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»Flyn«, rief er, den Elf mit seinem Namen begrüßend.

Der Kurier, staubbedeckt und schweißnaß im Gesicht, zögerte. Sein Blick ging an Andor vorbei und streifte über den Zug der Soldaten.

»Ich soll dem König selbst Meldung machen —«, begann er.

»Laßt den Prinzen Eure Botschaft hören«, fuhr Allanon ihn ungeduldig an.

»Herr!« Flyn salutierte. Sein Gesicht war weiß. Tränen standen plötzlich in seinen Augen. »Herr —« begann er wieder, doch seine Stimme brach, und er konnte nicht weitersprechen.

Andor sprang vom Pferd und bedeutete Flyn, ein gleiches zu tun. Stumm legte er dem verwirrten Boten einen Arm um die Schultern und führte ihn einige Schritte von den anderen weg, so daß er allein mit ihm sprechen konnte. Dann blickte er dem Elf eindringlich ins Gesicht.

»Jetzt laßt mich hören, was Ihr zu melden habt.«

Flyn nickte. »Herr, mir ist befohlen, dem König zu melden, daß Prinz Arion gefallen ist. Herr- er ist tot.«

Andor schüttelte fassungslos den Kopf. »Tot?« Ihm war, als spräche ein anderer. »Wie kann er tot sein? Er kann nicht tot sein.«

»Wir wurden bei Morgengrauen angegriffen, Herr.« Flyn weinte jetzt hemmungslos. »Die Dämonen — es waren so unglaublich viele. Sie drängten uns aus dem Paß. Wir wurden überrannt. Die Fahne fiel — und als Prinz Arion sie aufheben wollte, holten die Dämonen ihn ein …«

Hastig hob Andor die Hand, um den Worten des Elf Einhalt zu gebieten. Er wollte den Rest nicht hören. Es mußte ein Alptraum sein, es konnte nicht Wirklichkeit sein. Sein Blick flog zu Allanon, und er sah, daß das verschlossene Gesicht des Druiden ihm zugewandt war. Allanon wußte…

»Habt ihr die Leiche meines Bruders geborgen?« zwang Andor sich, den Boten zu fragen.

»Ja, Herr.«

»Ich möchte, daß sie zu mir überführt wird.«

Flyn nickte wortlos. »Herr, das ist noch nicht alles.« Andor, der sich schon abgewandt hatte, drehte sich wieder um. »Herr, der Spindelpaß ist verloren, aber Befehlshaber Pindanon meint, er könne zurückgewonnen werden. Er bittet um Unterstützung durch Kavallerieeinheiten, um —«

»Nein!« fiel Andor ihm sogleich ins Wort. Seine Stimme klang scharf.

Es kostete ihn Mühe, ruhig zu bleiben. ›Nein, Flyn. Richtet Befehlshaber Pindanon aus, daß er unverzüglich den Rückzug antreten soll. Er soll ins Sarandanon zurückkehren.«

Der Bote schluckte kurz, warf einen unsicheren Blick auf Andor.

»Verzeiht, Herr, aber ich hatte Auftrag, dies dem König mitzuteilen. Der Befehlshaber wird wissen wollen —«

Andor verstand. »Sagt dem Befehlshaber, daß mein Vater verwundet ist.« Flyn wurde noch bleicher, und Andor holte tief Atem. »Sagt Kael Pindanon, daß ich das Heer der Elfen befehlige und von ihm erwarte, daß er unverzüglich den Rückzug antritt. Nehmt ein frisches Pferd, Flyn, und eilt Euch. Glück mit Euch.«

Flyn grüßte und eilte davon. Allein blieb Andor stehen und starrte in die Weite der sonnenüberfluteten Ebene. Eine seltsame Gefühllosigkeit breitete sich in ihm aus, als ihm klar wurde, daß er die Kluft, die ihn und Arion getrennt hatte, nun niemals würde schließen können. Allanon den Rücken zugewandt, weinte er haltlos.

