»Merkwürdig, das ist Preston Smith. Was um Himmels willen tun die beiden auf dieser gottverlassenen Straße?«
Billy hegte den Verdacht, daß sie nicht bloß einen Ausflug machten. Sicher waren sie auch nicht auf dem Weg zu Bekannten, denn die Kutsche war schon seit mehreren Meilen an keiner Siedlung mehr vorbeigefahren. Zu jeder Seite der Kutsche erschien ein Reiter.
»Homer, halt an!« rief Forbes. Er hatte ein breites Lächeln auf dem Gesicht, aber Billy kam es unecht vor. Forbes fuchtelte befehlshaberisch herum. »Anhalten hab’ ich gesagt!«
Verwirrt zog der Kutscher die Zügel und trat mit dem Fuß auf die Bremse. Die Kutsche schlingerte hin und her; Staubwolken stiegen hoch. Herunterhängende Äste streiften das Gepäck auf dem Verdeck der Kutsche. An dieser Stelle verengte sich die Straße zu zwei schmalen, parallelen, durch hohes Gras voneinander getrennten Furchen.
Preston Smith hustete und steckte dann das Taschentuch ein, das er vor Nase und Mund gehalten hatte. Forbes ritt hinten um die Kutsche herum auf Billys Seite. Brett lehnte sich über Billys Schulter.
»Ich hätte nicht erwartet, dich hier draußen zu sehen, Forbes.«
Forbes’ Haar war staubbedeckt und einige Töne heller als gewöhnlich. Er schien entspannt und gut aufgelegt. Aber Billy war argwöhnisch, denn er bemerkte einen eigenartigen Glanz in Forbes’ Augen. Billy dachte an seinen Dienstrevolver. Er befand sich in der Kiste auf dem Verdeck. Verdammt noch mal.
»Ich wollte euch gratulieren«, antwortete Forbes. »Du kennst meinen Freund Preston Smith, nicht wahr?«
Brett nickte und sagte: »Ja, wir haben uns schon gesehen.«
»Sir«, fuhr Forbes fort, »ich konnte Braut und Bräutigam nicht abreisen lassen, ohne ihnen zu gratulieren.« Sein Gesicht leuchtete auf. »Aber Sie werden mir sicher verzeihen, wenn ich nicht sage, daß der beste Mann gewonnen hat.«
Unter dem Fenster, unsichtbar für Forbes, ergriff Brett Billys Knie und drückte es. Billys Herz raste. Er sprach den Gedanken aus, der beiden durch den Kopf ging.
»LaMotte, woher wissen Sie, daß wir geheiratet haben?«
Smith beruhigte sein bockendes Pferd. »Oh, wir haben es irgendwo gehört. Ich glaube nicht, daß ich schon die Ehre hatte, Sie kennenzulernen, Sir. Sie sind Leutnant Hazard, nicht wahr?«
Sein Tonfall machte deutlich, daß es alles andere als eine Ehre war, Billy zu treffen. Billy starrte ihn unentwegt an. »Das stimmt.«
»Preston Smith. Ihr Diener.«
Smith lächelte verächtlich. Billy hatte plötzlich das Gefühl, daß die Begegnung kein Zufall war. Waren sie in eine Falle geraten?
Homer räusperte sich. »Wir sollten weiterfahren, Leutnant, sonst verpassen wir den Zug.«
Forbes schaute den Schwarzen an. »Ihr fahrt zum kleinen Bahnhof im Wald, nicht wahr?«
Homer starrte geradeaus. »Ja, Sir, und ich finde, daß wir nun wirklich Dampf dahinter setzen sollten.«
»Nigger, du gehst nirgends hin, bis ich es dir erlaube.«
Wütend sagte Billy: »Fahr weiter, Homer.« Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte er, wie sich Smith nach hinten lehnte, die Hand in die Satteltasche streckte und flink und beinahe mühelos eine riesige Duellierpistole mit bronzener Ziselierung und einem Feuersteinschloß herauszog. Lächelnd richtete er die Pistole auf Homer.
»Wenn du die Zügel berührst, wird die Straße voll von Niggerblut sein.«
»Wir wollen nicht streitsüchtig sein«, sagte Forbes mit noch breiterem Grinsen als zuvor. »Aber wir sind ein gutes Stück geritten, um Ihnen unsere Aufwartung zu machen, und das wollen wir auch tun. Und jetzt, Mr. Yankee-Soldat, steigen Sie aus und trennen Sie sich vom Rock Ihrer Frau, damit ich Ihnen geziemend gratulieren kann.«
Brett drückte Billys Knie stärker. »Billy, tu das nicht.«
Aber Billy schäumte vor Wut. Er stieß ihre Hand weg, riß die Türe auf und stieg aus.
