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Es wäre töricht gewesen, sich allein auf Amberle und das Samenkorn des Ellcrys zu verlassen. Der Gedanke mochte noch so schmerzlich sein, Eventine wußte, er mußte sich mit dem Gedanken vertraut machen, daß er seine Enkelin vielleicht nie Wiedersehen würde. Schon vor ihrer Rückkehr nach Arborlon hatte der König Boten an die anderen Rassen ausgesandt, um diese zu bitten, mit den Elfen gegen das Böse anzugehen, das sein Land bedrohte, das letztlich sie alle vernichten würde. Die Boten waren nun schon seit mehr als einer Woche unterwegs; keiner war bisher zurückgekehrt. Es war in der Tat noch zu früh, eine Antwort von den anderen Rassen zu erwarten; selbst Callahorn war mehrere Tagesritte entfernt. Aber Eventine zweifelte ohnehin daran, daß viele sich auf seine Seite stellen würden.

Die Zwerge würden sie zweifellos unterstützen, so wie sie stets Beistand geleistet hatten. Die Zwerge und die Elfen hatten gemeinsam gegen jeden Feind gekämpft, der die freien Völker der Vier Länder seit den Tagen des ersten Druidenrats bedroht hatte. Doch die Zwerge mußten aus den Tiefen der Wälder des Anar herbeieilen. Und das zu Fuß, denn sie waren keine Reiter. Eventine schüttelte den Kopf. Sie würden kommen, so schnell es ihnen möglich war — doch vielleicht nicht rasch genug, um den Elfen beizustehen.

Callahorn lag näher, aber es war nicht mehr das Callahorn von früher, nicht mehr das Callahorn Balinors. Hätte Balinor noch gelebt oder die Buckhannahs noch regiert, so wäre die Grenzlegion unverzüglich aufgebrochen. Doch Balinor war tot, und er war der letzte der Buckhannahs gewesen. Callahorns gegenwärtiger Herrscher, ein entfernter Verwandter der Buckhannahs, der mehr auf zufälligem als auf rechtmäßigem Wege auf den Thron gelangt war, war ein übermäßig vorsichtiger Zauderer, der es vielleicht für das einfachste halten würde, zu vergessen, daß die Elfen auch Callahorn zu Hilfe gekommen waren, als dieses gerufen hatte. Im übrigen besaßen die vereinigten Räte von Tyrsis und Varfleet und von Kern, nach seiner Zerstörung vor fünfzig Jahren wiederaufgebaut, jetzt mehr Macht als der König. Sie würden sich Zeit lassen mit einem Entschluß, selbst wenn es Eventines Boten gelang, ihnen die Dringlichkeit der Lage deutlich zu machen, denn ihnen fehlte ein starker Führer, der fähig gewesen wäre, sie zu einen. Sie würden diskutieren und debattieren, und die Grenzlegion würde sich inzwischen in ihrer Garnison langweilen.

Ironischerweise würde gerade das Mißtrauen, das sie gegen ihre Landsleute aus dem Südland — und insbesondere gegen die Föderation — hegten, die Männer von Callahorn daran hindern, rasch zu handeln. Erst nach der Vernichtung des Dämonen-Lords und nach dem Sieg über sein Heer hatten die größeren Städte verspätet das Ausmaß der Bedrohung erkannt, das diese dunklen Mächte dargestellt hatten. Von Furcht getrieben, hatten sie sich zu einem Bündnis zusammengetan, das zunächst nicht mehr war als eine lockere Vereinigung von Ländern, die gemeinsame Grenzen und gemeinsame Ängste hatten, sich jedoch rasch zu der sehr starr strukturierten Föderation entwickelte. Die Föderation war seit mehr als tausend Jahren der erste Versuch der Menschenrasse, eine Gemeinschaftsregierung zu bilden. Ihr Ziel war die Vereinigung des Südlands und der Menschenrasse unter einer einzigen Regierung. Diese Regierung sollte natürlich die Föderation sein. Zu diesem Zweck hatte man erste gemeinsame Bemühungen unternommen, auch die anderen Städte und Provinzen zu vereinigen. In den vier Dekaden ihres Bestehens war es der Föderation gelungen, beinahe das gesamte Südland unter ihrer Regierung zu einen. Von den bedeutenden Städten des Südlands hatte nur Callahorn sich den Vereinigungsbestrebungen der Föderation widersetzt. Die Folge waren beträchtliche Reibungen zwischen beiden Regierungen — insbesondere, da die Föderation ihren stetigen Vormarsch nach Norden, den Grenzen Callahorns entgegen, weiter fortsetzte.

