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»Dann hört mir zu. Vor zehn Jahren fiel eine Horde von Gnomen immer wieder über die Dörfer am Ostrand der Grenzländer her, plünderte Häuser und Höfe und tötete die Bewohner. Ein niederträchtiges Geschmeiß war das, und die Legion versuchte mit allen Mitteln, die Bande zu stellen, aber ohne Erfolg. Schließlich hetzte ihnen der König die Freitruppe auf die Fersen, und zwar mit dem Befehl, die Gnomen zu stellen und zu vernichten, und wenn es Monate dauern sollte. Ich erinnere mich an diese Jagd; ich war schon damals bei der Truppe.«

Er kauerte sich an einem Feuer nieder, und Andor hockte sich neben ihn. Andere gesellten sich zu ihnen und lauschten dem Bericht.

»Fünf Wochen dauerte die Jagd, und die Truppe verfolgte diese Gnomen bis in den oberen Anar hinein. Eines Tages dann, als wir der Bande schon ziemlich dicht auf den Pelz gerückt waren, geriet ein Spähtrupp von uns — ganze dreiundzwanzig Mann — in eine Nachhuttruppe von mehreren hundert Plünderern. Der Spähtrupp hätte zurückweichen können, aber das tat er nicht. Die Männer entschieden sich für den Kampf. Einer wurde zurückgeschickt, um Verstärkung zu holen, die anderen warfen sich den Plünderern in einem kleinen Dorf namens Rybeck entgegen — ein paar windschiefe alte Häuser, sonst nichts. Drei Stunden lang hielten diese zweiundzwanzig Soldaten den Plünderern stand — warfen jeden Angriff zurück, den die Gnomen eröffneten. Ein Leutnant, drei Unteroffiziere und achtzehn Soldaten. Einer der Unteroffiziere war fast noch ein Knabe. Er war erst seit sieben Monaten bei der Truppe — aber schon Korporal. Niemand wußte viel über ihn. Wie die meisten, erzählte auch er kaum etwas über seine Vergangenheit.«

Der Hauptmann beugte sich ein Stück vor.

»Nach den ersten zwei Stunden war der Junge der einzige Offizier, der noch am Leben war. Er verschanzte sich mit dem halben Dutzend Soldaten, das noch geblieben war, in einem Steinhaus. Weigerte sich zu kapitulieren, wollte von Gnade nichts wissen. Als die Verstärkungstruppen schließlich eintrafen, war das ganze Gelände von toten Gnomen übersät.« Die Hand des Mannes ballte sich zur Faust. »Mehr als hundert tote Gnomen! Unsere Männer waren alle gefallen bis auf zwei, und einer von ihnen starb noch im Laufe desselben Tages. Nur einer überlebte das Gemetzel. Der junge Korporal.«

Er machte eine kleine Pause und lachte leise.

»Der Junge war Stee Jans. Deshalb nennen sie ihn den Eisenmann. Und Rybeck?« Er schüttelte feierlich den Kopf. »Rybeck zeigt, wie ein Soldat der Freitruppe kämpfen, und wenn es sein muß, sterben sollte.«

Die Soldaten, die sich um ihn gedrängt hatten, bekundeten murmelnd ihre Zustimmung. Andor blieb noch einen Augenblick, dann stand er auf. Der Hauptmann tat es ihm nach, nahm Haltung an, als ihm plötzlich einzufallen schien, mit wem er da gesprochen hatte.

»Jedenfalls ist der Befehlshaber im Augenblick nicht hier, Herr.« Er sah den Elfenprinzen fragend an. »Kann ich etwas für Euch tun?«

Andor schüttelte den Kopf.

»Ich wollte Euch fragen, ob Ihr irgend etwas braucht.«

»Einen guten Tropfen«, rief jemand, doch der Hauptmann brachte ihn mit einem Fluch zum Schweigen.

»Uns fehlt es an nichts, Herr«, erwiderte er. »Wir haben alles, was wir brauchen.«

Andor nickte. Harte Männer, diese Soldaten der Freitruppe.

»Dann wünsch´ ich Euch eine gute Nacht, Hauptmann«, sagte er.

Damit machte er kehrt und wanderte zum Lager der Elfen zurück, während er über die Geschichte nachdachte, die der Hauptmann ihm erzählt hatte, und über den Befehlshaber, den alle den Eisenmann nannten.

