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Es war harte, schmutzige Arbeit gewesen. Billy hatte den ganzen Sommer damit zugebracht, die Pfähle zu richten, neue Pfähle zu verankern, Steine aufzuschütten, die Insekten zu vertreiben und die Querelen unter den Arbeitern zu schlichten. Die meiste Zeit über hatte er ohne Hemd gearbeitet und immer wieder einen Sonnenbrand und Blasen auf dem Rücken bekommen. Doch jetzt war er dunkelbraun gebrannt, die Arbeiten waren fertiggestellt, und er konnte alles mit Stolz vorzeigen.

»Am Südende der Sandbank war der Deich durch Eis beschädigt worden, und wir haben auch dort Ausbesserungen vornehmen müssen. Noch zwei oder drei Wochen, und wir sind fertig damit.«

»Und dann?«

»Werde ich versetzt.«

»Wohin?«

»Wo auch immer Ingenieure gebraucht werden. Einer meiner Männer hat mich gefragt, weshalb ich vier Jahre lang in West Point habe lernen müssen, wie man Steine auflädt, und ich konnte ihm bei Gott keine vernünftige Antwort geben. Aber die Arbeit ist sinnvoll und nützlich, sie hat mir Spaß gemacht. Ich würde gerne etwas Ähnliches anderswo wieder tun.«

Sie nickte. Arm in Arm schlenderten sie durch die raschelnden Baumwollsträucher. Der Himmel war nun tiefblau, oktoberfarben, wie Billy das nannte. Über ihren Köpfen zogen einige Kumuluswolken gemächlich dahin. Die untergehende Sonne tauchte sie in ein flammendes Orange. Der Gegensatz war kraß und romantisch, dachte Billy.

»Es ist mir egal, wohin sie mich versetzen«, fuhr er fort, »wenn ich nur in deiner Nähe sein kann.« Er blieb stehen, drehte sie sanft zu sich hin und hielt sie an den Unterarmen. »Brett, ich möchte dich heiraten. Bald.«

»Mir geht es nicht anders, Billy. Ich habe das Gefühl, daß wir schon seit Jahrhunderten aufeinander warten. Weißt du, daß ich bereits einundzwanzig bin?«

»Das hatte ich vergessen. Dann bist du ja schon fast steinalt.«

Trotz des Witzes war auch er sich in letzter Zeit seines Alters bewußt geworden. Mit vierundzwanzig war ein Mann so weit, daß er Verantwortung übernehmen konnte. »Ich kann jetzt wirklich für dich sorgen. Ich habe jeden Monat die Hälfte meines Lohns gespart und so – « Er räusperte sich. »Was würdest du davon halten, wenn ich mich, solange ihr beiden noch hier seid, mit Orry unterhalten würde?«

Sie umarmte ihn stürmisch. »O ja, bitte tu das.«

»Ich möchte sichergehen, daß ich ihn zum richtigen Zeitpunkt anspreche – «

Sie lächelte liebevoll. »Du bist immer so vorsichtig und sorgfältig. Ich glaube nicht, daß es jemals wieder einen richtigen Zeitpunkt geben wird. Die Welt befindet sich in solchem Aufruhr – «

»Aber ich bin nicht sicher, daß Orry mich mag. Wenn ich jetzt mit ihm rede und er immer noch auf George wütend ist?«

»Da ist er drüber hinweg.« Sie preßte sich wieder an ihn und flüsterte. »Ich verliere den Verstand, wenn wir noch lange warten müssen.«

»Ich auch.«

»Rede morgen mit ihm. Oder heute abend.«

»Gut. Sobald ich kann. Versprochen.«

Es klang entschlossen und sollte seine letzten Zweifel bannen. Er fühlte sich wie ein General, der endlich seine Männer in die Schlacht schickt.

Sie küßten sich wieder. Die orangefarbenen Wolken schwebten über dem Mississippi in einem so lieblichen Himmel, daß es schien, als gäbe es überhaupt keine Probleme mehr auf der Welt.

Orry fand St. Louis zwar lebhaft und voller Dynamik, aber die Leute hatten keine Manieren und benahmen sich aufgeblasen. Die Stadt war derb wie das rohe Holz der meisten Gebäude. Als er mit Billy am nächsten Morgen den Fluß entlangschlenderte, fühlte er sich sehr als eleganter Südstaatler.

Er trug einen teuren Walnußspazierstock bei sich, den er als Andenken gekauft hatte, und schwang ihn bei jedem Schritt in einem Halbkreis vor- und rückwärts. Sie gingen an einem Dutzend lärmender Neger vorbei, die Kisten auf ein Schiff luden. In der Mitte des Kanals tuckerte ein Schaufelraddampfer nach Norden in Richtung Des Moines. Die Passagiere lehnten winkend an der Reling. Orry betrachtete das Schiff mit großer Bewunderung; er hatte sich in die Mississippi-Dampfer verliebt, die ihm wie elegante schwimmende Paläste vorkamen.

