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»Brett, du bist nicht für diesen mickrigen Yankee-Soldaten bestimmt. Du brauchst einen Mann, der in jeder Hinsicht groß genug ist, um dir das zu geben, was eine Frau – «

Mit einem Schrei zuckte er zurück. Sie hatte ihm das Gesicht zerkratzt und drei blutige Fingernagelspuren hinterlassen.

Einige Augenblicke verharrte er reglos. Dann berührte er sein Gesicht, zog die Hand wieder zurück und sah die scharlachroten Flecken auf der gekräuselten Hemdmanschette. Der Anblick versetzte ihn in Raserei. Fluchend hob er die Fäuste. Sie hatte inzwischen die Tür aufgestoßen, doch bevor sie hinausspringen konnte, packte er sie am rechten Arm. Sie stieß einen Schrei aus und befürchtete, daß er sie verletzen würde. Sie bückte sich, griff nach ihrem Schirm, der auf dem Boden lag, und schlug auf seinen Kopf ein. Einmal, zweimal, dreimal…

»Mist’ Forbes, was ist los?«

Der alte Kutscher lenkte das Fahrzeug näher an den Gehsteig heran und brachte die Pferde zum Stehen. Auf der andern Seite der Meeting Street blieben einige Fußgänger gaffend stehen – der Anblick einer elegant gekleideten weißen Frau, die mit einem Gentleman in der Kutsche kämpfte, war zu ungewöhnlich. Brett hatte keine Zeit, sich über Konventionen Sorgen zu machen. Sie schlug nochmals zu, riß sich dann von ihm los und stürzte sich aus der Kutsche. Sie verfehlte den Tritt und landete bäuchlings im Straßenschlamm.

»He, aufgepaßt!« rief ein Bierfuhrmann und lenkte sein Fuhrwerk in letzter Sekunde an ihr vorbei. Die schweren Räder bespritzten sie über und über mit Schlamm.

Sie rappelte sich auf; ihr Hut flog davon, und der Regen prasselte wieder auf sie nieder. Forbes hing in der Kutschentür, sein Gesicht zur Fratze verzerrt:

»Du gottverdammte Hure – «

Mehr hörte sie nicht; sie drehte sich um und rannte los. Am ganzen Leibe zitternd bemerkte Forbes, wie Männer und Frauen auf dem Gehweg ihn anstarrten. Jemand erwähnte seinen Namen. Er schleuderte die Kutschentür zu und warf sich in die Kissen.

Er lehnte zurück und betupfte seine Wange mit dem Taschentuch. Der Anblick des Bluts trieb ihn erneut in einen Wutanfall. Beinahe hätte er mit der Faust ein Loch in das Kutschendach geschlagen.

»Weiterfahren!«

Aber die Flucht vor der Stätte seiner Erniedrigung half nicht. Er zog seine Flasche aus der Tasche, erinnerte sich, daß sie leer war, und schmiß sie zum Fenster hinaus. Mehr denn je haßte er Brett. Er würde sie am liebsten erdrosseln, dann nach Sumter hinausrudern und jenen Hurensohn von einem Yankee, der ihr den Kopf verdreht hatte, erschießen.

Das gleichmäßige Prasseln des Regens und das regelmäßige Schwanken der Kutsche vermochten ihn langsam etwas zu beruhigen. Er dachte an Ashton und klammerte sich wie ein Ertrinkender an ihren Namen und ihre Gestalt.

Ashton stand auf seiner Seite. Ashton würde ihm helfen, sich zu rächen.

An demselben Abend begaben sich, Hunderte von Meilen von Charleston entfernt, Stanley Hazard und Simon Cameron zu einem Empfang für den neuen Präsidenten.

Drei von Mr. Pinkerton organisierte Privatdetektive standen vor dem Empfangszimmer von Willard’s Wache. Drinnen unterhielten sich die Gäste und die Kabinettsmitglieder gedämpft. Lincoln war vor wenigen Minuten aus seiner Suite gekommen. Stanley hatte sich mit ihm unterhalten. Er war nicht beeindruckt.

Er ließ Lincoln einen weiteren Witz erzählen und machte sich auf die Suche nach seinem Meister. Cameron war gerade mit Chase, dem steifen, affektierten Finanzminister, in ein ernstes Gespräch vertieft. Von allen Kabinettsmitgliedern sprach sich Chase am offensten und konsequentesten für die Notwendigkeit der Sklavenbefreiung aus. Stanley fand seinen Idealismus beleidigend.

Schließlich konnte Cameron sich von seinem Gesprächspartner losreißen und gesellte sich zu Stanley an die Sektbar. Der Boss sah mächtig und bedeutend aus. Zu Recht, dachte Stanley. Wie geplant, war es Cameron gelungen, genügend Stimmen für sich zusammenzubringen, um in der neuen Regierung den Posten des Kriegsministers übernehmen zu können.

