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Nyrilla kam durch den Eingang der niedrigen Erdhöhle und schreckte ihn aus den Gedanken.

»Und ... ?« Arthag blickte sie erwartungsvoll an.

»Es wird schwierig. Ich habe mich bis nahe an die Stadt durchgeschlagen, aber ich fürchte, wir werden nicht durchkommen.«

»Was ist passiert?«

»Die Orks haben sich vor der Bastion am Fluß eingegraben. Sie scheinen alle ihre Böcke und Rotzen dorthin geschafft zu haben. Ich fürchte, wir werden an dieser Stelle nicht in die Stadt gelangen. Auch sonst ist der Belagerungsring zu dicht. Verzeih mir, wenn ich das sage, aber sie gebärden sich wie die Zwerge. Überall sind Wälle aufgeworfen, und die Erde ist zerwühlt. Alle Obstgärten im Umkreis von einer Meile sind abgeholzt. Das Land sieht aus, als hätten dort Dämonen gehaust.«

Arthag nahm den Braten vom Feuer und teilte das Fleisch mit seinem breiten Messer. Schweigend reichte er der Elfe ihren Braten.

»Es wird uns nichts übrigbleiben, als hier abzuwarten und zu hoffen, daß die Schwarzpelze nicht über unser Versteck stolpern. Vielleicht ist es sogar besser, tagsüber die Höhle zu verlassen und durch die Hügel zu streifen.«

Die Elfe kaute auf beiden Backen, während sie sprach. Doch irgendwie schaffte sie es, daß ihr der Saft des Bratens nicht übers Kinn lief. Arthag wischte ärgerlich durch seinen fetttriefenden Bart. Er hatte auch noch nie gesehen, wie Nyrilla sich wusch, und trotzdem sah sie immer so aus, als sei sie gerade einem Bad entstiegen. Elfengeheimnisse, dachte er bei sich. Putzt sich wahrscheinlich heimlich wie ein kleines Kätzchen. »Und was nun?« fragte Arthag und warf einen Knochen ins Feuer.

Nyrilla zuckte mit den Schultern. »Wir werden abwarten müssen. Ich glaube nicht, daß sich die Schanze am Fluß noch lange halten wird. Vielleicht können wir uns während der Siegesfeier durch die Linien der Orks schleichen. So wie der Turm aussieht, kann das nicht mehr lange dauern.« Trotz des Feuers wurde dem Zwerg kalt. Sollte er umkehren? Der Untergang der Bastion erschien ihm wie ein Omen. Würden erst einmal all die Orks, die sich im Süden sammelten, vor der Stadt eintreffen, war es um Greifenfurt geschehen. Um die Schwarzpelze aufzuhalten, brauchte man schon ein ganzes Heer und nicht eine Handvoll Bürger, die kaum wußten, wie man ein Schwert hielt.

Arthag starrte vor sich in die Flammen. Die Elfe hatte sich in ihren Umhang gerollt und schien zu schlafen. Nyrilla hatte die Ruhe weg. Oder konnte sie sich einfach nicht vorstellen, daß sie womöglich schon in den nächsten Tagen sterben würde?

Arthag schlich aus der Höhle und überprüfte, ob der dichte Busch am Eingang des Erdlochs den Feuerschein verdeckte. Dann legte der Zwerg den Kopf in den Nacken und starrte zum Sternenhimmel hinauf. Ob er den nächsten Winter noch erleben würde? Es sah so aus, als würde in diesem Jahr schon früh der erste Schnee kommen. Der Atem stand Arthag in kleinen Wölkchen vor dem Mund.

Wenn er jetzt einfach ginge, würde er den Winter überleben! In ein paar Tagesmärschen hätte er das heimatliche Amboßgebirge erreicht. War es feige, sich vor dem sicheren Tod zu fürchten? Wer konnte ihm schon verübeln, wenn er nicht zur Stadt zurückkehrte, die allen, die dort blieben, zum Grab werden würde?

Er konnte ja auch gehen, um unter seinen Brüdern im Amboß Krieger für den Kampf gegen die Orks zu werben. Arthag kauerte sich ins Gras und grübelte, welche Eigenschaften einen mutigen Mann ausmachten.

Zerwas segelte mit weit ausgebreiteten Flügeln über das Meer der Sieben Winde und ließ sich vom stetigen Wind nach Westen tragen. Als Ritter Roger hatte er Anschluß an das kaiserliche Offizierscorps in Ferdok gefunden. Selbst dem Prinzen war er schon nahe gekommen. Seine neue Tarnung war ideal! Ohne eigenes Kommando konnte er sich leicht aus der Stadt entfernen, ohne daß man ihn all zu sehr vermißte. So hatte er Gelegenheit, in dieser Nacht nach Hylailos zu fliegen und sich in Rethis, der größten Stadt auf dieser Insel, nach einem geeigneten Mann umzusehen.

