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»Was würdest du tun?« fragte er leise seinen Vater, obwohl er wußte, daß er ihm keine Antwort und keinen Rat würde geben können.

Die Zeit rann zäh dahin, und die Dunkelheit brach herein.

Endlich erschien Dardan an der Zeltöffnung.

»Befehlshaber Pindanon ist zurückgekehrt, Herr«, meldete er, »und bittet um eine Unterredung mit Euch.«

Andor nickte und überlegte flüchtig, wohin Allanon wohl verschwunden sein konnte. Seit ihrer Rückkehr hatte er den Druiden nicht mehr gesehen. Aber diese Begegnung mit Pindanon war ohnehin allein seine Sache.

Er erhob sich schwerfällig. Dann erinnerte er sich des Ellcrys-Stabs, der neben dem Lager seines Vaters auf dem Boden lag. Er bückte sich und hob ihn auf. Den Stab in beiden Händen haltend, verharrte er einen Moment lang und blickte auf den alten Mann hinunter.

»Ruh dich gut aus«, flüsterte er schließlich. Dann drehte er sich um und trat aus dem kleinen Zelt des Königs.

Ein schneller Blick zum Hohlweg zeigte ihm, daß dieser durch Geröll- und Gesteinsmassen völlig blockiert war. Ein bitteres Lächeln flog über sein blutverschmiertes Gesicht. Die Dämonen würden ihnen nicht weiter durch den Halys-Joch Paß folgen können. Die Elfen hatten eine Gnadenfrist gewonnen, eine Chance, sich neu zu ordnen, um an anderer Stelle dem Feind mit frischen Kräften entgegenzutreten.

Er drehte sich um. Hinter ihm drängte sich das Elfenheer. Stumm spähten die Soldaten aus den Schatten, die Gesichter von Erschöpfung und Unsicherheit gezeichnet. Der Elfenprinz wußte, was sie dachten. So viele Dämonen waren aus dem finsteren Verlies hinter der Mauer der Verfemung emporgestiegen — so viele, mehr als sie je für möglich gehalten hatten! Es war ihnen nicht gelungen, ihren Vormarsch hier aufzuhalten. Wie sollten sie sie im Sarandanon halten?

Stumm wandte er sich wieder ab. Er hatte auch keine Antwort darauf.

Im Nachbarraum wartete Kael Pindanon. Staub und Blut bedeckten die Rüstung des Befehlshabers, und das weißbärtige Gesicht war hochrot vor Zorn, als er raschen Schrittes auf den Elfenprinzen zuging.

»Warum habt Ihr mir den Rückzug befohlen, Andor?« fragte er aufgebracht.

Andor ließ sich nicht verunsichern.

»Sprecht leiser, Befehlshaber. Nebenan liegt der verwundete König.«

Einen Augenblick schwiegen beide. Pindanons Augen funkelten zornig. Dann fragte er mit gesenkter Stimme: »Wie geht es ihm?«

»Er schläft«, antwortete Andor kühl. »Also — wie lautet Euer Anliegen?«

Pindanons Gestalt straffte sich.

»Warum habt Ihr mir den Befehl zum Rückzug gegeben? Ich hätte den Spindelpaß zurückerobern können. Wir hätten die Stellung nie halten können, wie Euer Vater es wünschte.«

»Mein Vater wünschte, daß die Stellungen hier so lange gehalten werden würden, wie das möglich war«, entgegnete Andor, ohne sich von Pindanons zornigem Blick einschüchtern zu lassen. »Jetzt, da mein Vater verwundet ist und mein Bruder tot, wo das Halys-Joch verloren ist, ist das nicht mehr möglich. Die Dämonen haben uns in die Flucht geschlagen, so wie sie Euch in die Flucht geschlagen haben.« Pindanon fuhr auf, doch Andor beachtete ihn nicht. »Um den Spindelpaß zurückzugewinnen, hätte ich mit einem Heer, das gerade vernichtend geschlagen worden war, einen Gewaltmarsch nach Norden machen müssen. Wenn dann unsere vereinten Streitkräfte besiegt worden wären, hätten die Soldaten einen überaus anstrengenden Rückmarsch zum Sarandanon vor sich gehabt, und es wäre ihnen kaum Zeit geblieben, sich zu erholen, weil sie sogleich das Sarandanon gegen die nachrückenden Dämonen hätten verteidigen müssen. Hinzu kommt, daß jede Schlacht in den Grimmzacken-Bergen ohne den Einsatz der Kavallerie geschlagen werden mußte. Wenn wir aber dem Vormarsch der Dämonen standhalten wollen, dann brauchen wir unsere vereinten Kräfte. Das, Befehlshaber, ist der Grund, weshalb ich Euch den Befehl zum Rückzug gab.«

Pindanon schüttelte langsam den Kopf.

