hatte sich nicht gestattet, sie in Betracht zu ziehen. Er dachte zurück an alles, was ihnen seit dem Halt im Drey-Wald widerfahren war. Immer und überall gelang es den Dämonen, sie zu finden. Es hatte etwas Unausweichliches. Selbst wenn der Raffer vernichtet sein sollte, warteten andere Dämonen. Und der Spitzel in Arborlon hatte alles mitangehört.

»Wil?« Amberles Gesicht war voller Bangnis, während sie seine Antwort erwartete.

Er traf seine Entscheidung.

»Wir müssen es wagen. Es gibt keinen anderen Weg für uns.«

Behutsam streifte er ihre Hand von seinem Arm und schob Amberle hinter sich. Dann öffnete er vorsichtig den Riegel und zog die Tür auf. Dunstiges Tageslicht sickerte durch die Öffnung. Sie hörten das Plätschern des Flusses, dessen Wellen sachte gegen die Wände einer Grotte schlugen, in der sich der versteckte Anlegeplatz der Elfen befand. Nichts regte sich. Wil und Amberle tauschten flüchtig einen Blick. Wil ließ die Fackel auf den Grund des Tunnels fallen, wo ihr Feuer erlosch.