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An jenem Abend verließ Orry ein Flußboot und betrat den Kai von Mont Royal. Zwanzig Minuten später gesellte er sich in der Bibliothek zu Charles.

»Wie stehen die Dinge in Charleston?« erkundigte sich der junge Mann und schenkte zwei Gläser Whiskey ein.

»Schlecht. Die Geschäfte gehen schlecht. Die Kaufleute fangen an, sich zu beklagen.«

»Ziehen die Menschen fort?«

»Im Gegenteil. So viele Touristen hat die Stadt schon lange nicht mehr gesehen. Aber sie geben nur das Nötigste aus. Dasselbe gilt für die Einwohner.«

»Nun, das überrascht mich nicht. Wer will schon Geld zum Fenster hinausschmeißen, wenn der Bürgerkrieg jede Minute ausbrechen und das Brot in zwei Wochen schon zwanzig Dollar kosten kann?«

Mit einem Lächeln, das eher einer Grimasse glich, sank Charles in seinen Sessel zurück und schwang ein Bein über die Lehne. Zwei Tage hatte er sich gefreut, wieder zu Hause zu sein, aber jetzt verebbte das Gefühl. Er hatte sich mit Orry eingehend über Elkanah Bent unterhalten, und obwohl Charles kaum etwas Neues erfahren hatte, deprimierte ihn die Tiefe von Bents Haß erneut. Es war nur zu hoffen, daß dieser Haß von selbst ausbrannte, falls es Krieg gab. Charles war ohnehin sicher, daß sich ihre Wege nie wieder kreuzen würden.

Doch nicht nur Bent war für sein Unbehagen verantwortlich. Er vermißte den Westen und fühlte sich zu seiner eigenen Überraschung in seinem Heimatstaat nicht mehr ganz zu Hause. Er wagte es nicht zuzugeben, daß es nur ein einziges Mittel gegen dieses Mißbehagen gab: Kämpfen.

»Die Nachrichten werden immer schlimmer«, bemerkte Orry, nachdem er einen Schluck aus seinem Glas genommen hatte. »Es gibt einige Reaktionen auf die neue Regierung. Davis hat bei der Regierungsbildung South Carolina offensichtlich vergessen.«

Charles verdaute die Mitteilung und wechselte dann das Thema: »Wie geht es denn in der Tradd Street?«

»Cooper tut den Umständen entsprechend sein Möglichstes: das Schiff kann er ja jetzt endgültig abschreiben, und ein Teil seiner Werftanlagen wird als Geschützstandort benützt.«

»Ich nehme an, er hatte die Wahl, ja zu sagen oder sich die Werft vom Pöbel niederbrennen zu lassen. Judith und Brett kümmern sich zwar um ihn, aber er ist ziemlich verzweifelt. Seine schlimmsten Ängste sind Wirklichkeit geworden.«

»Hast du Ashton getroffen?«

»Nein. Man sagte mir, daß James mit Gouverneur Pickens befreundet ist, und obwohl man in Montgomery South Carolina übergeht, soll er sich dort schwer um eine Stellung bemühen. Ah ja, noch etwas – aus verläßlicher Quelle weiß ich, daß all diese Kriegsvorbereitungen den Staat in den Bankrott geführt haben.«

»Und was ist mit diesem Darlehen von siebenhunderttausend Dollar, das sie vergeben möchten?«

»Niemand ist daran interessiert.«

»Na ja, vielleicht kehrt alles irgendwie wieder zur Normalität zurück? Vielleicht kann die Frage des Forts friedlich gelöst werden.«

»Präsident Davis hat gesagt, daß er das Fort entweder über den Weg von Verhandlungen oder mit Gewalt nehmen wird. In zwei Wochen wird Präsident Lincoln sein neues Amt antreten – vielleicht erfahren wir dann mehr.«

Die beiden früheren Soldaten starrten einander in der düsteren Bibliothek an; keiner zweifelte an den Absichten der führenden Politiker des Staats.

Etwa achtundvierzig Stunden später stand Huntoon an der Reling des Spähschiffs Nina. In der einen Hand hielt er einen Teller mit Hühnchensalat, in der andern ein Glas Tokaier.

Etwa dreißig Herren hatten sich an Bord begeben, um das Fort bei Sonnenuntergang zu inspizieren. Am Heck des Schiffes waren unter einem gestreiften Sonnensegel kalte Speisen aufgestellt worden, die von einem ausgesuchten Damenausschuß vorbereitet worden waren. Ashton war es gelungen, unter den Damen zu sein. Etwa ein halbes Dutzend Sklaven aus ebensovielen Häusern waren damit beauftragt worden, sich um das Essen zu kümmern.