Billy räusperte sich. Seine hellblaue Hose wies immer noch Spuren vom gestrigen unfreiwilligen Bad auf. Orry wußte, was nun kommen würde, und wünschte, er könnte der Situation ausweichen.

»Orry, ich schätze es sehr, daß du bereit bist, mich anzuhören.«

Der größere Mann wirbelte seinen Stock herum und sagte scherzhaft: »Das ist nichts Neues. Wir reden ja schon seit Jahren miteinander.«

»Ja, aber es geht diesmal um etwas sehr Wichtiges. Es betrifft Brett.«

Orry nickte ernst. »Das habe ich vermutet.«

Ein mit Baumwollballen beladener Karren fuhr vorbei; die Hufe des Esels dröhnten über das Pflaster. Die beiden Männer gingen während zehn Sekunden schweigend nebeneinander her. Manchmal fand Orry Billy zu vorsichtig – ein ironischer Gegensatz zu seinem älteren Bruder. Er bedauerte es, daß das Gespräch gerade jetzt stattfinden mußte, obwohl sein Zorn auf George eigentlich nichts damit zu tun hatte. Im Grunde hatte er sogar das Gefühl, daß er selber zu einem großen Teil für den Streit in Lehigh Station verantwortlich war. Er würde George nach einiger Zeit einen Brief schreiben und den Streit wiedergutmachen.

Der aromatische Duft von frischem Kaffee strömte ihnen aus einem Kaffeehaus an der linken Straßenseite entgegen; lautes Stimmengewirr und der Geruch von Sägemehl kamen aus einem Saloon. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte Orry Billys besorgte Miene. Um ihm die Sache zu erleichtern, sprach er als erster.

»Du möchtest um die Erlaubnis bitten, Brett zu heiraten?«

Billy explodierte beinahe vor Erleichterung. »Ja! Ich kann jetzt für sie sorgen. Wir werden zwar nicht in Saus und Braus leben, aber sie wird nie Not leiden müssen, das verspreche ich dir. Ich glaube, daß ich bei der Armee ausgezeichnete Chancen habe. Ich werde St. Louis demnächst verlassen – «

»Weißt du, wohin du versetzt wirst?«

»Ich habe darum gebeten, daß man mich auf eines der Bundesforts im Süden schickt. Fort Pulaski in Savannah. Fort Monroe. Charleston wäre natürlich ideal. Ich habe gehört, daß man die Absicht hat, die Hafenanlagen zu befestigen.«

»Nun, Brett würde sich darüber freuen, wenn du in der Nähe von Mont Royal wärest.«

»Orry, wir möchten einander nicht nur gegenseitige Besuche abstatten – wir möchten heiraten!«

Die Worte klangen mehr als nur etwas brüsk. Orry blieb auf dem Pier stehen und sah den jungen Mann stirnrunzelnd an.

»Das kann ich verstehen, Billy, aber ich kann dir meine Erlaubnis leider nicht geben.«

In Billys Augen blitzte Zorn auf. »Warum nicht? Glaubst du, daß ich kein guter Ehemann für Brett wäre?«

»Ganz im Gegenteil. Es hat nichts mit deinem Charakter zu tun.«

»Was ist es denn? Hast du deine Meinung über die Armee geändert? Glaubst du, daß es keine gute Laufbahn ist?«

»Nein, und ich bin sicher, daß du vieles leisten wirst. Auf jeden Fall in normalen Zeiten. Aber wir haben ja keine normalen Zeiten mehr. Das Land wird von Unruhen geschüttelt, und die Zukunft ist ungewiß, wenn nicht total finster.« Er seufzte schwer und rückte dann mit dem Rest der Wahrheit heraus. »Besonders für zwei junge Menschen, die aus zwei völlig verschiedenen Teilen des Landes kommen.«

»Du meinst, weil ich aus Pennsylvania komme und Brett aus dem Süden, könnten wir uns nicht vertragen?« Ruhig und bestimmt fügte er hinzu: »Beurteile uns nicht im Lichte dessen, was zwischen dir und George vorgefallen ist.«

Orry gelang es, die Fassung zu bewahren, und mit ruhiger Stimme zu fragen: »Brett hat dich also informiert?«

»Ja.«

»Nun, ich kann nicht behaupten, daß mein Entschluß gar nichts mit dem Streit zu tun hätte, aber nicht so, wie du dir das vorstellst. Dein Bruder und ich, wir haben uns nicht auf ewig verkracht. Er ist immer noch mein bester Freund. Das hoffe ich zumindest. Aber eins steht fest: Wir haben uns über Probleme gestritten, denen man heutzutage nicht mehr aus dem Weg gehen kann. Dieselben Probleme könnten dich und meine Schwester einer starken Belastung aussetzen. Nimm einmal an, daß dieses absurde Gerede von Sezession zu einer konkreten feindlichen Handlung führt. Was wären die Auswirkungen auf die Armee? Oder genauer, auf einen Offizier, der sich sowohl der Regierung als auch seiner Frau, die aus dem Süden stammt, verpflichtet hat?«