Выбрать главу

»Ich möchte diese Chance nicht verpassen«, sagte Billy. »In Charleston herrscht eine gespannte Stimmung. Alles ist möglich.«

»Billy, das klingt, als ob du mir böse wärst.«

»Ich bin verärgert über die Verzögerung. Ich verstehe sehr wohl, daß du dich nicht mit deinem Bruder entzweien möchtest, aber wird er die Dinge jemals so sehen können wie wir? Vielleicht nicht.«

Sie antwortete nicht. Ein harter Zug zeichnete sich um seinen Mund ab.

»Ich liebe dich, Brett, aber ich kann nicht ewig warten.«

»Ich auch nicht, Liebster. Cooper hat versprochen, daß er nochmals mit Orry reden wird. Gib beiden doch noch ein bißchen Zeit.«

Er blickte auf das Meer hinaus. »Es scheint, als ob die Zeit immer knapper würde. Komm, laß uns zum Hotel zurückkehren und nachschauen, ob dein Fährmann sich unterdessen nicht hoffnungslos betrunken hat.«

Er klang so verärgert, daß Brett kein Wort mehr sagte, als sie in der hereinbrechenden Dunkelheit nach Moultrieville eilten.

Am Wahltag schickte Oberst Gardner Billy nach Charleston. Wegen der Stimmung, die in der Stadt herrschte, hatte der Oberst Humphreys, dem für das Bundesarsenal zuständigen Offizier, eine Botschaft zukommen lassen. Humphreys sollte sich bereithalten, am folgenden Tag eine größere Menge von Waffen und Munition auf ein Leichterschiff von Fort Moultrie zu verladen. Die in Charleston gelagerten Geschütze waren für den Pöbel zu leicht zugänglich.

Billy ruderte eigenhändig zur Battery hinüber, ein hartes und zeitaufwendiges Unterfangen. Gardner hatte ihm erlaubt, in der Tradd Street zu Abend zu essen, und Billy wollte nicht, daß ein Soldat vor dem Haus auf ihn warten mußte. Er bemerkte, wie Arbeiter auf der Battery einen Freiheitspfahl errichteten. Von vielen Häusern wehte die dunkelblaue Flagge mit dem Palmettobaum, dem Wahrzeichen des Staats. Nachdem Billy das Boot vertäut hatte, mußte er an einigen bei der Treppe herumlungernden Gestalten vorbeigehen. Einer der Burschen, ein stämmiger, kleiner Kerl mit einer schmierigen ledernen Augenklappe, schnippte mit dem Daumen in Richtung Boot.

»Was wollen Sie denn darin zum Fort transportieren, Sir?«

Billy erklomm gerade die oberste Stufe und legte die Hand auf sein Pistolenhalfter. »Mich selbst. Haben Sie etwas dagegen einzuwenden, Sir?«

»Laß ihn, Cam«, sagte ein anderer der Rowdies zu dem Burschen mit der Augenklappe. »Es dauert noch ein paar Stunden, bis Nigger Abe gewählt worden ist. Danach können wir uns, schätze ich, um diesen Fatzke kümmern.«

Billy hatte Herzklopfen und einen verkrampften Magen, als er auf die Kerle losmarschierte. Im letzten Augenblick traten sie jedoch zur Seite und ließen ihn durch. Er beschleunigte seine Schritte. Sein Griff nach der Pistole war nur Bluff gewesen. Er durfte die Waffe nicht einmal zur Selbstverteidigung benutzen, denn eine solche Reaktion könnte einem Angriff auf das Fort Vorschub leisten.

Er richtete dem nervösen Kommandanten des Arsenals die Botschaft von Oberst Gardner aus. »Ich werde alles bereithalten«, versprach Humphreys. »Aber ich mache jede Wette, daß wir die Waffen nicht weiter als bis zum Dock bringen werden. Die Hitzköpfe werden es uns nicht gestatten.«

Auf dem Weg zu Cooper ging Billy am Mills House vorbei. Er ging auf der gegenüberliegenden Straßenseite, hatte jedoch keine Mühe, Huntoon und Ashton zu erkennen, die gerade aus dem Hotel kamen. Huntoon grüßte, indem er leicht an den Hut tippte, aber Ashton nickte bloß abschätzig.

In der Tradd Street herrschte eine melancholische Stimmung. Cooper war noch nicht zu Hause. Judith versuchte die Gäste zu unterhalten, indem sie die Kinder um das Klavier scharte und zum Singen ermutigte, aber sie gaben bald auf; irgendwie fehlte es an Begeisterung. Schließlich traf Cooper ein und entschuldigte sich für sein Zuspätkommen. Er kam von der James-Insel, wo es Schwierigkeiten mit der Kiellegung der Star of Carolina gegeben hatte.