Still senkte sich der Abend über das Tal des Sarandanon, sandte seine Schatten bis zum Baen Draw und dem Heer der Elfen. In seinem Zelt lag Eventine Elessedil und schlief. Noch immer war er ohne Bewußtsein, und sein Atem ging flach und unregelmäßig. Andor saß allein wachend an seinem Lager und blickte unverwandt auf ihn nieder, beseelt von dem inständigen Wunsch, daß er wieder erwachen möge. Erst wenn der König erwachte, würde man beurteilen können, wie schwer seine Verletzungen wirklich waren. Er war ein vom Alter geschwächter Mann, und Andor hatte Angst um ihn.

Impulsiv ergriff er die Hand seines Vaters und nahm sie behutsam in die seine. Die Hand war schlaff. Der alte Mann regte sich nicht. Andor hielt die Hand eine Weile fest, dann ließ er sie wieder los und lehnte sich müde zurück.

»Vater«, flüsterte er beinahe wie zu sich selbst.

Voller Qual stand er auf und entfernte sich vom Lager des Königs. Wie hatte dies geschehen können — sein Vater schwer verwundet; sein Bruder gefallen; er selbst Führer der Elfen — wie hatte dies alles nur geschehen können? Es war ein grenzenloses Unheil, das er nicht akzeptieren wollte. Sicherlich, die Möglichkeit hatte immer bestanden, daß sein Vater und sein Bruder sterben und er als letzter Elessedil zurückbleiben würde, um die Herrschaft zu übernehmen; aber es war eine absurde Möglichkeit gewesen. Keiner hatte ernsthaft geglaubt, daß sie je wahr werden könnte, am wenigsten er selbst. Er war schlecht vorbereitet auf dieses Amt, dachte er sorgenvoll. Was war er seinem Vater und seinem Bruder je anderes gewesen als ein Paar Hände, das in ihrem Auftrag handeln konnte? Ihre Bestimmung war es gewesen, über das Elfenvolk zu herrschen, ihr Wunsch, ihre Erwartung — doch niemals die seine. Doch jetzt…

Müde schüttelte er den Kopf. Nun sollte er die Herrschaft ausüben, zumindest für eine gewisse Zeit. Und er mußte dieses Heer führen, das vor ihm dem Befehl seines Vaters gehorcht hatte. Er mußte das Sarandanon verteidigen und einen Weg finden, den Vormarsch der Dämonen-Horden zu bremsen. Die Schlacht am Halys-Joch hatte bewiesen, wie schier unmöglich das war. Die Elfen wußten, daß die Dämonen sie wahrscheinlich eingeholt und bis auf den letzten Mann niedergemetzelt hätten, wäre nicht durch den Kampf Allanons mit dem Drachen der gewaltige Erdrutsch ausgelöst worden, der den Paß zugeschüttet hatte. Er sah darum seine erste Aufgabe darin, das Vertrauen und Selbstgefühl der Elfen wieder so aufzurichten, daß sie daran glauben konnten, daß sich solches Schicksal hier, am Baen Draw, nicht wiederholen würde, auch wenn der König sie nicht selbst führen konnte. Kurz, er mußte ihnen Hoffnung geben.

Er setzte sich wieder an das Lager seines Vaters. Keal Pindanon konnte ihm helfen, er hatte in vielen Schlachten gekämpft, war ein kriegserfahrener Soldat. Aber würde er ihm helfen? Er wußte, daß Pindanon wegen seines Befehls zum Rückzug aus dem Grimmzacken-Gebirge erzürnt über ihn sein mußte. Pindanon war noch nicht zurück, da er mit einer Nachhut von Kavalleriesoldaten das Vorrücken der Dämonen zum Sarandanon aufhalten wollte. Einen Vorgeschmack auf seinen Unmut jedoch hatte Andor schon bekommen: Er hatte sehr wohl die Kommentare einer Handvoll von Offizieren vernommen, die zur Kompanie des Befehlshabers gehörten. Sobald Pindanon zurückkehrte, würde er die direkte Konfrontation mit Andor suchen. Und dann würde es zur Krise kommen. Andor wußte schon jetzt, daß der alte Kämpe ihn auffordern würde, ihm das oberste Kommando über das Heer zu geben. Andor schüttelte wieder den Kopf. Leicht wäre es, das zu tun, Pindanon den Oberbefehl und damit die gesamte Verantwortung für die Verteidigung des Elfenreiches zu übertragen. Vielleicht sollte er es tatsächlich tun. Aber irgend etwas in ihm wehrte sich gegen eine so einfache Lösung.