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»Ich auch«, entgegnete Brett. »Es hat Monate gedauert, bis sie seinen Befehl ausgearbeitet hatten.«

»Die Armee hat sich schon seit jeher wie eine Schnecke bewegt«, bemerkte Cooper. Er war in letzter Zeit mager geworden, und die Müdigkeit hatte tiefe Furchen unter seinen Augen gegraben. Der Bau der Star of Carolina lief schlecht, und Cooper fühlte sich natürlich in Anbetracht des Unglücks, das Bruneis Frachter Trincomalee im Vorjahr ereilt hatte, keineswegs ermutigt. Das Schiff hatte im September die Themsemündung gerade verlassen, als sein riesiger Frachtraum durch eine Explosion zerstört wurde. Das Schiff war zwar nicht gesunken, aber Brunei hatte das nie mehr erfahren: Der Bericht über die Katastrophe war das letzte, was er vernommen hatte, bevor er am fünfzehnten September 1859 gestorben war.

Ashton kümmerte sich natürlich überhaupt nicht um solche Dinge. Mit vorgeschobener Unterlippe ergriff sie Bretts Hand, tätschelte sie und sagte: »Es tut mir wirklich leid für dich. Weiß man denn schon etwas Genaues über Billys Ankunft?«

»Ja, Gott sei Dank«, warf Judith ein. »Vorgestern kam eine Nachricht.«

Ashtons Augen funkelten. »Ach, erzähle!«

Brett sagte: »Billy muß sich in der ersten Septemberwoche bei Hauptmann Foster melden. Foster ist Ingenieur und soeben in der Stadt eingetroffen. Er soll Fort Moultrie ausbessern.«

»Ach, das ist ja eine herrliche Nachricht. Es wird sehr angenehm sein, Billy hier in Charleston zu haben.«

Cooper wunderte sich über den eigenartigen Gesichtsausdruck seiner Schwester und über ihre merkwürdige Aussage. Weshalb sollte die Tatsache, daß Billy in Charleston sein würde, für irgend jemanden außer für Brett angenehm sein? Ashton mußte wohl Bretts Situation im Auge gehabt haben.

Und doch befremdete ihn das eigenartige Glimmen in Ashtons Augen. Er konnte sich nicht vorstellen, was es zu bedeuten hatte, aber schließlich verstand er Ashton noch weniger, als er Orry in letzter Zeit verstand.

Hoch oben auf der Galerie der überfüllten Institute Hall hörte Cooper sich Huntoons Rede an. Es war die letzte einer Serie von Ansprachen, in denen er die Wahl von Breckinridge zum Präsidenten befürwortet hatte. Im Grunde redete er eine halbe Stunde lang gegen Lincoln.

»Ein vulgärer Mann des Pöbels!« Huntoon schlug mit der Faust aufs Rednerpult. Das Publikum spendete donnernden Beifall. »Ein ungebildeter Raufbold, ein Bauerntölpel, der dazu angeheuert wurde, den Haß gegen den Süden zu schüren und für die Gleichheit der Nigger einzutreten!«

Gebrüll und »Nein! Nein!« aus allen Ecken der Halle. Cooper konnte und wollte es nicht mehr ertragen und stand auf; man warf ihm wütende Blicke zu, die er ignorierte. Als er die Halle verließ, erwähnte Huntoon erneut Lincolns Namen, was zu weiteren Buhrufen und Zischen Anlaß gab, bis jemand aus voller Kehle schrie: »Tötet den Affen!«

Tosender Beifall. Sie wollten den Kampf. Sie weigerten sich, Lincolns Worten Beachtung zu schenken, wonach er sich an das Programm seiner Partei halten und sich nicht in die Angelegenheiten jener Staaten, in denen Sklaverei bereits bestand, einmischen würde. Sie hörten nur ihre eigenen Stimmen, die von Verrat und der Notwendigkeit des Widerstands faselten. Cooper fühlte sich mutloser, als dies seit Jahren der Fall gewesen war.

Als Billy in Fort Moultrie ankam, erlebte er nicht nur einen Schock, sondern gleich mehrere.

Er hatte Charleston als eine ruhige und gastfreundliche Stadt in Erinnerung, als einen Ort, wo die Menschen ohne Hast und Aufregung lebten. Jetzt herrschten Mißtrauen und Gereiztheit. Die Leute redeten aufgeregt von Sezession und verfluchten Lincoln und Douglas. Billy erntete in seiner Uniform bloß unfreundliche Blicke.

Der zweite Schock kam, als ihm klarwurde, welcher Art die bevorstehenden Arbeiten am Fort auf der Sullivan-Insel sein würden. Die Sandhügel vor den Wällen mußten beseitigt werden, weil das Fort sonst zu leicht hätte gestürmt werden können. Im übrigen mußten die ungefähr fünfundfünfzig Kanonen des Forts neu plaziert werden, damit Castle Pinckney und Fort Sumter im Hafen besser geschützt waren. Kriegsvorbereitungen.

