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Die Stimmen wurden lauter. Billy verzog sich schnell auf die Mitte der Sitzbank, dort, wo es in der Kutsche am dunkelsten war. Schräg durch das rechte Fenster konnte er einen Blick auf das Zollager, das ehemalige Bundeseigentum, werfen.

Die Kutsche schwankte leicht und hielt dann an. »Ihren Namen! Und was haben Sie vor?«

»Ich heiße Main; ich bin ein Bürger von Charleston und ich bin in eigener Sache unterwegs. Bitte lassen Sie mein Pferd los und treten Sie zur Seite. Danke.«

»Scheint in Ordnung zu sein, Sam«, sagte ein anderer Mann. Der erste Sprecher murmelte irgend etwas vor sich hin. Billy hörte Schritte.

Judith packte ihn am Arm. »Leg dich hin! Sie werden reinschauen.«

Während sie noch flüsterte, knallte Cooper die Peitsche, aber die Kutsche rührte sich nicht vom Fleck. »Lassen Sie das Pferd los!« forderte Cooper. Ein grobes Gesicht tauchte im selben Augenblick vor dem rechten Fenster auf. Der Mann sprang auf das Trittbrett. Das Innere der Kutsche wurde von den Laternen des Zollgebäudes beleuchtet. Der Mann hielt sich am Fensterrahmen fest und äugte in die Kutsche.

»Hier ist ein Soldat!«

Ein lauter Aufschrei erfolgte. »Ist es Doubleday?« Weitere Gestalten drängten sich zum Fenster. Billy zog den Revolver.

Gleichzeitig befahl jemand Cooper, vom Bock herunterzusteigen. Als Antwort war der Schlag einer Peitsche auf einem menschlichen Körper zu vernehmen. Ein Schrei. Cooper brüllte wie ein Fuhrmann und gab dem Pferd die Zügel.

Die Kutsche rollte los. Unterdessen war es dem Mann auf dem Trittbrett gelungen, die Tür zu öffnen, und er versuchte jetzt, sich um die Türe herum in das Kutscheninnere vorzuarbeiten. Mit der rechten Hand klammerte er sich immer noch an den Fensterrahmen. Billy gab der Tür mit dem linken Stiefel einen Stoß. Sie flog auf, und der Mann fiel vom Trittbrett herunter.

Erhobene Fäuste und haßerfüllte Blicke schienen an der Kutsche vorbeizufliegen. Cooper raste in die Dunkelheit hinter dem Zollgebäude und bog in einem höllischen Tempo nach rechts ab. Billy mühte sich ab, um die Kutschentür wieder zu schließen, und wäre beinahe kopfüber aus der Kutsche geflogen.

Schließlich lehnte er sich wieder zurück, den Revolver aufs Knie gelegt, keuchte und rang nach Luft.

»Du hast sehr schnell reagiert«, sagte Judith voller Hochachtung.

»Mußte ich. Ich will ja schließlich nicht meine eigene Hochzeit verpassen.«

Doch sein Lächeln war gekünstelt. Sein Herz hämmerte wie verrückt, und es dauerte eine geraume Weile, bis er die blutrünstigen Gesichter aus seinen Gedanken verbannen konnte. Er erkannte erneut, wie tief und schwer die Spaltung des Landes war.

Doch als er Brett wiedersah, verflogen alle düsteren und grimmigen Gedanken. Cooper hatte behutsam die Wohnzimmertür hinter sich geschlossen, und die beiden jungen Leute waren nun allein und küßten und umarmten sich während fünf Minuten.

Er hatte beinahe vergessen, wie herrlich ihr Haar duftete, wie süß ihre Küsse waren und wie straff ihre Brüste, die sie fest an seinen Körper preßte, sich anfühlten. Schließlich sanken die beiden lachend, nach Luft schnappend und händehaltend auf das Sofa.

»Ich wünschte, wir könnten heute abend heiraten«, sagte sie. »Ich weiß, daß ich vor lauter Freude auf morgen die ganze Nacht kein Auge zudrücken werde.«

Zögernd sagte er: »Ich werde nicht nach Charleston zurückkehren. Bist du sicher, daß du mit mir in den Norden gehen willst?«

Zum erstenmal wurde sie sich der Tragweite seiner Frage bewußt. Unsicherheit stieg in ihr auf und Angst. Es würde nicht leicht sein, weit weg von der Familie mitten unter lauter Yankees zu leben.

Aber sie liebte ihn. Und alles andere war nebensächlich.