»Ihr seid kein ausgebildeter Soldat, mein Prinz. Ihr hattet kein Recht, eine so lebenswichtige Entscheidung zu treffen, ohne Euch zuerst mit dem Befehlshaber des Heeres zu beraten. Fühlte ich mich nicht Eurem Vater verpflichtet —«

»Sprecht diesen Satz besser nicht zu Ende, Befehlshaber«, fiel Andor ihm scharf ins Wort.

In demselben Augenblick öffneten sich die äußeren Klappen des Zelts, und Allanon und Stee Jans traten ein. Allanons Erscheinen war nicht unerwartet, doch Andor war etwas überrascht, auch den Befehlshaber der Freitruppe zu sehen. Der Grenzländer nickte höflich, sagte aber nichts.

Andor wandte sich wieder Pindanon zu.

»Wie dem auch sei, die Sache ist erledigt. Wir sollten uns jetzt dringend mit dem befassen, was vor uns liegt. Wieviel Zeit bleibt uns, bis die Dämonen uns erreichen?«

»Ein Tag, vielleicht auch zwei«, gab Pindanon brüsk zurück. »Sie müssen rasten, sich neu formieren.«

Allanon hob die schwarzen Augen.

»Morgen bei Tagesanbruch.«

Es wurde totenstill.

»Seid Ihr sicher?« fragte Andor leise.

»Ihr Haß treibt sie mit solcher Heftigkeit an, daß sie an Schlaf nicht denken. Morgen bei Tagesanbruch.«

Pindanon spie auf den hartgestampften Boden des Zeltes.

»Dann müssen wir jetzt beschließen, wie wir sie aufhalten wollen, wenn sie hier eintreffen«, erklärte Andor, dessen Hände leicht über den Ellcrys-Stab glitten.

»Sehr einfach«, fuhr Pindanon ungeduldig dazwischen.

»Wir verteidigen Baen Draw. Wir riegeln es ab. Halten sie am Engpaß auf, bevor sie das Tal erreichen.«

Andor holte tief Atem.

»Genau das haben wir bereits am Halys-Joch versucht. Doch ohne Erfolg. Die Dämonen haben die Phalanx der Elfen allein aufgrund ihrerzahlenmäßigen Überlegenheit gesprengt. Es besteht kein Grund zu der Vermutung, daß es diesmal anders sein wird.«

»Es besteht aller Grund dazu«, beharrte Pindanon. »Unsere Kräfte sind hier nicht gespalten, wie das im Grimmzacken-Gebirge der Fall war. Die Dämonen werden auch nicht frisch und ausgeruht sein, wenn sie von der Rauhen Platte direkt hierher durchmarschieren. Wir können unsere Kavallerie einsetzen, was am Paß nicht möglich war. Die Lage ist doch eine völlig andere! Entsprechend wird auch das Resultat ein anderes sein.«

Andor warf einen kurzen Blick auf Allanon, doch der Druide schwieg beharrlich. Pindanon trat einen Schritt vor.

»Andor, gebt mir an Eures Vaters Stelle das Kommando. Laßt mich die Stellungen errichten, so wie ich weiß, daß er sie errichten würde. Die Elfen können den Engpaß halten, ganz gleich, wie stark die Dämonen sind. Euer Vater und ich, wir wissen —«

»Befehlshaber!« Der Elfenprinz sprach leise, aber entschieden. »Ich habe auf dem Halys-Joch gesehen, wessen die Dämonen fähig sind. Ich habe gesehen, wie sie die Verteidigungsstellungen gesprengt haben, die mein Vater für unerschütterlich hielt. Dies ist ein Feind von besonderer Art, gegen den wir kämpfen. Die Dämonen hassen die Elfen, sie werden von diesem Haß getrieben — dieser Haß brennt so heiß, daß selbst der Tod ihnen nichts bedeutet. Können wir, denen das Leben so kostbar ist, das gleiche von uns sagen? Ich glaube es nicht. Wir bedürfen etwas ganz anderes als der üblichen Strategien, wenn wir diesen Zusammenstoß überleben wollen.«

Aus den Augenwinkeln fing er Allanons flüchtiges Nicken auf.

Pindanon wurde ärgerlich. »Euch fehlt das Vertrauen, mein Prinz. Euer Vater würde nicht so schnell —«

»Mein Vater ist nicht anwesend«, unterbrach Andor ihn. »Aber wenn er unter uns wäre, dann würde er so mit Euch sprechen, wie ich gesprochen habe. Ich erwarte Vorschläge, Befehlshaber — und suche keinen Streit.«

Pindanon lief vor Empörung rot an, dann wandte er sich unvermittelt gegen Allanon. »Und was hat dieser hier zu sagen? Hat er keine Vorschläge zu unterbreiten, wie diese Dämonen aufgehalten werden können?« Allanons dunkles Gesicht blieb ausdruckslos.