Eventine runzelte die Stirn und verschränkte die Arme über seiner Brust. Er hatte einen Boten an die Föderation entsandt, hatte jedoch wenig Hoffnung, von dort Beistand zu erhalten. Die Föderation hatte kaum Interesse an den Angelegenheiten der anderen Rassen gezeigt, und es war zu bezweifeln, daß sie eine Dämoneninvasion des Westlands als besorgniserregend betrachten würde. Ja, es war sogar zu bezweifeln, daß sie eine solche Invasion überhaupt für möglich halten würden. Die Menschen des tiefen Südlands wußten kaum etwas über die Zaubermächte, die die anderen Länder seit den Tagen des ersten Druidenrats geplagt hatten. Sie hatten zunächst ein abgekapseltes Dasein geführt und waren im Rahmen ihrer noch recht jungen Expansionsbestrebungen noch nicht auf die unerfreulichen Realitäten gestoßen, die jenseits ihrer eigenen begrenzten Erfahrungswelt lagen.

Wieder schüttelte der König den Kopf. Nein, die Städte der Föderation würden keine Hilfe entsenden. Wie damals, als sie vor der Ankunft des Dämonen-Lords gewarnt worden waren, würden sie nicht an die Gefahr glauben.

An die Gnomen war kein Bote geschickt worden. Es wäre sinnlos gewesen. Die Gnomen waren eine Rasse, die sich aus vielen einzelnen Stämmen zusammensetzte. Sie hatten keinen gemeinsamen Herrscher, keine Regierung, die sie unter sich vereinigte. Ihre Häuptlinge und ihre Seher waren ihre Führer, und jeder Stamm hatte seinen eigenen Häuptling und seinen eigenen Seher, und sie alle befehdeten einander unablässig. Verbittert und voller Groll seit ihrer Niederlage bei Tyrsis, hatten sich die Gnomen in den fünfzig Jahren, die seitdem vergangen waren, nicht mehr um die Angelegenheiten der anderen Rassen gekümmert. Es war kaum zu erwarten, daß sich das jetzt ändern würde.

Somit blieben die Trolle. Auch die Trolle waren eine Rasse, die sich aus verschiedenen Stämmen zusammensetzte, doch seit dem Ende des fehlgeschlagenen Dritten Krieges der Rassen waren bei den Trollen, die in den Weiten des Nordlandes lebten, Bestrebungen zum Zusammenschluß im Gange. In gewissen Gebieten hatten sich bereits die ersten Stämme unter einer gemeinsamen Ratsregierung zusammengefunden. Eine der größten dieser Gemeinden lebte im Kershalt-Territorium, an der nördlichen Grenze des Elfenlandes. Das Kershalt war in erster Linie von Felstrollen besiedelt, es lebten allerdings auch einige der weniger angesehenen Stämme in bestimmten Teilen dieses Gebietes. Traditionsgemäß waren Elfen und Trolle immer Feinde gewesen; in den letzten beiden Rassenkriegen hatten sie erbittert gegeneinander gekämpft. Mit dem Sturz des Dämonen-Lords jedoch hatte die Feindschaft zwischen den beiden Völkern fühlbar nachgelassen, und in den letzten fünfzig Jahren hatten sie in relativ friedlichem Nebeneinander gelebt. Besonders gut waren dabei die Beziehungen zwischen Arborlon und dem Kershalt. Der Handel zwischen beiden Regionen florierte, und es gab bereits Pläne, Delegationen auszutauschen. Es bestand also eine Chance, daß die Trolle des Kershalt sich bereitfinden würden, den Elfen Beistand zu leisten.

Der alte König bremste seinen Optimismus, eine geringe Chance, sagte er sich. Doch sie mußten jede Möglichkeit nutzen. Wenn die Elfen überleben wollten, dann brauchten sie die Hilfe aller, die bereit waren, ihnen zur Seite zu stehen.