Von Nordosten her wehte ein kräftiger Wind und versprach eine kühle Februarnacht. Während Huntoon hörbar kaute, wendete die Nina im Hauptkanal und steuerte auf die Stadt los.

»Wissen Sie, Gouverneur«, sagte Huntoon zu dem neben ihm stehenden Mann, »die Tatsache, daß es bis jetzt noch nicht zu einer entscheidenden Aktion gekommen ist, ist für viele Bürger höchst irritierend.«

»Ich kann nichts tun«, gab Pickens zurück. »Bald wird General Beauregard hier sein, und Präsident Davis hat mich in unmißverständlicher Weise wissen lassen, daß er während der Interimszeit der Verantwortliche ist und nicht ich.«

»Hmmm.« Huntoon nippte an seinem Wein. »Ich hatte geglaubt, daß der Palmettostaat abgefallen ist, um seine souveränen Rechte zu wahren. Haben wir diese Rechte nun bereits an eine neue Zentralregierung übergeben?«

Pickens blickte verstohlen über die Schulter, ob keine unerwünschten Zuhörer da seien. »Ich würde nicht so laut reden – oder nicht so kritisch. Zumindest nicht, wenn Sie immer noch auf einen Posten in Montgomery hoffen.«

»Ja, das tue ich immer noch. Es scheint mir, daß dort Männer mit Charakter und Mut vonnöten wären. Wir müssen die Dinge vorantreiben.«

»James, Sie sind zu voreilig«, wollte der Gouverneur fortfahren, aber der jüngere Mann unterbrach ihn unverzüglich.

»Unsinn, Sir. Wenn wir nicht handeln, dann werden uns die andern zuvorkommen. Gestern habe ich gehört, wie man ernsthaft von einer neuen Sezessionsbewegung sprach. Einige einflußreiche Pflanzer in diesem Staat wollen sich von der Regierung Davis distanzieren und Großbritannien darum ersuchen, aus South Carolina ein Protektorat zu machen.«

»Absurd!« rief Pickens, aber seine Stimme klang leicht nervös. Und mit gutem Grund. Vor kurzem hatte sein sezessionistischer Freund und Kollege, Bob Rhett, Gerüchte gehört, wonach Stephen Douglas sich immer noch um einen Wiedereingliederungsplan bemühe, um die Union zu retten. Der Gouverneur war nicht an wahnwitzigen Ideen einer britischen Kolonie interessiert, aber eine Versöhnung lockte ihn ebensowenig.

»Wir müssen noch eine Weile Zurückhaltung üben. Davis’ Unterhändler werden eine Schlappe in Washington einstecken müssen. Bis dann wird Beauregard seinen Posten bekleiden, und wir werden unsern Krieg haben.«

»Das hoffe ich sehr«, murmelte Huntoon.

Da bemerkte er plötzlich einen Offizier auf dem Wallgang von Fort Sumter. Es war Billy Hazard. Huntoon erhob sein Weinglas, um ihn zu grüßen.

Der Yankee nickte nachlässig. Huntoon war beleidigt. Wir werden unsern Krieg haben, und du wirst zu den ersten Opfern zählen, dachte er, als das Schiff auf die Landungsbrücke lostuckerte.

61

Die Hand, die auf Bretts Arm lag, tat weh. Die Stimme verriet den typischen Akzent des ländlichen South Carolina.

»Aber, aber, Verehrteste, alles was ich wissen wollte, war…«

»Fragen Sie jemand anderen.« Sie versuchte, sich zu befreien, und stieß ihm die Schuhspitze gegen das Schienbein.

Er fluchte und beschimpfte sie. Sein whiskeygeschwängerter Atem stieg ihr in die Nase, als sie sich endlich aus seinem Griff befreite und durch die Meeting Street flüchtete. Der Mann, ein stämmiger junger Kerl mit schmutzigen Kleidern und einem breitkrempigen Filzhut, latschte hinter ihr her.

Sie bekam es mit der Angst zu tun und rannte in die Februardämmerung hinein, bis sie schließlich die Tradd Street erreichte. Ihr Verfolger schrie irgend etwas über die Huren von Charleston, aber er kam nicht weiter als bis zur Ecke.

Jetzt erst wagte sie, sich umzublicken. Der Mann ging über die Meeting Street, ein Schatten unter anderen. Sie zitterte.

In Charleston wimmelte es von Besuchern, die aus allen Teilen des Südens kamen, um ihre Sensationslust zu befriedigen. Die meisten gaben wenig Geld aus, und viele gehörten zum Pöbel, wie der junge Mann, vor dem sie eben die Flucht ergriffen hatte. Er hatte sie angesprochen, als sie vom Markt kam, wo sie dem Einkäufer von Fort Sumter etwas Käse, Brot, Kerzen und Streichhölzer gebracht hatte.