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George lachte laut. »Ich bin einigen von dieser Sorte begegnet.«

»Mein Vater sagt, daß die Yankees jetzt versuchen, das Land zu regieren.«

Das konnte George nicht durchgehen lassen. »Auf die Art und Weise, wie dies Virginia während so vielen Jahren getan hat?«

Orry legte die Hände auf die Reling. »Sehen Sie – «

»Nein, sehen Sie da!« Wenn sie Freunde werden sollten, mußte George das Thema sofort wechseln. Er deutete auf das Heck, wo zwei junge Damen unter einem Sonnenschirm kicherten. Die ältere Dame, in deren Begleitung sie waren, war auf einer Bank eingenickt.

George hatte zu Hause bereits zwei Mal mit einem Mädchen geschlafen und fühlte sich deshalb sehr weltmännisch. »Sollen wir sie ansprechen?« Orry wurde rot und schüttelte den Kopf. »Wenn Sie möchten, ich bleibe hier. Es liegt mir nicht besonders, Damen den Hof zu machen.«

»Tun Sie es nicht gerne?«

»Ich weiß nicht, wie«, gab Orry scheu zu.

»Nun, dann tun Sie gut daran, es zu lernen; Sie verpassen sonst das halbe Leben.«

George lehnte sich an die Reling. »Ich glaube, ich werde sie nicht ansprechen. Eine Romanze zwischen hier und West Point wäre nicht besonders praktisch.«

Er schwieg und gab schließlich seiner Angst nach, die, seitdem er von zu Hause weg war, zugenommen hatte. Seine Familie würde in New York bleiben; sein Vater, um einige Geschäfte zu erledigen, und die andern, um Restaurants, Museen und Theater zu genießen. Er jedoch reiste einer ungewissen Zukunft entgegen. Und der Einsamkeit. Auch wenn er die spartanische Disziplin der Akademie überleben sollte, würde er seine Heimat erst in zwei Jahren wiedersehen. Die Kadetten hatten nur einen Diensturlaub, und zwar zwischen dem zweiten und dritten Jahr.

Natürlich mußte er, bevor es so weit sein würde, eine Reihe von Hindernissen überwinden. Die Akademie war für harte Arbeit bekannt. Noch härter waren die Schikanen, denen die Neuankömmlinge von seiten der Senioren ausgesetzt waren. Das Institut wurde deswegen des öfteren kritisiert, und zwar meistens von Demokraten, die mit dem ganzen Konzept nicht einverstanden waren.

Das Schiff glitt stromaufwärts. Kein Anzeichen menschlicher Siedlungen an den Steilhängen der Ufer. Der Dampfer führte sie in die Wildnis. George freute sich, daß jemand da war, der dem gleichen Schicksal ausgesetzt war und der, sofern er sich nicht täuschte, unter den gleichen Zukunftsängsten litt.

2

Der Dampfer fuhr nordwärts, Richtung Hudson Highlands. Etwa gegen ein Uhr gelangte er in die Gegend von West Point. Orry sah sich gespannt nach dem Denkmal des bekannten polnischen Freiheitshelden Kosciusko auf dem Hügel um, doch es blieb hinter Laub versteckt.

Als das Schiff ins Norddock hineinmanövriert wurde, bot sich den beiden jungen Männern eine atemberaubende Aussicht auf die nach Norden drängende Schlucht des Hudson. Alte Gletscher hatten das Gebirge terrassenförmig ausgehöhlt und jene Berggipfel entstehen lassen, die Orry aus Büchern kannte: Am Ostufer, hinter ihnen, befand sich der Mount Taurus, Crow-Nest lag im Westen und etwas weiter flußaufwärts die Shawangunk-Kette.

»Dort hinten, bei Constitution Island, hatten die Amerikaner während der Revolution eine Hafensperre errichtet, um die Schiffahrt zu behindern. Dort oben, auf dem Gipfel, stand das nach dem britischen General benannte Fort Clinton, und dort drüben sind die Ruinen von Fort Putnam.«

»Du bist wohl sehr an Geschichte interessiert?« fragte George spitz.

»Ja, einige Mains haben während der Revolution gekämpft.«

»Nun, ich nehme an, daß auch einige Hazards gekämpft haben. Aber wir führen in Pennsylvania nicht Buch über solche Sachen.« Georges Stimme klang gereizt. Hitze und Einsamkeit hatten wohl dazu beigetragen. Er wurde sich dessen bewußt und versuchte, witzig zu sein. »Oh, jetzt verstehe ich, weshalb du keine Zeit für Mädchen hast. Du steckst deine Nase wohl dauernd in Bücher!«

Orry wurde rot. George machte eine beschwichtigende Handbewegung. »Nun, versteh mich bitte nicht falsch! Was du erzählt hast, ist zwar interessant, aber bist du immer so ernst?«

»Na und? Etwas Ernst täte dir auch ganz gut, wenn du dein erstes Sommercamp überleben willst.«

George war ernüchtert. »Ja, du hast wahrscheinlich recht.«

Als George und Orry an Land gingen, winkten ihnen die beiden Mädchen auf Wiedersehen. Die Hitze war jetzt fast unerträglich geworden, und George zog seinen Mantel aus.