Cameron nippte an seinem Sekt und klopfte dann auf seine volle Manteltasche. »Ein Freund hat mir eine Zusammenfassung der Antrittsrede übermittelt.«

»Welches sind die wichtigsten Punkte?«

»Ungefähr das, was in Anbetracht seiner früheren Reden zu erwarten war.« Cameron redete mit leiser Stimme; seine Sperberaugen blickten aufmerksam umher, um sicherzugehen, daß auch niemand zuhöre. »Er weigert sich, in der Frage der Auflösung der Union nachzugeben. Er sagt, es sei verfassungswidrig und letzten Endes unmöglich. Er wird weiterhin an Fort Sumter festhalten, doch falls es zum Krieg kommen sollte, muß er von der Konföderation ausgelöst werden. Insgesamt gesehen«, wieder wanderte sein Blick aufmerksam umher, »eine gewöhnliche Rede von einem gewöhnlichen, um nicht zu sagen unfähigen, Mann.« Die letzten Worte murmelte Cameron bloß und beugte sich tief über sein Sektglas.

Unfähig war wohl nicht der treffende Ausdruck, dachte Stanley. Morgen schon würde General Scott Soldaten vor den Häusern und auf den Dächern in der Pennsylvania Avenue postieren, um einem möglichen Aufstand zuvorzukommen. Ein beschämender Anfang für eine Regierung, die nicht sonderlich kompetent zu werden versprach. Natürlich mit einigen Ausnahmen.

Cameron hielt sein leeres Glas hin. Als man ihm nochmals eingeschenkt hatte, entfernte er sich von der Bar und fuhr fort: »Aber was halten Sie vom neuen Präsidenten?«

Stanley blickte über die Menge hinweg das häßliche, eckige Profil an. »Ein Possenreißer aus der Prärie. Ein Mann, der sich so jovial gibt und solch grobe Witze reißt, kann nicht viel taugen.«

»Genau. Meiner Meinung nach handelt es sich um den schwächsten Mann, der jemals ins Weiße Haus geschickt wurde. Aber das wird uns zum Vorteil gereichen. Wir werden um so mehr Macht übernehmen können.« Er wirkte plötzlich sehr belebt und gab Zeichen mit dem Glas. »Seward, alter Freund! Sie wollte ich gerade sprechen.«

Der Boß rauschte davon. Es dauerte nicht lange, bis er mit dem neuen Außenminister Arm in Arm herumparadierte. Sie unterhielten sich flüsternd. Stanley genehmigte sich noch mehr Sekt und sonnte sich im Schatten des Rampenlichts. Er war glücklich, hier zu sein, überglücklich.

Er würde in Camerons Ministerium einen Posten bekommen. Isabel wäre hell entzückt von Washington. Stanley seinerseits dachte mit Hochgenuß an seine zukünftige Macht und an all die Möglichkeiten, die sich ihm bieten würden, um seinen Reichtum zu mehren. Leute, die an den Hebeln der Macht saßen, schlugen immer Kapital aus ihrer Position, wie sein Boß sagte. Stanley hoffte im geheimen, daß die Rebellen nicht lockerlassen und in Charleston den Krieg auslösen würden. Denn damit würden die Chancen, zu Reichtum zu kommen, wesentlich besser werden.

62

Die Feldmütze unter dem Arm ging Billy am folgenden Nachmittag vor dem Büro von Major Anderson auf und ab. Er mußte warten, bis der Kommandant einen Brief fertig geschrieben hatte, in welchem er sich für eine Beschädigung von Baumwollballen bei Fort Moultrie durch eine Schießübung entschuldigte. Da sowohl die Sumter- als auch die Charleston-Artillerieeinheiten häufig Übungen durchführten, waren solche Unglücksfälle an der Tagesordnung. Ereignete sich ein solches Mißgeschick, so ließen die Schuldigen der gegnerischen Partei sofort ein Erklärungsschreiben zukommen. Die meisten Schreiben waren außerordentlich formell abgefaßt, aber da es sehr wohl möglich war, daß ein Krieg aus Versehen ausgelöst werden könnte, fand Billy ein Zuviel an Entschuldigungen besser als das Gegenteil.

Hart, Andersons Offizier vom Dienst, tauchte mit dem fertigen Brief auf. »Er möchte Sie jetzt sehen, Sir«, sagte der Offizier, als er durch den düsteren Gang davoneilte.

Billy betrat das Büro des Kommandanten, ein dunkler, von einem Kerzenstumpf erleuchteter, kleiner Backsteinraum. Anderson beantwortete das steife Salutieren des jungen Offiziers mit einer langsamen, müden Bewegung. Dann deutete er auf einen Stuhl. »Setzen Sie sich, Leutnant. In den nächsten Tagen werden Sie kaum zur Ruhe kommen.«