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»Ein Glas Bier für euch beide?« fragte die Frau.

Sie schlug Wil mit der Hand auf die Schulter, daß er beinahe in die Knie gegangen wäre. Er brachte ein schwaches Lächeln zustande.

»Ich glaube, wir schlafen jetzt besser. Wir haben eine lange Reise hinter uns und sind wirklich müde.«

Die Frau lachte geringschätzig.

»Bleibt auf und feiert mit mir. Ihr braucht nicht zu bezahlen. Ihr könnt trinken, soviel Ihr wollt.«

Wil schüttelte den Kopf. »Ich glaube, es ist besser, wenn wir uns schlafen legen.«

»Schlafen? Bei dem Krach?« Die Frau zuckte die Schultern. »Nehmt das Zimmer gleich oben an der Treppe rechts. Liegt nach hinten raus. Vielleicht ist’s da ein bißchen ruhiger für Euch.« Sie hielt einen Moment inne. »Jetzt sind wir quitt, oder? Ich schulde Euch nichts mehr?«

»Nein, nichts mehr«, versicherte ihr Wil, der es eilig hatte, wegzukommen.

Die Wirtin grinste breit.

»Na, Ihr habt Euch billig verkauft! Für das, was Ihr getan habt, hätte ich Euch zehnmal soviel gegeben, wie Ihr verlangt habt. Ha, schon zwei Stunden ohne Schmerz sind das Bier und das Nachtmahl und das Bett wert! Wenn man’s hier im Land zu was bringen will, muß man schon schlau sein. Nehmt Euch den Rat zu Herzen, kleiner Elf. Er kostet nichts.«

Sie lachte dröhnend und kehrte an die Theke zurück. Schluß jetzt mit dem Freibier, bei so viel Gästen ließ sich eine Menge Geld machen.

Wil nahm Amberle beim Arm und führte sie die Treppe hinauf. Die Blicke der Gäste folgten ihnen.

»Und du dachtest, sie könnte sich von uns übers Ohr gehauen fühlen«, murmelte Wil, als sie den oberen Flur erreichten.

Amberle lächelte und sagte nichts.

34

Sie hatten mehrere Stunden geschlafen, als sie die Geräusche an der Tür des Zimmers hörten. Wil erwachte zuerst. Mit einem Ruck setzte er sich im Bett auf und blinzelte durch die tiefe Schwärze der Nacht. Von draußen konnte er Rumoren hören — das Scharren von Füßen, das Flüstern gesenkter Stimmen, erregte Atemzüge. Das sind keine Dämonen, sagte er sich rasch, doch die Angst, die sich seiner bemächtigt hatte, wollte sich nicht legen. Die Türklinke klirrte unter den Händen, die versuchten, die Zimmertür zu öffnen.

Jetzt erwachte auch Amberle. Ihr Gesicht im Schatten des langen kastanienbraunen Haares war bleich. Wil legte warnend einen Finger auf die Lippen.

»Warte hier.«

Lautlos glitt er aus dem Bett und schlich zur Tür. Die Klinke klapperte noch immer, doch Wil hatte den Riegel darüber vorgeschoben, so daß die Tür gesichert war. Er drückte sein Ohr an das Holz der Türfüllung und lauschte. Die Stimmen draußen waren leise und gedämpft.

».. .vorsichtig, du Narr…nur anzuheben …«

»Ich heb’s ja an! Geh aus dem Licht!«

»… Zeitverschwendung; Einbrechen geht schneller… Wir sind genug Leute.«

».. .nicht, wenn er mit Zauberei arbeitet.«

»Für das Gold lohnt sich das Risiko…brich sie auf!«

Die Stimmen stritten weiter, schleppend und undeutlich vom Bier,unterbrochen von Ächzlauten und keuchendem Atem. Da draußen, sagte sich Wil, war mindestens ein halbes Dutzend Männer — Diebe und Räuber wahrscheinlich, zweifellos angelockt von der Geschichte der wunderbaren Heilung der Wirtin, die vermutlich von den Klatschmäulern gewaltig ausgeschmückt worden war. Eilig wich er zurück und tastete im Dunkeln nach dem Bett. Amberles Hand faßte seinen Arm.

»Wir müssen hier verschwinden«, flüsterte er.

Stumm schwang sie sich aus dem Bett. Sie hatten in ihren Kleidern geschlafen und brauchten nur ihre Umhänge überzuziehen und in ihre Stiefel zu schlüpfen. Wil eilte zum Fenster und stieß es auf. Unmittelbar darunter war das schräge Dach einer Veranda. Von seinem Rand bis zum Boden war es sicher ein Dutzend Fuß. Wil lief zurück und holte Amberle zum Fenster.

»Hinaus mit dir«, flüsterte er und nahm ihren Arm.