»Mit dir würde ich überall hingehen«, flüsterte sie ihm sanft ins Ohr. »Überallhin.«

An jenem Abend begab sich Cooper kurz nach zehn zum Haus in der East Battery. Nur mit allergrößter Anstrengung vermochte Ashton, während sie ihn anhörte, ihre Fassung zu bewahren. Als Cooper wieder gegangen war, eilte sie ins Studierzimmer, um Huntoon die Neuigkeit zu eröffnen.

Er schmiß die Akte, in der er eben gelesen hatte, auf den Schreibtisch und sagte: »Ich habe wirklich keine Lust, zur Hochzeit eines verdammten Yankees zu gehen.«

»James! Sie ist meine Schwester. Wir gehen.«

Bevor er etwas hätte entgegnen können, war sie bereits aus dem Zimmer gerauscht. Sie blieb kurz in der Halle stehen, preßte die Handflächen aufs Gesicht und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Morgen um diese Zeit würden Billy und ihre Schwester – sofern niemand eingriff – für immer weg sein. Sie hatte nur diese einzige Chance. Aber sie brauchte auch nur eine.

Ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, als sie weiterging. Sie schrieb eine Mitteilung an Forbes und forderte ihn auf, am frühen Morgen flußaufwärts zu reiten. Er könne einen Helfer mitnehmen, aber es müsse jemand sein, dem man vertrauen könne. Er solle in Resolute das Weitere abwarten.

Sie schloß eilig, versiegelte dann den Brief, stellte einen Passierschein aus und rannte in die Küche.

»Rex, bring dies Mr. Forbes LaMotte. Versuch ihn bei Gibbes zu erreichen. Falls er nicht dort sein sollte, dann geh in die Bar vom Mills Hotel. Der Wirt weiß meistens, wo sich Mr. LaMotte gerade aufhält. Gib nicht auf und komm nicht zurück, bis du ihm diese Botschaft selber überreicht hast!«

Rex, der durch das Auspeitschen eingeschüchtert worden war, nickte immerfort, bis Ashton mit ihren Instruktionen zu Ende war. Doch als der Junge die Treppe hinunter zur Hintertür ging, glimmte dumpfe Wut in seinen Augen. Und der Wunsch nach Rache.

Am späten Vormittag traf Cooper mit seiner vollbesetzten Kutsche in Mont Royal ein. Die Märzsonne warf ihre milden Strahlen auf die Erde, und der wolkenlose Himmel zeigte sich in jenem weichen, reinen Blau, das es Bretts Meinung nach nur in South Carolina gab. Würde sie es jemals wiedersehen?

Sobald die Kutsche angehalten hatte, kletterten die Kinder heraus. Vetter Charles wühlte liebevoll in Judahs Haar herum, legte dann seinen Arm um die Taille von Marie-Louise, hob sie hoch und wirbelte sie durch die Luft. Sie hielt sich an seinem Hals fest und jauchzte vor Freude.

Brett stieg aus, dann Judith, gefolgt von Billy, der sich in seinem feinen schwarzen Anzug nicht besonders wohl zu fühlen schien. Er schwitzte. Cooper hatte noch um Mitternacht einen Schneider aufgetrieben. Billy war höchst überrascht, Charles in voller Uniform mit glänzenden Knöpfen und Säbel vorzufinden.

Die Freunde umarmten einander. »Weshalb um Himmels willen hast du dich so herausgeputzt?« wollte Billy wissen.

Charles grinste. »Ganz zu deiner Ehre, Billy. Wenn schon ein Offizier einen andern bittet, sein Trauzeuge zu sein, dann, so dachte ich mir, sollte der Trauzeuge auch eine würdige Erscheinung bieten. Na, die Wahrheit ist, daß ich meine Uniform vermisse. Und auch die Armee.«

Orry trat aus dem Haus; seine düstere Erscheinung wurde noch durch den langen dunklen Mantel, den er trug, gesteigert. Er teilte der lärmenden Gruppe mit, daß seine Ehrwürden, Pater Saxton, um halb eins kommen werde. »Ich habe ihm absichtlich gesagt, daß er früher kommen soll. Er trinkt nämlich sehr gern, und ich kann mir vorstellen, daß er sich gern ein Gläschen genehmigen möchte, damit er die ganze Zeremonie durchsteht.«

Alle lachten. Cooper zerrte einen kleinen Lederkoffer herunter, in den Billy seinen Revolver, seine Uniform und die lederne Meldetasche eingepackt hatte. Cooper stellte den Koffer krachend neben Brett auf den Boden und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Brett fragte Orry: »Wie geht es Mutter?«

»Immer noch gleich. Ich habe ihr dreimal erklärt, daß du heiraten wirst. Sie hat zwar jedesmal behauptet, daß sie verstanden hat, aber ich weiß, daß es nicht stimmt.«

Judah sprang wild auf und ab und rief: »Es kommt jemand!«