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»Wir müssen uns unbedingt über die Hochzeit unterhalten«, sagte Ashton, als sie zur Tür eilte. »Es wird mir ein Vergnügen sein, dir bei den Vorbereitungen zu helfen. Aber wir müssen noch ein, zwei Tage warten, bis der Kongreß vorbei ist. Noch nie war Charleston so voller Leben – «

Und weg war sie. Von Haß und Eifersucht überwältigt, war sie mehr denn je davon überzeugt, daß sie um jeden Preis gegen ihre Schwester und Billy Hazard vorgehen mußte.

Schweigen herrschte in der Institute Hall, eine gespannte Atmosphäre. Die Zuschauer auf der Galerie lehnten sich vor, um jedes Wort vom Bericht des Ausschusses, der mit der Ausarbeitung der Sezessionserklärung beauftragt worden war, mitzubekommen.

Seit der Ankunft der Delegierten waren zwei Tage verstrichen. Anträge waren vorgelegt, abgeändert, angenommen worden. Sondergruppen von Beobachtern aus den Staaten Mississippi und Alabama waren mit großem Zeremoniell empfangen worden. Doch nun, am Nachmittag des zwanzigsten Dezember, kamen die Abgeordneten auf den Kern der heiklen Angelegenheit zu sprechen. Der Vorsitzende las den Entwurf vor.

Cooper saß in der ersten Reihe der Galerie, die Ellbogen auf die Rampe gestützt. Der Platz war eng. Seine Blicke wanderten über den Saal unter ihm, vom früheren Senator Gist zu Senator Chestnut zu Huntoon, der mit rotem Gesicht da saß und wie ein mörderischer Cherub lächelte.

Die Zuschauer auf der Galerie setzten sich zur Hälfte aus Frauen zusammen, von denen die meisten Sezessionshüte trugen. Zu seiner Rechten konnte Cooper in der Ferne Ashton entdecken, die den Verhandlungen mit feuchter Stirn und geöffneten Lippen folgte. Sie sah aus, als ob sie etwas weitaus Erregenderes erlebe als die Lesung der Proklamation. Cooper fand ihren Gesichtsausdruck nicht nur überraschend, sondern geschmacklos.

Er hörte dem Vorsitzenden zu, obwohl er am liebsten nichts gehört hätte. Sein Schädel brummte. Würde es morgen schon zwei verschiedene Postsysteme geben? Zwei Bankensysteme nächste Woche? Die Leute schienen sich überhaupt keine Gedanken zu machen. Als er einigen führenden Finanzleuten diese Fragen gestellt hatte, hatte er nur bestürzte Blicke geerntet, die rasch in Feindseligkeit umgeschlagen waren. Armer alter Main, sagten diese Blicke. Du bist und bleibst verrückt.

Traurig schweifte sein Blick wieder über den Saal. Die Männer, die sich für diese Sache eingesetzt hatten, waren fast ausnahmslos Berühmtheiten. Männer, die intelligent waren und etwas geleistet hatten. Er konnte ihre Wut, die sich seit einer Generation angestaut hatte, verstehen. Aber er würde niemals die Mittel verstehen, mit denen sie dieser Wut Luft zu machen suchten.

Der Vorsitzende fuhr mit der Lesung fort. Zwischendurch Applaus. Cooper erkannte unter den Zuschauern einen Beamten der Zollbehörde der Vereinigten Staaten sowie die Frau eines Pfarrers. Er hätte nicht sagen können, wer von den beiden am lautesten schrie. Cooper beugte sich über die Rampe und erntete verächtliche Blicke.

»– und daß die unter dem Namen Vereinigte Staaten von Amerika bestehende gegenwärtige Union mit South Carolina und andern Staaten hiermit aufgelöst ist.«

Es war wie ein Pandämonium. Die ganze Galerie stand wie auf Befehl auf. Cooper blieb sitzen. Der Zollbeamte packte ihn an der Schulter.

»Steh auf, verdammt noch mal!«

Cooper faßte das Handgelenk des Mannes und schob es ruhig beiseite. Der Mann fluchte. Cooper sah ihn einen Augenblick lang an und richtete seine Aufmerksamkeit dann wieder auf den Saal.

Dort unten klopfte man sich auf den Rücken, schüttelte einander die Hände und beglückwünschte sich gegenseitig mit viel Lärm. Er würde diese kollektive Verblendung niemals begreifen. Wie, um Himmels willen, wollten der Staat oder der Süden im Alleingang bestehen? Wie konnte es einen Kontinent, ein Volk und zwei Regierungen geben?

