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»Vielleicht hättet Ihr die Güte, mir zu erklären, wohin mich Eure Rettungsversuche gebracht haben.« Alrik wollte vom Pferd herunter, aber auf dem schmalen Weg war ein Absteigen unmöglich.

»Habt Ihr das wirklich immer noch nicht begriffen?« Die Jägerin brach in schallendes Gelächter aus. »Man hört doch schon als kleines Kind von der Anderswelt. Dem Reich der Feen und anderer Wesen. Kennt Ihr das alles denn nicht?«

»Das sind doch nur Märchen! Das Schloß meines Vaters lag nahe dem Blautann in Almada, und ich bin hunderte Male dort zur Jagd geritten. Als Kind habe ich sogar das Feenreich gesucht, das in diesem Wald verborgen sein soll, aber gefunden habe ich nie etwas. In meinen Ohren hört sich Eure Rede nach dem Gewäsch alter Weiber an, das kleinen Kindern an langen Winterabenden erzählt wird.«

»Und für was haltet Ihr das Schloß Madalla, wo Ihr die letzten Wochen verbracht habt? Ein Ort, an dem Wurzelbolde und Waldschrate Leriella und ihre Gäste bewirten.«

Alrik schwieg eine Weile. Gemeinsam stiegen sie immer höher in den grauen Berg. Tief unter ihnen kreuzte eine Gruppe Rehe einen rauschenden Wildbach. Schließlich sagte der Ritter zerknirscht: »Ich glaubte, tot zu sein und im Haus einer Göttin zu weilen. Die Fee, wie Ihr meine Gastgeberin nennt, hat mich auch in diesem Glauben belassen.«

Wieder lachte Andra laut auf, und ihr Gelächter brach sich in Echos an den Bergwänden. »Das paßt zu Leriella. Und natürlich habt Ihr auch gegessen und getrunken, was sie Euch angeboten hat.«

»Natürlich«, entgegnete Alrik störrisch. »Sie hat mich gesundgepflegt und ...«

»Und mehr ..., ich kann mir das schon vorstellen«, fiel ihm die Jägerin ins Wort. »Sicher habt Ihr Euch in Leriellas Obhut mehr als wohl gefühlt, und hätte ich Euch nicht die Botschaft geschickt, hättet Ihr das Schloß sicher nicht mehr ohne Eure Gastgeberin verlassen.«

Alrik schwieg betreten.

»Ihr solltet nicht zu zerknirscht darüber sein. Ich kann mir keinen sterblichen Mann vorstellen, der nicht wie Ihr gehandelt hätte. Das liegt an der Magie der Fee. Selbst Elfen erliegen ihrem Bann. Alle Fremden, die in die Nähe ihres Schlosses gelangen und ihr gefallen, macht sie zu Gespielen. So lange, bis sie die Lust an ihnen verliert. Doch das kann lange dauern. Manch einer, der das Reich der Fee verlassen hat, fand sich als alter Mann in seiner Welt wieder.«

»Ja. Ist ja schon gut«, knurrte Alrik unwillig. »Ich kenne diese Geschichten. Verratet mir lieber, wie wir von hier fortkommen.«

»Nun, das liegt ganz an Euch. Bitte antwortet mir ehrlich, denn wenn Ihr nicht aufrichtig zu mir seid, kann uns das in eine schlimme Lage bringen. Seid Ihr ein guter Ritter? Versteht Ihr Euch auf das Lanzenreiten? Ich meine, beherrscht Ihr es nicht nur, sondern habt Ihr auch schon Turniere gewonnen?«

Die Jägerin war stehengeblieben und blickte zu Alrik auf.

»Was soll das denn schon wieder? Ich bin ein Obrist bei der kaiserlichen Kavallerie und gehöre dem Stand der Ritter an. Natürlich verstehe ich mich auf das Lanzenreiten!«

»Ist ja schon gut. Ich wollte es nur wissen, denn vielleicht wird das einmal sehr wichtig für uns.«

»Ich finde, da wir schon zusammen reisen, solltet Ihr mich etwas mehr in Eure Pläne einweihen.«

»Nun, manchmal ist es besser, nichts zu wissen. Im Augenblick sind wir auf dem Weg zu Linosch dem Schmied. Ein alter Zwerg, den es selbst nach der Zeitrechnung der Menschen schon vor ein paar Jahrhunderten in diese Feenwelt verschlagen hat. Dort sollt Ihr ein paar Waffen bekommen, damit Ihr wieder wie ein Ritter und nicht wie ein Lustknabe ausseht.«

Alrik schwieg beleidigt. Zwar war er Andra dankbar, daß sie ihn aus dem Schloß der Fee geholt hatte, doch die Spaße, die sie mit ihm trieb, gingen entschieden über das hinaus, was sich eine Frau aus dem Volk mit einem jungen Adligen erlauben durfte. Der Oberst bedauerte, nicht so gewandt mit der Zunge zu sein wie mit dem Schwert, doch vielleicht würde sich schon bald eine Gelegenheit ergeben, die Jägerin zu beeindrucken.

