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Der Ork versuchte verzweifelt, dem Schwert auszuweichen, taumelte einen Augenblick und stürzte dann schreiend von der Mauer.

Da hast du ein Opfer, Tairach, dachte Rialla triumphierend. Neben ihr ertönte der helle Klang von Schwertern, Gernot Brohm und Ritter Armand, einer der beiden Offiziere, die sich mit ihr gegen Marcian gestellt hatten, hielten rechts und links von ihr die Stellung.

Der Ork hatte zwei seiner Gefährten mit sich in die Tiefe gerissen, so daß die Kriegerin einen Augenblick Zeit hatte, um nach hinten zu blicken. Die Trümmer der eingestürzten Deckenhälfte hatten den Abstieg zu den unteren Etagen blockiert. Es gab also vorerst keinen Weg zurück mehr. Die beiden Frauen, die sie oben zurückgelassen hatte, mußten tot sein. Also fochten nur noch sechs oder sieben Getreue mit ihr, um den Ansturm der Orks zurückzuschlagen.

Ein Pfeil durchschlug ihren Schild und prallte wirkungslos am Küraß ab. Rialla lachte laut auf. »Laßt uns mit unseren Schwertern eine Saga von wahrem Heldenmut schreiben! Die Götter blicken auf uns. Erweist euch als würdig.«

Zu ihren Füßen erklommen neue Orks todesmutig die Leiter. Die Bannerträgerin ließ ihr Schwert über dem Kopf kreisen. »Für den Prinzen! Tod und Verderben den verlausten Schwarzpelzen!« schrie sie aus vollem Halse, und die übrigen stimmten in ihren Schlachtruf ein. »Für den Prinzen!« Ein Ork mit einer breiten Narbe über dem Gesicht war nun am oberen Ende der Leiter angekommen. Doch statt den Versuch zu machen, auf die Mauer zu steigen, holte er mit seiner Streitaxt zu einem Schlag nach ihren Füßen aus.

Die Kriegerin machte einen Satz nach hinten. Der Hieb verfehlte sie knapp, doch der Ork nutzte die Gelegenheit, um auf die Mauer zu klettern. Er war ein großer Kerl mit fingerlangen Hauern, die ihm aus dem Unterkiefer wuchsen. Lippen und Gesicht schmückten dunkle Tätowierungen. Wahrscheinlich ein Häuptling, dachte die Rialla, während sie seinen Angriff abwartete.

Er trug einen mit Eisenplättchen verstärkten Lederpanzer und schützte sich zusätzlich mit einem großen, rot bemalten Rundschild. Ein eiserner Helm krönte sein Haupt. Die Axt des Kriegers war so gewaltig, daß die meisten Menschen sie vermutlich nur zweihändig hätten führen können. Breitbeinig stand er auf der Mauer und wartete ihren Angriff ab. Rialla mußte ihn schnell zurückschlagen, damit nicht noch mehr Orks auf die Mauer gelangten. Die Kriegerin machte einen Ausfall. Dicht wie Hagelschlag prasselten ihre Schwerthiebe auf ihn ein. Doch der Ork war ein gewandter Kämpfer und parierte ihre Hiebe geschickt. Rialla ihrerseits fing mit ihrem eisenbeschlagenen Schild die schweren Schläge des Orkhäuptlings auf. Es war ein höchst ungleicher Kampf. Schon splitterte der Rand von Riallas Schild unter den wuchtigen Attacken ihres Gegners. Seine Waffe war schwerer und hatte mehr Durchschlagskraft.

Die Bannerträgerin schlug eine Reihe von Finten, um einen Schwachpunkt in der Deckung des Orks zu finden. Doch der Schwarzpelz stand wie ein Fels auf der Mauer und wich nicht um einen Zoll zurück.

Rialla fluchte. Es schien schier unmöglich, die Deckung dieses Orkhäuptlings zu durchbrechen. Ein Veteran der kaiserlichen Garde hätte kaum geschickter mit dem Schild parieren können als dieser Barbar.

Sie mußte etwas anderes versuchen. Vorsichtig wich Rialla vor dem nächsten Hieb ein Stück zurück. Sie würde alles auf eine Karte setzen. Der Ork stieß einen gellenden Schlachtruf aus und setzte ihr mit erhobener Axt nach.

Das war der Augenblick, auf den die Bannerträgerin gewartet hatte. Sehende sprang sie vor und führte das Schwert in weitem Bogen seitlich nach oben. Zu spät begriff der Ork ihre Absicht, und Rialla zersplitterte mit ihrem Hieb den hölzernen Schaft der Streitaxt.

Schlag auf Schlag drosch sie nun auf ihn ein und hielt den Orkhäuptling mit ihren pausenlosen Attacken so in Atem, daß er keine Gelegenheit fand, eine neue Waffe zu ziehen. Weiter zurückweichen konnte der Krieger nicht, sonst wäre er wie sein Vorgänger durch die Bresche in die Tiefe gestürzt.