Judith hatte zum Abendessen ein vorzügliches Austerngericht zubereitet, aber Billy war nicht hungrig. Brett wirkte zerstreut, geistesabwesend. Das Tischgespräch erlahmte. Gerade als Judith Erdbeereis in silbernen Schalen auftrug, begannen die Glocken zu läuten.

Cooper runzelte die Stirn. »Sankt Michael. Wahrscheinlich sind die ersten Wahlergebnisse aus dem Norden eben telegrafisch durchgegeben worden.«

»Stimmt es, daß morgen ein offizieller Feiertag ist?« fragte Judith.

»Ja. Ich bin Bob Rhett auf dem Nachhauseweg begegnet. Er triumphierte. Er sagte, daß der heutige Tag den Beginn der Amerikanischen Revolution von 1860 markiere.« Cooper zog eine Grimasse.

Sie hörten Musik von draußen. »Ich würde gern sehen, was los ist«, sagte Billy. »Vielleicht ist das Armeeblau in ein oder zwei Wochen nicht mehr gefragt. Würdest du dich draußen nicht wohl fühlen, Brett?«

Sie nickte, und bald darauf schlenderte sie mit Billy durch die Meeting Street in Richtung Battery. Cooper und Judith waren zu Hause geblieben.

Es war noch recht früh am Abend, und doch war die Straße außerordentlich belebt; es herrschte eine laute, aber durchaus friedfertige Stimmung. Billy merkte, daß er mehrmals finstere Blicke einheimste – wahrscheinlich war die Uniform schuld daran. Brett hielt überrascht den Atem an.

»Sie spielen ja die ›Marseillaise‹!«

»Verrückt«, antwortete er bloß. Ein dumpfer Knall und ein greller Lichtstrahl – beides kam von der Battery her –, und Billy blieb jäh stehen. Kanonen?

Dann entspannte er sich wieder. Es war bloß ein Salutschuß gewesen, nichts Feindliches. Gott im Himmel, er war schon so nervös wie ein Frosch auf einem heißen Herd.

Als sie die Water Street hinuntergingen, fragte Brett: »Kennst du die Männer dort? Sie beobachten uns.«

»Nein«, entgegnete Billy, »ich glaube nicht. Moment mal! Einen davon erkenne ich; es ist einer der Raufbolde, denen ich heute nachmittag auf der Battery begegnet bin.«

Der Mann, der stämmige Kerl mit der Augenklappe, gab den andern ein Zeichen und rief Billy und Brett laut und vernehmlich zu: »He, wir wollen uns mit der jungen Dame unterhalten. Ich möchte gern wissen, weshalb sie mit einem dieser verdammten Yankees herumzieht.«

»Wir sollten ihr sagen, daß das unpatriotisch ist«, sagte ein andrer.

»Na, dann überzeug sie mal«, rief ein dritter und hob einen Stein auf.

Billy zählte insgesamt sieben Mann. Vier oder fünf hatten sich mit Steinen bewaffnet. »Stell dich hinter mich«, sagte er mit ruhiger Stimme zu Brett.

»Aber wir sind ja mitten in der Stadt – «

Die Raufbolde betraten den Gehsteig. Menschen strömten in Richtung Battery an Billy und Brett vorbei, ohne von ihnen Notiz zu nehmen. Der Mann mit der Augenklappe nahm seine schmutzige Kappe vom Kopf, straffte die Schultern und stellte sich in Positur.

»Entschuldigen Sie, Miss, aber die patriotischen Bürger von Charleston ersuchen Sie untertänigst, sich selbst nicht zu besudeln, indem Sie mit dem Abschaum des Forts verkehren.«

Wieder wurde ein Salutschuß abgegeben. Die Gebäude auf der Straße leuchteten kurz rot auf.

»Sie können zum Teufel gehen«, sagte Brett. »Ich verkehre, mit wem ich will.«

»Ah ja? Da bin ich aber nicht so sicher.«

Der Mann mit der Augenklappe kam näher heran. Billy zog seine Pistole. Auch diesmal war es reiner Bluff; es waren so viele Menschen um sie herum, daß er es nicht gewagt hätte zu schießen. Eine Frau hinter ihm erspähte die Pistole und stieß einen Schrei aus. Mehrere Fußgänger drängten sich auf die Straße, um etwaigen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen.

Der Rowdy täuschte einen Angriff auf Billys Pistole vor. Billy sprang zur Seite. Ein andrer Mann warf einen Stein. Er flog an Billy vorbei und traf Brett an der Schulter; sie stieß einen Schrei aus. Billy fluchte, sprang vor und riß dem Steinwerfer mit dem Pistolenknauf die Wange auf. Dieser heulte auf und fiel rückwärts zu Boden; er blutete.