Jedermann, ob Zivilist oder Soldat, wußte, daß die Bundesgarnison einem organisierten militärischen Angriff wahrscheinlich nicht würde standhalten können. Die Sullivan-Insel war ein langer, sandiger Landstreifen am Meer. Rund um das Fort waren zahlreiche Sommerhäuser errichtet worden, und das Innere des Forts war von den Dächern jener Häuser aus leicht einzusehen.

Überdies war die Moultrie-Garnison nicht besonders stark: Sie umfaßte vierundsechzig Mann und elf Offiziere. Das Kommando führte Oberst John Gardner, ein schroffer Yankee aus Massachusetts, der keinerlei Hehl daraus machte, daß er die Südstaatler nicht mochte.

Der ältere Hauptmann, Abner Doubleday, war ein zäher und kompetenter Offizier, der im selben Sommer, als George nach West Point gekommen war, abgeschlossen hatte. Er war in Charleston besonders deswegen nicht beliebt, weil er offen zeigte, daß er gegen die Sklaverei war.

Vier Offiziere der Pioniertruppen waren in Fort Moultrie stationiert: Hauptmann John Foster sowie die Leutnants Meade, Snyder und Hazard.

Während der ersten Woche wurde Billy zweimal von Hauptmann Foster nach Charleston geschickt. Wiederum fiel ihm die unverhohlene Feindseligkeit auf, die man jedem Vertreter der Bundesregierung entgegenbrachte. Billy erzählte am Abend Hauptmann Doubleday bestürzt über seinen Empfang in der Stadt. Sie standen im Abendwind neben einer auf den Atlantik gerichteten Haubitze.

»Was haben Sie denn erwartet?« sagte Doubleday aufgebracht, nachdem er sich Billys Kommentar angehört hatte. »Die Leute in South Carolina bereiten sich auf den Krieg vor. Wenn Sie mir das nicht glauben wollen, so warten Sie bloß das Ergebnis der nächsten Wahlen ab.«

Er blickte sich verstohlen um. »Das ist ja auch der Grund dafür, weshalb wir jeden Tag mit diesem Ding hier feuern! Damit die Leute nicht denken, wir könnten uns nicht verteidigen – obwohl das natürlich in gewisser Hinsicht stimmt.«

An einem warmen Samstagabend Ende Oktober erhielt Billy von Hauptmann Foster die Erlaubnis, auswärts zu essen. Billy war dankbar für die Gelegenheit. Er hatte Brett bereits einige Male getroffen und war über den Streit mit ihrem Bruder auf dem laufenden. Doch jedesmal, wenn er auf das Thema der Heirat zu sprechen kam, redete sie sofort von etwas anderem. Hatte sie sich umstimmen lassen? Er mußte wissen, was los war. An jenem Samstag abend nahmen sie das Abendessen im eleganten Moultrie House ein. Das Hotel befand sich in Moultrieville, einem Dorf am Ende der Insel, ganz in der Nähe des Hafens. Nach dem Essen gingen die beiden Arm in Arm am Strand spazieren. Das Licht, das durch die tiefhängenden Wolken schien, verlieh dem Meer einen schneeweißen Schimmer. Zehn Pelikane flogen einer hinter dem andern dicht über die Wellen, die leise murmelnd am Strand verebbten.

»Brett, weshalb heiraten wir nicht?«

»Weil du so sehr damit beschäftigt bist, das Fort vom Sand zu befreien, und keine einzige freie Minute hast.«

»Sei bitte ernst! Du hast doch Orry gesagt, daß du auch ohne seine Einwilligung – «

»Nicht ganz. Ich habe ihm gesagt, daß ich sie nicht brauche, aber es wäre mir lieber, wenn er seinen Segen geben würde. An dem Abend, als ich Mont Royal verließ, war ich wütend auf Orry, und ich habe einiges gesagt, das ich jetzt bereue.«

Sie streichelte sanft den Ärmel seiner Uniform. »Natürlich liebe ich dich. Und ich werde dich heiraten, komme was wolle. Aber ich möchte meine Familie nicht vor den Kopf stoßen. Ich liebe sie genauso sehr wie du die deinige. Kannst du das verstehen?«

»Ja, natürlich. Aber wir haben nun schon so lange gewartet – «

Seine Stimme verlor sich. Er blickte über den Strand und sah Hauptmann Doubleday mit einer Frau auf dem Wall Spazierengehen. Sogar im Gespräch mit seiner Ehefrau machte der Hauptmann ein ernstes Gesicht.