Der große Rundschild, mit dem er bislang so meisterhaft ihre Angriffe abgewehrt hatte, soll ihm jetzt zum Verhängnis werden, dachte die Bannerträgerin.

Rialla hob den Arm, so als wolle sie mit einem mächtigen Hieb nach seinem Kopf zielen. Der Ork riß den Schild hoch. Im selben Augenblick änderte die Kriegerin ihre Angriffsrichtung und schlug in weitem Bogen unter dem Schildrand des Hünen hinweg, so daß ihr Schwert dem Ork in den ungeschützten Unterleib fuhr. Ruckartig riß Rialla die blutige Klinge zurück.

Der Häuptling brüllte wie ein verwundeter Stier, preßte die freie Hand auf die Wunde und taumelte einen Schritt zurück. Mit dem linken Fuß trat er ins Leere. Verzweifelt riß er beide Arme hoch und versuchte schwankend die Balance auf der Mauerkante zu halten.

»Stirb!« zischte die Kriegerin und ließ ihr breites Schwert vorzucken. Doch noch bevor sie traf, warf sich der Orkhäuptling mit einem gellenden Schrei nach hinten.

Die anderen Krieger, die beobachtet hatten, wie der mächtige Häuptling gestorben war, wichen entsetzt von den Leitern und der Mauer zurück. Vergeblich brüllte Kolon Befehle, um sie wieder vorwärtszutreiben. Nachdem sich die ersten Schwarzpelze zur Flucht gewandt hatten, gab es kein Halten mehr. Nur die Bogenschützen, die sich in Reichweite der Axt des fluchenden Zwergs befanden, blieben auf ihren Posten.

»Sieg! Sieg!« Wie besessen brüllte Rialla immer wieder dieses eine Wort. Rondra war ihr gnädig.

Rund um die Gruppe in der Bresche schlugen erneut Pfeile ein, und während Rialla und der junge Brohm noch immer wie trunken vor Freude waren, fuhr sich Ritter Armand mit gurgelndem Schrei nach der Kehle. Eines der Geschosse hatte sein Ziel gefunden.

Die Freudenrufe verstummten.

Einen Moment stand der Ritter noch taumelnd in der Bresche, dann stürzte er vom Turm.

»Alles in Deckung!« schrie Rialla entsetzt.

Selbst als sie hinter der zertrümmerten Turmmauer kauerte, konnte Rialla es noch nicht fassen. Wo war die Gerechtigkeit der Götter? Warum mußte das im Augenblick ihres Sieges geschehen?

Die Orks hatten aus der sicheren Deckung ihrer Erdwälle heraus erneut das Feuer mit ihren schweren Rotzen eröffnet. Stein um Stein prallte gegen die rissigen Mauern des Turms. Im Turm waren sie nach diesem Kampf nur noch zu dritt. Sie, Gernot Brohm und eine blonde Bürgerstochter waren die letzten, die noch ein Schwert führen konnten. Und irgendwo unten mußte noch Marcians Bote sein, falls ihn die Felsbrocken, die die Treppe verschütteten, nicht erschlagen hatten.

Wie launisch das Glück war, hatten sie ja erst gerade erlebt, als Armand im Augenblick des Sieges der Tod ereilte. Dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen, das wäre ein noch größerer Triumph als ihr Erfolg über die Orks, der nicht mehr als eine kurze Gnadenfrist bringen mochte.

»Wir sollten schauen, ob wir die Treppe wieder freiräumen können.« Rialla hatte laut gedacht. Doch die beiden anderen reagierten nicht. Die Bürgerstochter starrte apathisch zu den Stellungen der Orks, und Gernot war damit beschäftigt, sich mit einem Stoffetzen den blutenden Arm zu verbinden.

Ohne ein weiteres Wort kroch Rialla zu der verschütteten Treppe hinüber. Zuerst räumte die Kriegerin loses Geröll und kleine Steinbrocken beiseite. Dann nahm sie den Schaft eines zerbrochenen Speers als Hebel, um größere Trümmerstücke aus dem Weg zu schaffen. Sie hatte schon eine ganze Weile gearbeitet, als schließlich Gernot herüberkam, um ihr zu helfen. Noch immer schossen die Orks auf den Turm. Große Felsbrocken donnerten gegen die Mauern, doch das Schicksal schien den dreien einen anderen Tod bestimmt zu haben.

Als sie endlich die Treppe so weit freigeräumt hatten, daß der Weg nach unten nicht mehr länger versperrt war, schritt Rialla als erste hinab. Eine weite Bahn von Licht fiel hinter ihr durch die Öffnung. Am Fuß der Treppe sah die Kriegerin Marrad zwischen herabgestürzten Steinen liegen. Ein Felsbrocken hatte ihm die Schulter zertrümmert. Der Junge war bewußtlos.

Die Kriegerin nahm ihn auf den Arm und trug ihn die Treppe hinauf, zu ihren letzten beiden Gefährten.