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»Garbag!« schrie der Zwerg lauthals, kaum daß er sich aus dem Schutz der Plane begeben hatte. »Los, beweg deinen räudigen Pelz zu mir.« Kolon blickte in die Runde. Dann rief er noch einmal, bis sich schließlich vom Lager her ein großer Ork in einer Lederrüstung näherte. Böse funkelte er den Zwerg an.

»Na, Garbag, würdest mir am liebsten die Kehle herausreißen, nicht wahr?« Kolon musterte den Hünen verächtlich. Garbag gehörte zum Stamm der Tordochai; jeder Zoll an ihm verriet den kampfgestählten Krieger. Er und seine Männer waren in vorderster Linie beim großen Angriff auf die Stadt dabeigewesen, doch zweimal waren sie bei dem Versuch, die Bresche zu stürmen, zurückgeschlagen worden. Garbag selbst hatte an dem Tag eine schwere Schulterwunde davongetragen, doch obwohl er großen Mut bewiesen hatte, bestrafte Sharraz Garthai den Krieger für sein Versagen. Der Tordochai durfte niemanden mehr in den Kampf führen. Statt dessen hatte der General Garbag zu Kolons Leibwächter gemacht. Der Zwerg wußte sehr genau, daß der Krieger sich seitdem wie ein Sklave fühlte und ihn haßte, dennoch fühlte er sich sicher, denn Sharraz Garthai hatte verkündet, daß Garbag an dem Tag, an dem dem Zwerg etwas passieren würde, selber einen ehrlosen Tod sterben würde.

Eigentlich war Kolon der Ansicht, daß er keinen Leibwächter brauchte. Trotzdem konnte er das Geschenk des Orkgenerals nicht ablehnen. So machte er sich einen Spaß daraus, den Krieger zu ängstigen. Natürlich hätte Garbag niemals zugegeben, sich vor irgend etwas zu fürchten, doch wußte Kolon genau, daß es dem Ork unheimlich war, wenn er mit seinem ungeliebten Herrn in die Tunnel mußte.

»Komm, Garbag, wir werden wieder den Schoß Sumus besuchen.« Kolon lächelte den Ork gehässig an. »Hol eine Fackel!« Dann ging er zu der großen hölzernen Platte, die den Einstieg zum Tunnel versperrte.

Auf ein Zeichen des Zwergen wurde die Abdeckung beiseite geschoben. Sie sollte verhindern, daß ständig Regenwasser in den Stollen lief. Doch da sie im Laufe eines Tages mehr als hundertmal geöffnet werden mußte, um die Sklaven herauszulassen, die in Säcken Erde vom Ende des Tunnels brachten, war ihr Nutzen nur begrenzt. So befand sich am Fuß des Schachtes eine große, schlammige Pfütze.

Inzwischen war Garbag mit einer Fackel eingetroffen.

»Geh vor«, befahl ihm der Zwerg.

Der Krieger blickte in den dunklen Schacht hinab. Er zögerte.

Drei Leitern, die leicht zitterten, führten nach unten. Es schien, als seien Träger auf dem Weg nach oben.

»Macht Platz für Kolon, Herr der Tunnel!« schrie der Ork in die Finsternis. »Wir werden die mittlere Leiter hinabsteigen. Kriecht also zurück in euer Loch, ihr Würmer!«

Garbag drehte sich um, und kletterte hinab.

Kolon folgte ihm mit einigem Abstand. Als der Zwerg ungefähr die Mitte der Leiter erreicht hatte, konnte er im Licht der Fackel schmutzige Gestalten erkennen, die sich mit über die Schulter geschnallten Säcken langsam rechts und links von ihm die Leitern hocharbeiteten. Die Frauen und Männer waren vollkommen mit Schlamm bedeckt. Allein das Weiße ihrer Augen glänzte hell im Dunkel des Schachtes. Stöhnend arbeiteten sich die Sklaven nach oben.

Um ihnen die Kraft zu geben, mit ihren schweren Lasten immer wieder aus dem tiefen Schacht zu steigen, hatte sich Kolon eine bösartige Folter ausgedacht. Alle Sklaven, die in den Tunneln arbeiteten, wurden morgens schon vor Sonnenaufgang in die Schächte getrieben, und erst wenn am Abend das Praios-Gestirn versunken war, durften sie die Tunnel wieder verlassen.

So führten die Träger ein Leben in Finsternis, denn um die ohnehin schon schlechte Luft in den Schächten nicht noch unnötig zu vergeuden, durften sie kein Licht mit sich führen.

Nur jene Sklaven, die sich an der Spitze des Stollens durch das Erdreich arbeiteten, hatten einige Fackeln und Blendlaternen. So bekamen sie nur dann das Praios-Gestirn zu sehen, wenn sie mit einem Sack voller Erde aus der Grube stiegen, um den Abraum auf einen der drei Hügel zu schütten. Danach durften sie einen Moment verschnaufen und etwas essen oder trinken, bevor sie von den Aufsehern erneut in die Finsternis getrieben wurden.