Auf dem Pier wurden sie von zwei Soldaten in Uniform erwartet. Der eine, der eher einfältig aussah, lehnte sich gegen ein wackliges Fuhrwerk. Er trug eine kurze Uniformjacke mit Messingknöpfen, lange Hosen und Handschuhe – alles weiß, aber schmutzig. Auf dem Kopf saß eine flache runde Kappe mit einem Messingornament. Ein schwerer Degen war an seinem breiten Gürtel befestigt.

Orry und George waren die einzigen Ankömmlinge. Matrosen warfen ihre Koffer ohne Rücksicht auf deren Inhalt auf den Pier. Während Orry und George noch etwas verloren um sich starrten, wurde die Gangway bereits wieder an Bord gezogen. Die Schiffsglocke läutete, die Ruder peitschten das Wasser, und lautes Tuten mahnte zur Weiterfahrt.

Der kleinere der beiden Soldaten, der in einer etwas saubereren Uniform steckte, umfaßte das Heft seines Degens und machte einen langen Schritt vorwärts. Auch er trug eine jener runden Kappen. Sein Gesicht war faltig und sein Akzent eindeutig irisch.

»Unteroffizier Owens, US-Armee.«

»Wir sind neue Junioren – « begann George.

»Nein, Sir!«

»Wie bitte?«

»Sie sind ein Ding, Sir. Bevor Sie Junior werden, müssen Sie erst mal die Eintrittsprüfung bestehen. Bis dahin sind Sie beide weniger als Junioren. Sie sind Dinge. Vergessen Sie das nicht, und benehmen Sie sich entsprechend.«

George bekam das in den falschen Hals. »Aha, alles schön dem Rang nach und mit einem Etikett versehen, ja?«

Mit einem Naserümpfen antwortete Owens: »Genau, Sir. Die Akademie legt großen Wert auf die Rangordnung. Sogar die einzelnen Truppenverbände haben eine Rangordnung. Die Pioniertruppen bilden die Elite, das Non plus ultra, und nehmen nur die Kadetten mit den besten Noten auf. Die mit den schlechtesten Noten werden Dragoner. Vergessen Sie das nicht, und benehmen Sie sich entsprechend!«

Verdammter Lümmel, dachte Orry. Er mochte Owens nicht. Es sollte sich noch zeigen, daß er diese Abneigung mit vielen Kadetten teilte.

Owens zeigte auf das Fuhrwerk. »Dort ist Platz für Ihr Gepäck. Nehmen Sie den Weg, der auf den Hügel hinaufführt, und melden Sie sich beim Adjutanten.« George wollte wissen, wo sich dessen Büro befinde, aber Owens gab ihm keine Antwort.

Die beiden Neuankömmlinge wanderten mühsam den stark gewundenen Pfad hinauf; die flache, baumlose Hochebene bot einen entsetzlich staubigen und heißen Anblick. Orry hatte Heimweh. Er versuchte, es zu überwinden, indem er sich in Erinnerung rief, weshalb er hier war. Die Akademie bot ihm die beste Chance seines Lebens, das zu erreichen, was er seit jeher angestrebt hatte: eine Karriere als Offizier.

Falls George sich verloren vorkam, so vermochte er es jedenfalls gut zu verbergen. Während Orry die verschiedenen Steinbauten am Rande der Ebene betrachtete, konzentrierte sich George auf ein Holzhaus unmittelbar zu ihrer Linken, auf dessen schattiger Veranda sich mehrere Besucher unterhielten.

»Mädchen«, bemerkte George überflüssigerweise. »Das muß das Hotel sein. Ich frage mich, ob es dort Zigarren zu kaufen gibt.«

»Kadetten rauchen nicht. Das ist Vorschrift.«

George zuckte die Achseln. »Ich werde sie zu umgehen wissen.«

Orry war zwar sehr von der Umgebung der Akademie beeindruckt, fand die Gebäude selbst jedoch eher spartanisch. Das paßte natürlich zur Armee. Es strafte zweifellos jene Kritiker Lügen, die behaupteten, die Akademie verhätschle ihre Zöglinge. West Point war keine Hochburg der Trägheit, denn wenn auch jedes Jahr im Juni neunzig bis hundert Neue ankamen, so promovierten vier Jahre später jeweils nur vierzig bis fünfzig. Orry und sein neuer Freund hatten noch einen weiten Weg vor sich, bis sie in vier Jahren den Ort als voll anerkannte Mitglieder der Klasse von 1846 verlassen würden.