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Eine Kutsche rollte in einer Staubwolke durch die Allee. »Das ist Ashton«, sagte Brett ohne große Begeisterung, wie Billy feststellte.

Rasselnd und klirrend kam die Kutsche hinter derjenigen von Cooper zum Stehen. Homer saß auf dem Bock und betrachtete die weißen Menschen gleichgültig; Rex sprang hinunter, um Ashton und ihrem Ehemann die Tür zu öffnen.

Huntoon gratulierte dem Brautpaar mit völligem Desinteresse. Ashton rannte erst auf Brett, dann auf Billy los, umarmte sie und lächelte ihnen überschwenglich zu.

»Oh, ich freue mich ja so sehr für dich und für Brett! Ich darf das ganz offen sagen, weil ich ja selbst verheiratet bin.«

Ihre Augen blitzten wie Diamanten. Billy war nicht klar, was wirklich in ihr vorging, aber da er sich an die vergangenen Vertraulichkeiten erinnerte, errötete er, als sie ihre Wange an die seinige drückte. Sie spitzte die Lippen und gab ihm einen lauten, schmatzenden Kuß. Cooper fiel auf, daß Homer seine Herrin verdrießlich betrachtete, und er fragte sich warum.

Charles zündete an einer der weißen Säulen ein Streichholz an – sehr zu Orrys Mißfallen. Billy zeigte mit dem Finger auf die lange Zigarre, die Charles sich zwischen die Zähne geklemmt hatte, und fragte:

»Seit wann hast du denn die Gewohnheit meines Bruders übernommen?«

»Seitdem ich wieder zu Hause bin. Irgendwie muß ich mir ja die Zeit vertreiben. Ich würde natürlich viel lieber kämpfen, aber man kann ja nicht alles haben.«

Es war ein etwas tapsiger Versuch, humorvoll zu sein, aber in Anbetracht der ernsten Angelegenheit und der tragischen Ereignisse in Charleston wohl etwas fehl am Platz. Die Bemerkung wurde mit allseitigem Schweigen quittiert. Charles errötete und beschäftigte sich intensiv mit seiner fünfundzwanzig Zentimeter langen Havanna.

»Na, ihr beiden«, zwitscherte Ashton und hakte sich rechts bei Billy und links bei Brett unter. »Seid ihr nicht völlig ausgehungert? Also was mich betrifft, ich hab’ einen Bärenhunger und ich bin sicher, daß es im Haus etwas zu essen – « Orry nickte. »Ach, ist das nicht ein aufregender Tag? Ihr werdet beide Unvergeßliches erleben!«

Und mit diesen Worten zog sie die beiden mit sich ins Haus.

Charles blieb noch ein Weilchen draußen, nachdem alle gegangen waren. Er schämte sich über seinen Ausrutscher und wunderte sich über Ashtons aufgeregten Gesichtsausdruck. Sie schien sich echt über die Heirat ihrer Schwester zu freuen. Weshalb hatte er denn ein so ungutes Gefühl?

Das Gefühl, daß sie ein Theater vorspielte.

63

Das warme Wetter erfüllte Madeline mit schläfriger Schwere. Sie war eben aus der Küche gekommen, wo sie die Vorbereitungen für das Abendessen – gekochter Schinken – überwacht hatte. Die Küchenmädchen meinten, das Wetter sei angenehm und eher kühl. Wenn das wirklich zutraf, warum verschmachtete sie dann beinahe vor Hitze?

Justin tadelte sie dafür, daß sie sich immer wieder über Schweißausbrüche beklagte. In letzter Zeit litt sie darunter wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Sie fragte sich, ob vielleicht eine körperliche Veränderung der Grund dafür sein könnte, aber sie war zu träge und schläfrig, um eingehend über diese Frage nachzudenken.

Als sie ziellos auf der Veranda des Erdgeschosses herumwanderte, versuchte sie sich zu erinnern, wo sich ihr Gatte aufhielt. Ach ja! Er war mit seiner alten Flinte aufs offene Feld gegangen, um Schießübungen zu machen. Justin nahm seinen Dienst bei der Ashley-Garde sehr ernst. Hämisch frohlockend prophezeite er, daß es nur noch Wochen dauern könne, bis die Übungen durch Taten ersetzt würden.

»Wie spät ist es?«

»Fast eins. Sie sollte etwa in einer Stunde eine weitere Mitteilung abschicken.«

Madeline blieb einen knappen Meter neben einem der offenen Fenster des Studierzimmers stehen, um zuzuhören. Sie brauchte mehrere Sekunden, um herauszufinden, wer soeben gesprochen hatte: Justins Neffe Forbes und sein unsympathischer, spindeldürrer Freund Preston Smith. Die beiden waren im Lauf des Vormittags unerwarteterweise zu Pferd eingetroffen. Forbes hatte keinerlei Erklärung dafür abgegeben, weshalb er nicht zur Plantage seines Vaters geritten war, die sich ungefähr fünfzehn Kilometer weiter flußaufwärts befand. Madeline wurde jedoch nur noch ganz selten über irgend etwas informiert. Man behandelte sie als Objekt, als Gegenstand. Meistens war sie ohnehin zu entkräftet und zu gleichgültig, um sich deswegen Sorgen zu machen.