29

Am folgenden Morgen marschierten die Elfen und ihre Verbündeten aus dem Sarandanon hinaus in Richtung Norden. Der neue Tag hatte noch nicht mehr als ein schwaches silbernes Leuchten über den östlichen Wäldern erkämpft, als der lange Zug sich durch den Engpaß des Baen Draw drängte und sich in das Hügelland hineinschob, das jenseits davon lag. Rüstungen und Harnische klirrten und knarrten, Stiefel und Hufe schlugen in dröhnendem Rhythmus auf die Erde, Männer wie Pferde pafften weiße Dampfwölkchen in die frostigklare Morgenluft. Niemand sprach, pfiff oder sang gar. Gespannte Erwartung hielt alle in Atem. Elfen-Jäger und Grenzländer wußten, daß die Schlacht bevorstand. In Windungen schlängelte sich der Zug kahle, schroffe Hügel hinauf, die von Wind und Regen zerfressen und ausgehöhlt waren. Weit entfernt noch hob sich die massige dunkle Silhouette des Grimmzacken-Gebirges vom langsam heller werdenden Nachthimmel ab, während die Sonne allmählich den Himmel heraufzog, ein gewaltiges Massiv aus nadelspitzen Gipfeln und messerscharfen Graten, steilen Wänden und gähnenden Schluchten. Der Tag erwärmte sich langsam. Die Morgenstunden zerrannen, und das Heer schwenkte nach Westen, marschierte in langen Kolonnen durch das unfreundliche, hügelige Land. Im Süden funkelten blau die Wogen des Innisbore-Sees, und über dem bewegten Wasserspiegel kreisten weiße Möwen, deren Schreie schrill und gespenstisch durch die Stille hallten. Am Mittag erreichte das Heer die Grimmzacken-Berge, und Eventine gab das Zeichen zum Anhalten. Als eine dunkle, abweisende Mauer aus grauem Fels erhob sich die Bergkette vor dem Horizont. Tausende von Fuß ragten die nackten Felsspitzen in den Himmel hinein, stumm, schroff und kalt. Nichts wartete dort als Leere, Finsternis und Tod.

Zwei Pässe führten über das Grimmzacken-Gebirge, schmale Durchlässe, die das Land der Elfen mit der Rauhen Platte verbanden. Im Süden lag das Halys-Joch, im Norden der Spindelpaß. Wenn die Dämonen, wie Allanon vorhergesagt hatte, innerhalb der Rauhen Platte die Mauer der Verfemung durchbrechen würden, dann mußten sie, wollten sie Arborlon erreichen, über einen dieser Pässe nach Osten ziehen. Und dort wollten die Elfen sie erwarten und aufhalten.

»Hier trennen wir uns«, verkündete Eventine, nachdem er seine Offiziere um sich versammelt hatte.

Andor ritt näher an den kleinen Kreis der Männer heran, um genau zu hören, was besprochen wurde.

»Das Heer teilt sich hier. Die eine Hälfte marschiert mit Prinz Arion und Oberbefehlshaber Pindanon nach Norden, um den Spindelpaß zu sichern. Die andere zieht mit mir nach Süden zum Halys-Joch. Befehlshaber Jans?« Das von Wind und Wetter gegerbte Gesicht des Führers der Freitruppe tauchte im Kreis der Offiziere auf. »Ich möchte, daß die Freitruppe mit mir nach Süden marschiert. Pindanon, gebt den Befehl.«

Der Ring der Reiter löste sich auf. Andor blickte zu Arion hinüber, der ihn mit kalten Augen fixierte und sich dann abwandte.

»Andor, ich möchte, daß du mit mir reitest«, rief sein Vater ihm zu.

Kael Pindanon kam zum König zurückgaloppiert. Es war alles bereit. Mit festem Händedruck sagten die beiden alten Kameraden einander Lebewohl. Noch einmal hielt Andor nach seinem Bruder Ausschau, doch Arion war schon auf dem Weg zur Spitze seiner Kolonne.

Allanon tauchte an Andors Seite auf. Sein dunkles Gesicht war unbewegt.

»Sein Zorn ist unbegründet und fehl am Platz«, sagte der Druide leise und ritt weiter.

Laut dröhnten Pindanons Befehle über das Heer hinweg. Banner und Lanzen wurden grüßend geschwenkt, als das Heer der Elfen sich teilte. Laute Rufe der Zuversicht und des Übermuts zerrissen die morgendliche Stille und hallten von den Hängen der Berge wider. Eine Zeitlang war der Tag erfüllt von sorglosen Stimmen und unbekümmertem Gelächter. Dann setzte sich Pindanons Zug in nördlicher Richtung in Bewegung, wälzte sich unter einer gewaltigen Staubwolke in das Hügelland hinein und verschwand aus dem Blickfeld.

Die Soldaten des Königs wandten sich nach Süden. Viele Stunden marschierten sie am Fuß der Grimmzacken-Berge entlang, folgten dem stetigen Auf und Ab des vorgelagerten Hügellandes. Die Sonne schwand langsam über die Bergrücken nach Westen, und die Schatten wurden länger, dunkle Muster bildend. Die unbewegte, schwüle Luft des Mittags kühlte sich in einem leichten Südwind ab, der aus den fernen Wäldern herüberwehte. Allmählich weiteten sich die Hügel zu einer grasbewachsenen Ebene. An ihrem Rand öffnete sich im Schatten schroffer Felsspitzen das dunkel gähnende Maul des Halys-Joch-Passes.