In demselben Augenblick fluchte jemand laut auf dem Gang, dann prallte ein schwerer Körper krachend gegen die Tür. Holz splitterte, Metall klirrte. Die Diebe hatten die Geduld verloren. Wil stieß das Elfenmädchen beinahe durch das offene Fenster, während er einen Blick zurückwarf, um zu sehen, ob die Eindringlinge schon im Zimmer waren, doch die Tür hielt noch. Dann aber erfolgte ein neuer Ansturm.

Diesmal sprang der Riegel aus seiner Verankerung. Ein Knäuel vermummter Gestalten drängte sich fluchend und gröhlend ins Zimmer.

Wil wartete nicht ab, was weiter geschehen würde. Schleunigst schwang er sich aus dem Fenster und sprang vom Verandadach hinunter auf den Erdboden.

»Spring!« rief er Amberle zu, die am Dachrand kauerte und wartete.

Das Elfenmädchen ließ sich über den Rand des Daches gleiten und zur Erde hinunterfallen. Gleich darauf war Wil neben ihr. Oben sahen sie die Räuber, die sich mit wütendem Geschrei aus dem Fenster beugten. Wil zog Amberle in den Schatten des Hauses und sah sich hastig um.

»Wohin jetzt?« murmelte er plötzlich verwirrt.

Schweigend nahm Amberle seine Hand und rannte, ihn mit sich ziehend, bis zum Ende der Mauer. Von dort hetzten sie zum Nachbargebäude des Wirtshauses hinüber. Der Lärm ihrer Verfolger wurde lauter, und man hörte das Donnern gestiefelter Füße auf dem Verandadach. Wil und Amberle rannten keuchend durch die Dunkelheit der Häuser, huschten durch schmale Durchgänge, durch Gassen, an dunklen Mauern entlang, bis sie schließlich wieder auf die Hauptstraße gelangten.

Immer noch hallten die wütenden Schreie hinter ihnen her. Ganz Grimpen Ward schien plötzlich zu erwachen. Lichter flammten allenthalben in den Häusern auf, ärgerliche Stimmen wurden laut. Amberle wollte zur Straße hinauslaufen, doch Will zog sie hastig zurück. Keine zweihundert Fuß entfernt, vor dem Gasthaus zum Mond, schwärmten mehrere vermummte Gestalten aus, um sorgfältig die Schatten rundum abzusuchen.

»Wir müssen wieder zurück«, flüsterte Wil.

Sie kehrten um, folgten der Mauer des Gebäudes bis an ihr Ende. Dort standen dicht zusammengedrängt mehrere Schuppen und Stallungen vor der dunklen Kulisse des Waldes. Wil zögerte. Wenn sie es wagten, in den Wald zu fliehen, würden sie sich wahrscheinlich hoffnungslos verirren. Sie mußten irgendwo im Schatten der Häuser versuchen zum anderen Ende der Hauptstraße zu gelangen, dort, wo sie sich in südlicher Richtung aus Grimpen Ward hinauszog. Wenn sie den Ort einmal hinter sich gelassen hatten, würde man sie wahrscheinlich nicht weiter verfolgen.

Vorsichtig schlichen sie sich hinter dem Gebäude durch die Dunkelheit. Immer wieder versperrten ihnen Mauern und Zäune den Weg. Doch das Geschrei der Verfolger hatte sich jetzt gelegt, und die Häuser hier in der Gegend waren noch dunkel. Ein paar Minuten noch, dann hatten sie es vielleicht geschafft.

Sie bogen in eine schmale Gasse ein, die hinter einer Getreidehandlung zwischen einer Reihe von Ställen hindurchführte. Pferde wieherten leise, als sie ihre Witterung aufnahmen, und stampften ungeduldig in ihren Boxen. Eine kleine Koppel wartete am Ende der Stallgebäude.

Mit Amberle an seiner Seite huschte Wil am Zaun der Koppel entlang. Sie waren noch nicht weit gekommen, als hinter ihnen ein lauter Schrei ertönte. Aus den Schatten der Getreidehandlung tauchte eine dunkle Gestalt auf, die wie wild mit den Armen wedelte, während sie mit lauter Stimme Alarm schlug. Nun wurden auch in den anderen Häusern Stimmen laut. Erschreckt über ihre Entdeckung, prallten Amberle und Wil aneinander, als sie hastig fliehen wollten, verloren das Gleichgewicht und stürzten.

Augenblicklich fielen ihre Verfolger über sie her. Ein Hagel wütender Faustschläge traf Wil, als sich ein drahtiger Bursche, der ekelhaft nach Bier roch, auf ihn stürzte. Amberle gelang es, rasch davonzukriechen. Wils Hände packten den Umhang seines Angreifers; mit einem plötzlichen Stoß schleuderte Wil den Mann seitlich auf die Pferdekoppel. Dumpf schlug der Kopf des Mannes gegen die Bretterwand des Zauns, dann rührte sich nichts mehr.