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Die Wache am Tor wurde von einem ehrfurchtgebietenden Hauptmann angeführt. Er hatte langes, silbergraues Haar, einen kurzgeschorenen Bart und trug die prächtige Rüstung eines Kürassieroffiziers. Seinen Helm mit wallendem weißen Federbusch hatte er sich unter den Arm geklemmt. Jeder, der das Schloß des Grafen betreten wollte, mußte an ihm und seinen Wachen vorbei. Und das schien nicht leicht zu sein. Jedenfalls wurden bedeutend mehr Boten und Offiziere wieder weggeschickt als durchgelassen.

»Bedaure, aber der Prinz und sein Generalstab sind in einer wichtigen Besprechung«, ertönte die tiefe Stimme des Mannes, während Arthag die Stufen zum Portal erklomm.

Eine junge Frau, die in die weiten Gewänder der Tulamiden gehüllt war, verlangte nach Einlaß. »Drei Wochen habe ich im Sattel gesessen, um den Prinzen zu erreichen. Ich bringe dringende Nachricht des Sultans von Fasar.«

»Wenn Ihr so lange geritten seid, dann gönnt Euch nun eine Nacht der Ruhe und ...«

»Bei allen Dschinnis der Geisterwelt! Ich werde mich doch nicht von einem solchen Stutzer aufhalten lassen!« Die Frau versuchte durch die Wachen durchzubrechen. Klirrend schlugen die Speere der Soldaten am Eingang gegeneinander. Krieger, die weiter unten an der Treppe in Bereitschaft gestanden hatten, eilten die Stufen empor.

»Ich versichere Euch, Ihr seid die erste, die morgen früh eine Audienz bei seiner Majestät erhalten wird«, übertönte der Bau des Hauptmanns den Tumult. »Begleitet die Gesandte nun in die Stadt und verschafft ihr ein angemessenes Quartier!«

Die Frau hatte sich etwas beruhigt. Eskortiert von zwei Soldaten schritt sie an Himgi und seinem Gefolge vorbei die Treppe hinab.

»Laß mich reden«, zischte Nyrilla dem Zwergen ins Ohr.

»Unsinn«, brummte Arthag, erklomm die letzten Treppenstufen und baute sich vor dem Hauptmann auf.

»Ich, Arthag Armbeißer vom Volk der Amboßzwerge, bittet um Audienz bei seiner Majestät, dem Prinzen. Ich bringe dringende Nachricht aus Xorlosch.«

Mit kalten grauen Augen musterte ihn der Offizier, um dann mit tonloser Stimme zu erklären: »Bedaure, Seine Majestät ist in einer wichtigen Besprechung. Morgen werden bis zur Mittagsstunde Audienzen gegeben, ich bitte Euch, mit Eurer Gesandtschaft dann noch einmal vorzusprechen.« »Hauptmann, unsere Botschaft duldet keinerlei Aufschub. Es tut mir leid, Ihnen Umstände zu bereiten, doch müssen wir nun in den Palast!« Arthag sprach mit gepreßter Stimme. Kaum gelang es ihm, seinen Ärger über die herablassende Behandlung zu unterdrücken. Was erlaubte sich dieser Großling eigentlich? Dabei war Arthags Sippe schon berühmt gewesen, als die Vorfahren dieses Mannes noch mit Steinbeilen Rotpüschel gejagt hatten. Böse funkelte ihn der Zwerg an. »Ihr zieht den Zorn Seiner Majestät auf Euch, wenn Ihr uns jetzt abweist!«

Der Offizier schien ihn und sein Gefolge zu mustern. Sollte er nur versuchen, mit acht Zwergen Streit anzufangen.

»Ich fürchte, mein Freund hat vergessen zu sagen, daß wir im Auftrag des KGIA beim Prinzen vorsprechen. Baron Dexter Nemrod selbst schickt uns. — Wie war auch gleich Euer Name, Hauptmann?« Nyrilla stand jetzt neben dem Zwerg und hielt dem Offizier ihr funkelndes Greifensiegel entgegen. Der Mann erbleichte. »Ich bitte um Entschuldigung ... Warum habt Ihr nicht gleich gesagt, in wessen Dienst Ihr vorsprecht? Natürlich werdet Ihr sofort vorgelassen ... Wache, geleitet die Gesandtschaft in den Rittersaal!«

Das Portal wurde aufgestoßen, und ein Junker verbeugte sich in höfischer Manier vor der Elfe. »Bitte erweist mir die Ehre, mir zu folgen«, grüßte er mit öliger Stimme. Dann wandte er sich um und schritt in den langen Gang hinter dem Portal.

»Warum nicht gleich so«, grunzte Arthag zufrieden und folgte dem Adligen.

»Ich werde mich dann drinnen nach Eurem Namen erkundigen«, sagte Nyrilla und folgte dem Zwergen. Der Offizier schien noch eine Spur blasser zu werden.

