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Auf der Veranda vor der Küche neigte sich Charles über Rex, die eine Hand dicht neben dem Ohr des Jungen gegen eine graue Wand aus Zypressenholz gepreßt. Er hatte den Burschen gefunden, als dieser eben an einem Stück gepökeltem Schweinefleisch herumkaute, und bevor er fortkriechen konnte, hatte Charles ihn mit einer Drohgebärde festgenagelt.

»Rex, ich dulde keine Lügen! Hast du verstanden?«

Verzweifelte schwarze Augen blickten auf den hinter Charles liegenden Rasen. Der Junge wußte, daß er in der Falle saß. Mit leiser Stimme antwortete er: »Ja, Sir.«

»Du bist den ganzen Weg nach Resolute und zurück gerannt, nicht wahr?«

Rex biß sich auf die Unterlippe. Charles’ Miene verfinsterte sich, und er beugte sich noch mehr vor.

»Rex – «

Rex antwortete mit schwacher Stimme: »Ja.«

»Mit wem hast du dort gesprochen?«

Erneutes Zögern. »Mist’ LaMotte.«

»Justin LaMotte?«

Rex kratzte sich den Kopf. »Mist’ Forbes. Man hat mir gesagt…«

Er hielt inne. Charles stachelte Rex an:

»Wer hat es dir gesagt? Ich will, daß du den Namen der Person sagst, die dich nach Resolute geschickt hat.« Er wußte natürlich, wer es gewesen war; nachdem er die erste Überraschung und den Ekel überwunden hatte, war das Komplott nur zu durchsichtig und glaubwürdig geworden. Er zog die Hand von der Wand zurück und berührte sanft den Arm von Rex.

»Ich verspreche dir, daß dir nichts passieren wird, wenn du mir den Namen sagst.«

Der Junge kämpfte mit sich, prüfte Charles Gesichtsausdruck und entschloß sich schließlich zu einer Antwort. Ein sonderbares Lächeln umspielte plötzlich seine Mundwinkel. Charles verlor langsam die Geduld.

»Verdammt noch mal, Bursche, wir haben keine Zeit für solche Sachen. Sag endlich – «

»Rex? Hier steckst du; ich hab’ dich überall gesucht!«

Charles stand auf, drehte sich um und sah, wie Ashton auf sie zugerannt kam.

Völlig atemlos trat sie auf die Küchenveranda. »Komm mit, du Bengel. Ich brauche dich, und zwar sofort.«

»Zuerst muß er mir eine Antwort geben«, sagte Charles.

»Aber Charles«, sie setzte einen niedlichen Schmollmund auf, doch er hatte das Gefühl, daß Angst dahinter steckte, »ich muß mich für die Heimreise bereit machen.«

»Du kannst nicht fortgehen, bis Homer mit der Kutsche zurückkommt.« Voller Ironie fügte er hinzu: »Und wenn wir Madelines Bericht Glauben schenken können, wird das noch eine geraume Weile dauern.«

»Madeline LaMotte? Willst du damit sagen, daß sie hier ist?«

»Du hast uns ja beobachtet, als ich sie über die Veranda geleitete. Ich hab’ dich gesehen, als du dich hinter dem Vorhang verstecken wolltest.«

Ashton wurde puterrot und stotterte – eine Reaktion, die man von ihr nicht gewohnt war. Charles benützte die Gelegenheit und wandte sich wieder dem Jungen zu.

»Ich warte auf deine Antwort, Rex. Wer hat dich mit der Nachricht, daß Billy und seine Frau verreist sind, nach Resolute geschickt?«

Ashton merkte, daß die Falle am Zuschnappen war. Es war sinnlos, sich noch weiter zu verstellen, aber sie hatte einen starken Selbsterhaltungstrieb. Sie drängte an Vetter Charles vorbei und erhob drohend die geballte Faust. »Falls du weißt, was gut für dich ist, Rex, dann hältst du den Mund – oh!«

Rex sah die Faust dicht vor seiner Nase zittern. Charles hatte den Schlag abgefangen, indem er Ashton am Handgelenk packte. Der Junge machte große Augen; Ashton wurde übel. Sie wußte, woran er dachte: an die Peitschenhiebe.

»Sie hat mich geschickt.«

Der Tonfall des Jungen war beleidigend und beißend. Charles seufzte und ließ Ashton los. Sie rieb sich das Handgelenk.