Forbes seufzte. »Nein, Sir, ich kann wirklich nicht sagen, daß der beste Mann gewonnen hat. Obwohl es den Anschein erweckt, als wären Sie für eine Weile obenauf – wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Billy errötete. Smith lachte wiehernd. Ein großer schneeweißer Reiher segelte über die Baumkronen. Billy machte einen Schritt auf Forbes’ Pferd zu.
»Passen Sie auf, was Sie in Anwesenheit meiner Frau sagen.«
Forbes und sein Freund warfen sich kurze, zufriedene Blicke zu. »Nun, Mr. Hazard, das klingt ja fast wie eine Drohung. Und eine Drohung betrachte ich als persönliche Beleidigung. Oder habe ich Sie vielleicht falsch verstanden?«
»Komm, Billy!« rief Brett. »Vergeude deine Zeit nicht mit diesen gemeinen Idioten.«
Forbes wandte sich ihr lächelnd zu. »Weißt du, Liebling, ich muß zugeben, daß ich dich immer noch liebe – obwohl dich deine spitze Zunge manchmal in eine giftspeiende Nutte verwandelt. Ich mache jede Wette, daß du auch herumhurst.«
»LaMotte, du Hurensohn, komm von diesem Pferd runter!«
Forbes lachte und schüttelte den Kopf, während er das Pferd außer Billys Reichweite lenkte. Dann glitt er vom Pferd, glättete sich mit den Handflächen das Haar und stolzierte herbei.
»Ich bin sicher, daß ich diese Bemerkung nicht falsch verstanden habe, Sir. Sie haben mich beleidigt.«
Mit ernstem Nicken sagte Smith: »Das hat er tatsächlich.«
Forbes starrte auf Billy herunter, der beinahe einen Kopf kleiner war. »Ich fordere Satisfaktion, Sir.«
Homer schaute fassungslos zu, wie Brett aus der Kutsche schoß. »Laß dich nicht mit ihm ein, Billy! Merkst du denn nicht, daß er hierhergekommen ist, um dich zu provozieren? Ich weiß zwar nicht, wie er herausgefunden hat, daß wir fortgehen, aber laß dich nicht in dieses Spiel hineinziehen!«
Billy war auf der Hut, fixierte seinen Gegner und schüttelte den Kopf. »Halt dich da raus, Brett. LaMotte – «
»Ich sagte«, unterbrach ihn Forbes, »daß ich Satisfaktion fordere.« Plötzlich riß er den Arm hoch und schlug Billy links und rechts ins Gesicht. Der mit der offenen Handfläche ausgeführte Schlag knallte wie ein Peitschenhieb. »Und zwar hier und jetzt«, fuhr er fort und setzte wieder sein charmantes Lächeln auf.
»Du gemeiner Hund!« explodierte Brett. »Ich wußte, daß du eifersüchtig bist, aber ich habe nicht gewußt, daß es dich in den Wahnsinn getrieben hat. Wie lange hast du auf diesen Augenblick gewartet?«
»Schon lange – das will ich nicht leugnen. Es ist für mich jedoch die angemessenste und ehrenvollste Art, meine Differenzen mit Mr. Hazard zu bereinigen. Preston hat eine zweite Pistole in der Satteltasche. Er wird als mein Sekundant agieren. Was den Ihrigen betrifft«, er wandte seinen Blick der Kutsche zu, »so nehme ich an, daß du dieses Amt übernehmen wirst, Homer. Meiner Meinung nach macht es sich recht gut, daß der Sekundant eines Yankees ein Nigger ist.«
Bretts Stimme war heiser vor Angst. »Billy, du darfst das nicht tun!«
»Sei bitte still«, unterbrach er sie. Er legte ihr den Arm um die Schultern und führte sie hinter die Kutsche. Dann beugte er sich zu ihr nieder und flüsterte: »Ich muß mich ihm stellen. Ist dir denn nicht klar, daß er uns abgefangen hat, um mich zu töten? Wenn wir zu flüchten versuchen, findet er irgendeinen Vorwand, um mich auf der Stelle zu erschießen. Und so – «
Er schluckte leer. Schweiß rann ihm übers Gesicht. Ein Tropfen fiel von seinem Kinn, und sein Rockaufschlag verfärbte sich wie von einem Blutflecken.
»So hab’ ich wenigstens noch eine Chance.«
Sie schüttelte den Kopf; erst sanft, dann immer heftiger. Tränen schossen ihr in die Augen. Billy drückte ihren Arm und ging dann wieder auf die andere Seite der Kutsche. Sie hörte ihn sagen:
»In Ordnung, LaMotte. Gehen wir zu diesem Feld dort drüben beim Sumpf.«
»Ihr Diener, Sir«, antwortete Forbes und verneigte sich.
Billy zog Mantel, Krawatte und Wams aus. Er schmiß alles über die stachligen Blätter einer Yukkapflanze, die neben den verwelkten Wedeln einer wilden Palme wuchs. Homer näherte sich, aber Billy winkte ab.