Noch lange hörte Kolon das Schnaufen der Sklaven, die sich immer weiter der Sonne entgegen mühten, bis ihnen auf ein Klopfsignal der schwere hölzerne Verschluß des Schachtes geöffnet würde.

Kolon hatte den Grund des Abstiegsschachtes erreicht. Bis weit über den Gürtel reichte ihm hier das schlammige Wasser, das durch die Luke herabgelaufen war. Garbag stand bereits in dem Tunneleingang, der Richtung Greifenfurt führte, während der Zwerg den Schlamm musterte.

»Leuchtet mal hier her«, brummte Kolon den Ork an. Ihm war, als hätte er etwas im Schlamm gesehen.

Garbag kam näher, und das Licht der Fackel zeigte die verrenkten Gliedmaßen eines Mannes, der dicht bei der Wand des Schachtes lag. Er mußte von der Leiter gestürzt sein. Immer wieder kam es vor, daß einem der Sklaven die Kräfte versagten, bevor er die rettende Luke am Ende der Leiter erreichte.

Kolon musterte den Toten. Er schien ein kräftiger Kerl gewesen zu sein. Schade. Der Zwerg sorgte dafür, daß alle seine Sklaven reichlich zu essen bekamen. Sogar Fleisch! Vermutlich bekamen sie sogar bessere Rationen als die belagerten Greifenfurter. Der Zwerg schlug ein Schutzzeichen, um nicht vom Geist des toten Sklaven heimgesucht zu werden.

»Laß uns gehen«, brummte er. Gehorsam machte Garbag sich auf. Die Decke des Erdtunnels vor ihm war so niedrig, daß der Krieger geduckt gehen mußte.

Der Zwerg folgte seinem Leibwächter mit geringem Abstand. Argwöhnisch musterte er dabei die Bretter, mit denen die Decke des Ganges verschalt war, und die dicken, hölzernen Stützpfeiler, die in kurzen Abständen entlang der Wände standen.

Kolon haßte es, sich durch Erde zu wühlen. Das war eines Zwergen nicht würdig. Einen Tunnel durch einen Felsen zu treiben war eine Herausforderung, aber diese Wühlerei hier war buchstäblich ein Dreck!

Überall tropfte es zwischen der Verschalung von der Decke hinab; Regenwasser, das sich seinen Weg zu den Strömen tief im Inneren der Erde suchte.

Wieder dachte der Zwerg an die Forderungen der Schamanen. Noch weiter und vor allem noch tiefer sollte er graben.

Ärgerlich spuckte er in eine der trüben Pfützen auf dem Boden. Keine Ahnung hatten diese Geisterbeschwörer. Würde er noch einen oder zwei Schritt tiefer graben, mochten sie auf Grundwasser stoßen. Und je näher sie dem Fluß kamen, desto größer wurde die Gefahr eines Wassereinbruchs. Unter solchen Bedingungen einen Tunnel durchs Erdreich zu treiben, überstieg selbst seine Fähigkeiten. Na ja, die Schwarzpelze würden schon sehen, was ihnen ihre unsinnigen Forderungen einbrachten. Immer wieder hatte er versucht, ihnen zu erklären, was passieren würde, wenn sie erst einmal eine Stelle erreichten, wo das Erdreich vom Wasser so aufgeweicht war, daß es die Stützbalken für die Deckenverschalungen nicht mehr tragen würde. Aber für vernünftige Argumente waren die Schamanen nicht zugänglich.

Kolon lächelte grimmig. Wenn es soweit war, würde er in keinem dieser Tunnel stehen, aber vielleicht ließ es sich ja einrichten, daß einige dieser besserwisserischen Schamanen zu dieser Zeit hier unten weilten. Danach würde man mehr auf sein Wort geben!

Der Zwerg lachte böse.

Himgi beobachtete verstohlen den Propheten. So nannten die meisten mittlerweile den wahnsinnigen Uriens. Obwohl es fast nirgends noch etwas zu trinken gab, strich der Prophet trotzdem Nacht für Nacht ziellos durch die Tavernen der Stadt. Den meisten war er unheimlich. Hatten die Bürger früher noch ihre Späße mit ihm gemacht, so versuchten sie ihm nun aus dem Weg zu gehen.

»Der Tod trägt rot.« Fast jeder kannte den Orakelspruch des Irren; es gab Dutzende Spekulationen, was das wohl bedeuten mochte. Doch selbst Himgi war sich bewußt, daß in den Worten des Propheten eine vieldeutige Wahrheit lag. Da war der Hafenarbeiter Drugon, der mit seinen Kindern ermordet worden war. Nie hatte man die Frau in dem roten Kapuzenmantel gefunden, die diese gräßlichen Morde begangen hatte.