Doch die merkwürdig eindringlichen Stimmen schienen irgendwie ihren Zustand geistigen Stumpfseins, in den sie in letzter Zeit offenbar unablässig hineinglitt, zu durchbrechen. Forbes hatte das Wort sie gebraucht. Wieso sollte ihm eine Frau eine Mitteilung nach Resolute schicken? Um vielleicht ein Treffen zu vereinbaren?

Doch sie verwarf diese Möglichkeit sofort wieder, als sie ihn fragen hörte: »Sind die Pistolen bereit?«

»Ja!«

»Hast du das Pulverfläschchen gefüllt?«

»Ja, hab’ ich gemacht. Wir müssen höllisch vorsichtig mit dem Pulver sein. Es darf nicht zuviel davon in eine Pistole geraten!«

»Da hast du recht, verdammt noch mal.«

Die beiden jungen Männer lachten; es klang freudlos, beinahe brutal. Angst stieg in Madeline auf; ihr Puls schlug wie rasend.

Sie kniff mehrmals die Augen zusammen. Sie mußte dem Gehörten ihre Aufmerksamkeit schenken. Ihre volle Aufmerksamkeit. Sie verlagerte das Gewicht auf den linken Fuß. Die Planken unter ihr knackten.

»Forbes, ich hab’ was gehört.«

»Wo?«

»Ich weiß nicht, vielleicht war’s draußen.«

»Ich hab’ nichts gehört.«

»Du hast nicht aufgepaßt.«

»Geh doch nachschauen, wenn du Angst hast«, sagte Forbes spöttisch.

Madeline preßte benommen die feuchten Handflächen gegen die weiße Wand. Das durch die Moosgirlanden fallende Sonnenlicht zeichnete ein Schattenspiel auf ihr blasses, apathisches Gesicht.

»Ach lassen wir’s«, murmelte Preston verlegen. »Wahrscheinlich war es bloß ein Nigger.«

Madeline wurde beinahe ohnmächtig vor Erleichterung. Sie löste sich aus dem Schatten der Wand, hob die Röcke so leise wie möglich hoch und eilte ans Ende der Veranda – weg von den offenen Fenstern. Die verschwörerischen Stimmen, das Gespräch über Mitteilungen und geladene Pistolen hatten sie aus ihrer Lethargie gerissen. Sie mußte unbedingt wachsam bleiben, um mehr zu erfahren, aber das war nicht einfach. Die matte Gleichgültigkeit wollte sie von neuem überfallen.

Als sie durch einen Nebeneingang ins Haus schlüpfte, versuchte sie dagegen anzukämpfen. Sie durfte nicht aufgeben. Irgend etwas war in Resolute im Gange. Etwas Eigenartiges und – dem Tonfall des Gesprächs nach – auch etwas Schreckliches.

Charles überreichte Billy einen Umschlag.

»Fahrkarten zur – nach Washington. Ich hätte beinahe Hauptstadt gesagt. Aber es ist ja nur noch eure Hauptstadt. Alte Gewohnheiten lassen sich nicht so leicht abschütteln.«

Billy steckte den Umschlag ein. Charles streckte ihm noch eine kleine Samtschachtel hin. »Das brauchst du auch noch.«

Billy ergriff die Schachtel und errötete. »Guter Gott, die Ringe! Ich hab’ völlig vergessen, daran zu denken.«

»Orry hat vermutet, daß es in der ganzen Aufregung untergehen könnte.« Charles traf Vorbereitungen, sich eine seiner Mammutzigarren anzuzünden. »Ich wollte, ich hätte ein paar übrig für George. Aber ich weiß nicht, ob er Manns genug ist, um sie zu rauchen!«

Billy lachte. Orry öffnete die Tür zur Bibliothek und steckte den Kopf herein. »Wenn Bräutigam und Trauzeuge soweit sind, sollten wir anfangen. Der Pfarrer hat schon drei Gläser Sherry getrunken. Noch eins, und er wird nicht mehr in der Lage sein, die Bibel zu lesen.«

»Oh, du siehst entzückend aus.« Ashton klatschte begeistert in die Hände.

Brett stand nervös vor einem Spiegel. Sie zupfte am Puffärmel ihres neuen dunkelorangenen Seidenkleides. »Ich bin so glücklich, daß ich Trauzeugin sein kann«, fuhr Ashton fort. »Ich bin so dankbar, daß du mich gefragt hast.«