»Was machen wir, wenn er herausbekommt, daß wir gar nicht direkt vom Baron kommen?« flüsterte Arthag der Elfe zu, während sie durch den hohen, fackelbeleuchteten Flur schritten. Der Zwerg war beunruhigt. Es war nicht gut, leichtfertig den Namen des Großinquisitors zu nennen.

»Der Hauptmann wird schon keine weiteren Fragen stellen. Er wird froh sein, wenn er von uns nichts mehr hört.«

Arthag konnte diesen Optimismus nicht teilen. Überhaupt fand er, daß sich Nyrilla meistens zu wenig Gedanken darüber machte, was sie tat.

Inzwischen waren sie vor einer großen, zweiflügeligen Tür angelangt. Der Junker tuschelte kurz mit den Wachen. Dann wurde die Flügeltür einen Spalt geöffnet, und eine Kriegerin huschte hinein.

Was für Umstände die Großlinge machten! Arthag war das unbegreiflich. Er blickte sich zu seiner Ehrenwache aus Xorlosch um. Die Zwerge musterten mit versteinerten Mienen Wände und Decken. Keiner sagte etwas oder zeigte auch nur die geringste Regung. Trotzdem war Arthag sich ziemlich sicher, daß sie in Gedanken geringschätzig die menschliche Architektur mit ihren eigenen Steinmetzarbeiten verglichen.

Arthag hatte sich schon lange abgewöhnt, solche Vergleiche anzustellen. Was sollte man von den kurzlebigen Großlingen auch erwarten? Sie waren doch schon alt und grau, bevor einem jungen Zwergen ein mannhafter Bart gewachsen war. Menschen lebten einfach nicht lange genug, um sich die Muße für wahrhaft vollkommene Arbeiten nehmen zu können. Keiner ihrer Steinmetze hatte die Zeit, ein Jahrzehnt aufzuwenden, um einen wahrhaft vollkommenen Torbogen zu gestalten. Warum sollte man über sie lästern? Man sprach ja auch nicht geringschätzig von Kindern, die sich bemühten, aus Sand Burgen zu formen.

Arthag schreckte aus seinen Gedanken auf. Beinahe lautlos hatte sich die Flügeltür geöffnet. Der Zwerg konnte in einen langen Saal mit rußgeschwärzter Holzdecke blicken. Wohl zwei Dutzend Männer und Frauen in prächtigen Rüstungen und Uniformen schauten ihm erwartungsvoll entgegen, während irgendwo eine laute Stimme verkündete:

»Arthag Armbeißer, Zwerg vom Volk unter dem Amboß, Gesandter des Großinquisitors Baron Dexter Nemrod. In seinem Gefolge, Nyrilla, vom Volk der ...«

Arthag zitterten für einen Moment die Knie. Solche Auftritte war er nicht gewohnt. Dann faßte er sich ein Herz und schritt in den Saal. Am Ende der Tafel stand ein junger Mann in hohen Reiter stiefeln. Seine Uniform war etwas abgetragen und die Farben seines Rocks ein wenig verschossen.

Dennoch konnte kein Zweifel bestehen. Dieser selbstbewußte und doch nicht überhebliche Blick. Die braunen Augen, das schulterlange, dunkelblonde Haar ... Und vor allem das Amulett mit dem Fuchskopf, das der junge Mann um den Hals trug. Dieser Mann mußte Prinz Brin sein.

Der Zwerg verneigte sich.

»Erhebt Euer Haupt, Arthag vom Volk der Amboßzwerge.« Die Stimme klang fest und zugleich freundlich. »Sagt, welch wichtige Botschaft bringt Ihr mir von meinem Freund, dem Baron?«

Arthag räusperte sich verlegen. Er wünschte, diese verdammte Elfe hätte ihr vorschnelles Mundwerk gehalten.

»Ähm ... Zunächst überbringe ich Euch Grüße von Tschubax, Herr aller Erzzwerge und König in Xorlosch. Im Dienste des Barons haben wir dort Kunde über Greifenfurt, daß einst Saljeth genannt wurde, eingeholt und wissen nun, was die Schwarzröcke dazu trieb, den Tempel des Praios zu schänden und seit vielen Wochen unermüdlich die Mauern der Stadt zu bestürmen ...«

Als der Zwerg geendet hatte, herrschte Grabesstille im Rittersaal. Als erster fand der junge Prinz die Sprache wieder. »Ich fürchte, Herr Arthag, es wird Euch nicht möglich sein, Eure Botschaft nach Greifenfurt zu bringen. Jedenfalls nicht in den nächsten Tagen. Nach den neuesten Berichten unserer Kundschafter sammelt sich ein größerer Truppenverband nördlich von uns. Überall wimmelt es nur so von den Spähern der Schwarzpelze, und bis zur Stadt durchzukommen ist unmöglich.«