Nach einer längeren Würdigung der Arbeit des Vorsitzenden und des Ausschusses setzten sich die Delegierten und Zuschauer wieder. Die Sezessionserklärung wurde ohne weitere Debatte mit 169 Stimmen ohne Gegenstimme angenommen. Sie würde noch am selben Abend unterzeichnet und besiegelt werden.

Nach dieser Ankündigung brach erneut die Hölle in der Institute Hall los. Cooper seufzte, stand auf und kämpfte sich zum Ausgang. Es gab nur wenig verdrießliche Gesichter. Darunter J.L. Petigru, ein berühmter Rechtsanwalt und Vertreter der Whig-Partei in Charleston. Ihre Blicke trafen sich kurz, wie zwei Trauernde an einer Beerdigung.

Cooper marschierte aus der Halle; er hatte seine Wut beinahe nicht mehr unter Kontrolle.

Das Abendessen an der Tradd Street wurde in grimmiger Stimmung eingenommen. Orry war am Vormittag mit George aus Mont Royal gekommen, um der Debatte in der Institute Hall beizuwohnen. Aber sie waren nicht mehr hineingekommen. Orry schien fast ebenso niedergeschmettert über die Sezession wie Cooper. George verzichtete darauf, erneut zu betonen, daß die Bundesregierung ohne Nachsicht reagieren werde.

Brett deprimierten die möglichen Folgen, die die Verfügung für ihre Zukunft haben könnte. Fort Moultrie war in Alarmbereitschaft, falls die unvermeidbaren Kundgebungen in Gewalt ausarten sollten. Sie würde Billy heute Abend nicht treffen können, und es war noch ungewiß, wann sie sich wiedersehen würden.

Schon den ganzen Nachmittag hatte man auf den Straßen Geschrei und Musik gehört. Nach dem Abendessen steigerte sich der Lärm. In der ganzen Stadt wurden die Glocken geläutet. Die melancholische Stimmung im Haus war praktisch unerträglich. Cooper langte nach seinem Hut.

»Nun, meine Herren, sie haben es unterzeichnet. Ein historischer Augenblick – sollen wir rausgehen, und sehen wie Charleston seinen eigenen Untergang feiert?«

»Wir kommen mit«, sagte Judith und kam mit ihrem und mit Bretts Schal an. Die Frauen ließen sich auf keine weitere Diskussion ein.

Als die fünf Menschen das Haus verließen und Richtung Meeting Street gingen, gingen die Böllerschüsse los.

Der Volksauflauf anläßlich Lincolns Wahlsieg war offenbar nur eine Probe für die heutigen Festlichkeiten gewesen. In den Straßen wimmelte es von Menschen, und ein Vorwärtskommen war fast unmöglich. Knapp einen Meter von George und den Mains entfernt explodierte eine Serie von Schwärmern. Judith kreischte, preßte eine Hand auf die Brust und versuchte dann zu lächeln.

Sie gingen die eine Seite der Meeting Street hinauf und die andere wieder hinunter. In vielen Auslagen hatte man Lichter und Photos ausgestellt. Fässer mit brennendem Harz tauchten die Straßen in ein grelles, rotes Licht. Überall gingen Feuerwerkskörper los.

Auf der Battery wurden Böllerschüsse abgefeuert. Musikkapellen spielten. Die Menge drängte zurück, damit die Ashley-Garde vorbeidefilieren konnte.

Ein stämmiger Deutscher marschierte mit einem Plakat hinterdrein.

HURRA!

Die Union

ist

AUFGELÖST

»Wunderbar, ja?« schrie der Plakatträger und blies Cooper seine Schnapsfahne ins Gesicht. »Aber es hat viel zu lange gedauert. Viel zu lang!«

Cooper wurde kreideweiß, riß dem Mann das Plakat aus den Händen, zerfetzte die Pappe und zerbrach den hölzernen Träger. Judith war blaß.

Zuschauer bedachten Cooper mit Schimpfnamen und begannen ihn anzurempeln. Orry stellte sich neben seinen Bruder und schubste zurück. George ebenfalls.

»Ich bin ein Fremder in dieser Stadt, aber Ihr werdet Grund haben, Euch an mich zu erinnern, wenn Ihr nicht gleich weitermarschiert!«

Orry lachte. Für einen Augenblick war die Zeit verschwunden, und der junge Kadett Hazard aus West Point war plötzlich vor ihm gestanden. Die Leute und auch der Deutsche zogen schließlich weiter.

Es stank nach einem Gemisch aus Puder, Parfüm, Tabak und Schweiß. Der Himmel war blau und zitronengelb erleuchtet. Die Kanonenschüsse waren so laut, daß die Musik darin unterging und nur gelegentlich ein Trommeln oder einige heisere Hörner zu vernehmen waren.