Der Vampir legte die Flügel an und ließ sich zum Vergnügen auf die silbrige See zustürzen. Es war wunderbar, den eisigen Wind auf den Flügeln zu spüren. So mußte sich ein Adler fühlen, der im Sturzflug auf seine Beute hinabstieß.

Unter ihm glimmten die Positionslichter eines kleinen Fischerbootes. Zerwas stieß einen Schrei aus und hielt auf das zerbrechliche Gefährt zu. Dunkle Gestalten bewegten sich an Deck und deuteten zum Himmel.

Der Vampir fing den Sturzflug mit weit ausgebreiteten Flügeln ab. Das kleine Boot erzitterte, als er sich auf der Rah des einzigen Mastes niederließ. Die Fischer hatten sich in ihrer Angst bis in den hintersten Winkel des hochbordigen Hecks zurückgezogen. Einer von ihnen hatte einen Säbel gezückt und bedrohte ihn mit zitternder Hand.

»Kommt ihr aus Rethis?« Zerwas war in die Gedanken des Säbelschwingers eingedrungen. »Los antworte, oder ich reiß dich in Stücke!«

»Bitte tut uns nichts!« Der Mann hatte seine Waffe sinken lassen und war auf die Knie gegangen. »Wir sind nur arme Fischer.«

»Mich interessiert nicht, was ihr seid, sondern woher ihr kommt.« Zerwas bestürmte mit solcher Macht den Verstand des Fischers, daß der Mann sich mit beiden Händen an den Kopf griff und vor Schmerz laut aufstöhnte. »Ja, wir sind aus Rethis«, wimmerte der Fischer.

»Gut. Ich gebe dir jetzt Gelegenheit, dich für die Schrecken zu rächen, die ich euch bereitet habe. Ein mißglücktes alchimistisches Experiment hat mich in diese Sphäre gerissen und meinen Zorn entfacht. Ich kann nur dann zurückkehren, wenn ich töte.«

Der Mann zuckte zusammen und brach in lautes Schluchzen aus. »Er will uns töten«, schrie er mit vor Angst schriller Stimme.

Auch die anderen Fischer warfen sich zu Boden und begannen, um ihr Leben zu betteln.

»Ich werde euch am Leben lassen, wenn ihr mir verratet, wo ich den besten Alchimisten von Rethis finde. Er muß mich gerufen haben, und er soll dafür büßen.«

»Das ist Promos. Er wohnt in einem Haus auf einer hohen Klippe unweit der Stadt. Geht den alten Giftmischer bestrafen und verschont uns!« »So sei es und seid stolz, daß ihr es wart, die Unglück über das Haus des Promos gebracht habt, ihr Hasenherzen!«

Mit einem Schrei stieß sich der Vampir von der Rah ab, drehte noch zwei Runden um das Boot, wo die Fischer noch immer wimmernd auf ihren Bäuchen lagen. Es war doch immer wieder ein Vergnügen, sich an der Angst und der Leichtgläubigkeit der Menschen zu weiden! Schließlich wandte er sich nach Westen, um den Alchimisten Promos aufzusuchen.

Als Zerwas das Haus auf der Klippe gefunden hatte, blieben nur noch wenige Stunden bis zur Morgendämmerung. Durch ein Giebelfenster fiel gelbliches Licht. Sonst war ringsherum alles dunkel.

Vorsichtig ließ der Vampir sich auf dem Dach nieder, dessen Schindeln unter seinem Gewicht leise knirschten. Dann beugte er sich vor, um durch das Fenster zu schauen. In der Dachkammer stand ein gebeugter alter Mann vor einem Tisch voller Tiegel, gläserner Phiolen und merkwürdig geformter Tonkrüge.

Kein Zweifel, hier war Zerwas richtig! Doch bevor er losschlug, mußte er wissen, ob noch andere in diesem Haus lebten. Zerwas konzentrierte sich und ließ Bilder der anderen Räume vor seinem inneren Auge entstehen. Alles war verwaist, bis auf die Kammer auf der anderen Seite des Daches. Ein junges Mädchen lag dort in einem Bett und schlief.

Ein Opfer? Zerwas war überrascht. Das Mädchen mochte höchstens zwanzig Sommer gesehen haben. Sollte der alte Mann dunkle Praktiken betreiben, bei denen das Blut von Jungfrauen zum Focus für finstre Mächte wurde? Zerwas drang in die Träume des Mädchens ein und wußte bald, daß er sich getäuscht hatte.

Dann wandte er sich wieder dem alten Mann zu. Der Alchimist schob einen Schmelztiegel in den Ofen, der in einer Ecke der kleinen Kammer stand. Die Gelegenheit war günstig!