Bis zum Einbruch der Dunkelheit kletterten sie den Berg hinauf. Als sie die Baumgrenze hinter sich ließen, stieg Alrik vom Pferd. Den ganzen Nachmittag kämpften sie sich über kahle Felsabhänge höher und überquerten schließlich eine gewaltige, geschwungene Brücke aus schierem Eis. Wie mit kalten Händen griff der Wind dort nach ihnen, und einmal wäre Andra beinahe abgestürzt, hätte Alrik sie nicht im letzten Moment festgehalten.

Nun überquerten sie eine steile, verschneite Ebene, die bis in den Himmel hinaufzuragen schien. Alrik klapperten die Zähne. Seine dünnen Kleider waren steif gefroren, und wäre er nackt durch den Schnee marschiert, so glaubte er, hätte ihm auch nicht mehr kälter sein können. Das Licht des Tages wich langsam einem diffusen Zwielicht. Einmal ging einige hundert Schritt hinter ihnen donnernd eine Lawine zu Tal. Der junge Ritter wünschte sich insgeheim in die Arme Leriellas zurück. So schlecht war sein Leben am Feenhof schließlich nicht gewesen, und doch schritt er unverdrossen hinter Andra durch den Schnee.

Seit ihren Belehrungen über das Feenreich hatte die Jägerin nicht mehr viel geredet. Jetzt hob sie den Arm und zeigte auf einen Riß in der Gletscherwand, die sich wie ein Berg aus Glas am Ende der verschneiten Ebene erhob. Dort müssen wir durch, dann erreichen wir Linosch.

Das letzte Licht des Tages ließ den Gletscher rötlich schimmern. Vorsichtig folgte Alrik seiner Begleiterin in den Spalt aus Eis. Bizarre Zerrbilder der beiden spiegelten sich auf den glatten Wänden. Schnaufend sog Alrik Luft durch die Nase. Es roch eigenartig, wie in der Höhle eines Raubtiers. Der Ritter tastete nach seinem Dolch.

»Hör, Andra, kann es sein, daß Euer Zwerg eine noch strengere Duftnote pflegt als die anderen seiner Art. Hier riecht es ja wie ...«

Weiter kam Alrik nicht mehr. Ein tiefes Knurren brach sich in Echos an den kalten Wänden. Der Ritter zog seinen Dolch, drängte sich am Pferd vorbei und wollte Andra zurückreißen. Vor ihnen versperrte ein riesiger Höhlenbär den Weg.

»Ganz ruhig«, flüsterte der Ritter Andra zu. »Zieht Euch zurück, ich werde die Bestie schon aufhalten. Es sieht ganz so aus, als hätte Meister Petz Euren Zwerg zu Mittag verputzt.«

Der Bär richtete sich auf seine Hinterbeine auf. Die Bestie mußte mehr als drei Schritt groß sein.

»Steckt den Dolch weg, oder es ist um Euch geschehen«, zischte Andra. »Der Bär ist Linoschs Haustier, und selbst wenn Ihr gegen ihn bestehen solltet, wird Euch der Schmied hinterher den Schädel einschlagen.« Die Jägerin zerrte den Ritter zurück. Trotz der Kälte perlte ihr Schweiß von der Stirn. »Ganz ruhig, Barka«, redete sie auf das Tier ein. »Kennst du mich denn nicht mehr?« Vorsichtig machte sie einen Schritt auf den Bären zu.

Diese Wahnsinnige, dachte Alrik. Noch immer hielt er das Heft seines Dolches umklammert. Dann ließ sich das mächtige Tier auf alle viere nieder, und Andra streichelte ihm den Pelz.

»Komm«, rief sie verschmitzt lächelnd. »Barka wird uns zu seinem Herrn führen.«

»Kennst du eigentlich keine Angst?« Der Ritter stand immer noch still und starrte die Jägerin an.

»Natürlich. Aber ich fürchte nicht die Tiere, sondern die Menschen und alle anderen, die nicht nach ihren Instinkten, sondern nach ihrem Unverstand handeln.«

Linoschs Höhle wurde von einem tosenden Feuer erwärmt und lag hinter dem Gletscher im Granit der Bergspitze verborgen. Als Andra in die enge Felskammer trat, war der Zwerg mit einem Freudenschrei auf sie zugestürmt, hatte seine Arme um ihre Hüften geschlungen und sein bärtiges Gesicht gegen den Bauch der Jägerin gepreßt. Alrik hingegen spürte, daß der Schmied ihm nicht traute. Der Zwerg hatte ihm zwar die Hand geschüttelt, doch gleichzeitig fühlte sich der Ritter mißtrauisch gemustert. Das Pferd hatte man in eine angrenzende Höhle gebracht und mit reichlich Heu von einer Ahn versorgt. Linosch und Andra saßen schon über eine Stunde am Feuer und redeten über vergangene Zeiten. Alrik fühlte sich hier fehl am Platz. Er wollte in seine Welt zurück und Feen und Bären und Zauberwälder hinter sich lassen.