»Wovon redet er eigentlich? Ich habe nicht die leiseste – «

»Sei still«, unterbrach sie Charles. »Madeline hat Orry und mir alles erzählt, was sie in Resolute gehört hat. Es hat keinen Sinn mehr, wenn du noch weiter lügst oder diesen Jungen bedrohst.« Er packte Rex an der Schulter. »Es ist besser, wenn du dich aus dem Staub machst.«

Rex rannte davon.

Charles betrachtete die Veränderung, die sich auf Ashtons Gesicht vollzog. Sie wurde aschfahl, und ihr aufgesetztes, unehrliches Lächeln verschwand. Er traute seinen Augen kaum. Mit zorniger, aber leiser Stimme sagte er:

»Mein Gott – es ist also wahr. Du willst, daß dein Schwager verletzt oder getötet wird.«

Ihr Schweigen und ihr trotziger Blick bestätigten dies. Er verlor keine Zeit mit Beschuldigungen, sondern packte seinen Säbel und raste wie ein Verrückter zum Stall.

Ashton ging ihm einen Schritt nach und schrie der verschwindenden Gestalt hinterher: »Das nützt nichts mehr. Es ist schon zu spät. Zu spät.«

»Eins«, rief Smith mit lauter Stimme. Den Blick geradeaus gerichtet, die Pistole in der Hand, begannen die Duellanten in entgegengesetzte Richtungen zu gehen.

»Zwei.«

Der Wind spielte mit den Grashalmen und kräuselte das glitzernde Wasser im Sumpf. Schweiß rann über Billys Nacken und durchnäßte den Kragen seines feinen Hochzeitshemds.

Billy versuchte, sich zu konzentrieren, und starrte auf den tiefhängenden Ast einer Eiche, unmittelbar vor ihm. Er fühlte die Duellierpistole in seiner Hand und rief sich in Erinnerung, wie er sie hochhalten und abdrücken mußte.

»Drei.«

Brett hielt die Hände so stark zusammengeballt, daß ihre Unterarme schmerzten. Sie stand bei der Kutsche und fragte sich, wie es zu diesem schrecklichen Erlebnis hatte kommen können. Wer hatte Forbes von ihren Reiseplänen erzählt? Es konnte kein Zufall sein, daß er genau auf dieser Straße geritten war.

»Vier.«

Homer stand etwa zwei Meter rechts von Brett. Als die zwei Duellanten voneinander weggingen, sah er, wie sich der junge LaMotte und sein Sekundant verschwörerisch anblickten. Homer hatte einen grauen, faustgroßen Stein vom Boden aufgelesen und ließ ihn nervös und gedankenverloren von einer Hand in die andere gleiten. Etwas schien wirklich faul bei diesem Unterfangen.

»Fünf.«

Preston Smith stand bei seinem und Forbes’ Pferd zu Bretts Linken. Er wollte nahe bei seiner Satteltasche sein – für den Fall, daß irgend etwas schiefginge. Er blickte zu seinem rechten Stiefel hinunter und war wieder beruhigt, als er die Tasche sah, die auf der Außenseite des Stiefelschafts aufgenäht worden war. Dann wanderte sein Blick über Brett zu Homer, der schwitzend mit einem Stein jonglierte. Sie hatten von einem verängstigten Nigger nichts zu befürchten. Ein Gefühl von Genugtuung durchflutete ihn; es war so stark, daß er beinahe vergessen hätte weiterzuzählen.

»Sechs.«

Billy konnte nicht mehr klar sehen. Panik stieg hoch, es wurde ihm übel, und er hatte einen trockenen Mund. Die Gedanken jagten sich mit rasender Geschwindigkeit:

Wieso sollst du sie anschauen?

Du wirst sie wiedersehen.

Aber vielleicht doch nicht.

Wie haben sie uns gefunden?

Ein Geräusch drang in sein Bewußtsein – ein sanftes, regelmäßiges Klopfen. Er hatte nicht gewußt, daß sein Herzschlag so tönte.

»Sieben.«

Homer verstand nun den verschlagenen Blick, den sich die beiden Freunde zugeworfen hatten. Seine Nase hatte ihn also nicht getäuscht. Die zwei hatten die Ermordung des jungen Hazard geplant. Er wußte zwar nicht wie und weshalb, aber er war vollkommen sicher, daß es so war. Als er daran dachte, was bald geschehen würde, wurde ihm ganz elend, und er mußte sich, den Stein umklammernd, an das Vorderrad der Kutsche lehnen.

»Acht.«

Auch Brett legte das klopfende Geräusch für einen Augenblick falsch aus. Doch dann wurde ihr klar, daß ein Pferd auf der Straße aus der Richtung von Mont Royal herbeigaloppierte. Ein Schrei tönte durch das Geklapper der Hufe.