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Am liebsten hätte er sich jetzt sinnlos betrinken wollen. Aber erst mußte er noch etwas auf dem Feld und dann in Mont Royal erledigen.

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I know moon-rise

I know star-rise

Lay this body down

Durch die geöffneten Fenster konnte man in der dunklen Bibliothek den Text der alten Gullah-Hymne gut verstehen. Die Sklaven sangen für Homer, den Charles in der Kutsche zurückgebracht hatte. Forbes hatte er den Kormoranen überlassen. Mitgefühl hatte schließlich seine Grenzen.

»So ungefähr ist das ganze über die Bühne gegangen, stelle ich mir vor«, sagte Charles. »Sie wollten Billy umbringen.«

Er steckte die Zigarre wieder zwischen die Zähne und streckte seine langen Beine vor dem Stuhl aus. Orry lehnte lässig an der Wand; sein Schatten fiel auf die alte Uniform. »Wenn du noch das, was Madeline uns erzählt hat, zu deinem Bericht hinzunimmst, ist die Geschichte klar. Gott im Himmel, Charles, ich hatte keine Ahnung, daß sie ihn so sehr haßten.«

»Brett sagte fast dasselbe vor ihrer Abreise. Ich nehme an, daß ein gutes Stück Eifersucht mit im Spiel gewesen ist. Wie geht es Madeline?«

»Ich hab’ vor einer Stunde mit ihr geredet. Ich nehme an, daß sie wieder schläft.«

»Wahrscheinlich sucht LaMotte sie jetzt.«

Orry nickte. »Darum muß ich mich heute abend auch noch kümmern, aber eins nach dem andern.« Er klang sehr entschlossen. »Hast du Ashton schon gesehen, seit du wieder zurück bist?«

»Ja, gerade als ich ankam. Sie wollte sich um Homer kümmern, aber ich hab’ nein gesagt, und dann ist sie verschwunden.«

Orry schlenderte in die von Kerzen beleuchtete Vorhalle. Cuffey, der auf einem Stuhl gedöst hatte, sprang eilfertig auf. »Such Mrs. Huntoon und ihren Mann«, sagte Orry. »Sag ihnen, ich erwarte sie in der Bibliothek. Und zwar sofort.«

Cuffey hastete davon. Charles wandte sich um, so daß er seinen Vetter sehen konnte. Im Kerzenschimmer bemerkte er Orrys starren Gesichtsausdruck.

»Hilf mir bitte, einige Kerzen anzuzünden, Charles. Ich möchte ihre erbärmlichen Gesichter sehen, wenn ich mit ihnen rede.«

Ashton war ziemlich aufgeregt, als sie das Zimmer betrat. Ihre Wangen glühten. Sie ging sofort zum Angriff über. »Ich hasse es, wie ein Sklave herumkommandiert zu werden. Wenn du glaubst, daß ich auf Anschuldigungen von Niggern und Unruhestiftern«, hier lachte Charles, »eingehe, so irrst du dich gewaltig.«

Orrys Feindseligkeit kam in seiner eiskalten, aber ruhigen Stimme zum Ausdruck. »Niemand möchte dich anklagen. Das ist gar nicht nötig. Die Tatsachen sprechen für sich selbst.«

Huntoon, der sich bis jetzt im Schatten seiner Frau gehalten hatte, stellte sich nun links neben sie. Die Kerzenflammen spiegelten sich in seinen Brillengläsern. »Aber meine – «

»Spare dir deine Rhetorik für Montgomery«, unterbrach ihn Orry. »Ich habe ein paar Dinge zu sagen, und ich möchte das so rasch wie nur möglich tun. Als erstes über deinen Sklaven Homer: Hat er – hatte er eine Familie?«

Ashton antwortete: »James hat Homer von einem Herrn aus Savannah mitgebracht. Ich glaube, er hatte dort Frau und Kinder.«

»Von denen ihr ihn, ohne Euch auch nur einen Gedanken zu machen, getrennt habt. Allmächtiger, kein Wunder hassen uns die Yankees.«

Erneut attackierte sie mit einer Mischung aus Drohung und Arroganz. »Orry, was ist denn mit dir los? Ich weigere mich, so von dir behandelt zu werden.«

Huntoon schien nicht weniger beleidigt als seine Frau. »Sie spricht für uns beide. Wir gehen.«

Orry nickte. »In der Tat.«

»Wir werden Homers Leiche mit nach Charleston nehmen.«

»Nein. Sie bleibt hier bei unsern Leuten. Ich werde versuchen, seine Familie ausfindig zu machen.«

Huntoon nahm die Brille ab und trat mit geschwellter Brust vor seine Frau hin. »Ich bestehe darauf, daß wir sie mitnehmen. Der Nigger mag zwar tot sein, aber er gehört immer noch mir.«

Orry blickte ihn ungerührt an. »Er bleibt hier. Ihr seid nicht würdig, ihn zu berühren.«

Huntoon neigte den Kopf und stürzte sich auf seinen Schwager. Er versuchte Orrys Unterkiefer mit der rechten Faust zu treffen. Orry trat zurück und schlug Huntoons Unterarm beiseite, als ob er ein Insekt verscheuchen würde.

Huntoon stolperte, schnaufte und kippte zur Seite; er landete auf beiden Händen und auf einem Knie. Die Brille, die er immer noch in der Hand hielt, klirrte auf dem Fußboden. Als Huntoon wieder aufstand, fielen Glasstücke zu Boden. Er war leichenblaß.

Orry ignorierte ihn und wandte sich Ashton zu. »Heute hast du dich selbst von dieser Familie abgeschnitten. Von Brett, Charles – von uns allen. Wenn du und James die Plantage einmal verlassen habt, so laßt euch nie mehr hier blicken.«

»Den Wunsch erfüll’ ich dir gern!« schrie sie.

Huntoon erhob Protest. »Ashton, er hat kein Recht – «

»Halt den Mund und komm!« Sie gab ihm einen Stoß und rauschte zur Tür, wobei sie sich heftig Mühe gab, die Fassung nicht zu verlieren. Bei der Tür blickte sie zurück. Orry erkannte seine Schwester beinahe nicht mehr, so entstellend und tief war ihr der Haß ins Gesicht geschrieben.

»Vergiß eins nicht«, flüsterte sie. »James wird demnächst eine wichtige Stelle bei der neuen Regierung bekommen. Und die Regierung wird Leute, die unloyale Äußerungen machen, scharf im Auge behalten. Die Regierung wird die Verräter bestrafen.«

Sie stolzierte in die Vorhalle hinaus. Huntoon folgte ihr wie ein treues Hündchen. Ein letztes Stückchen Glas fiel von seiner kaputten Brille klirrend zu Boden.

»Mein Gott«, sagte Orry traurig und angewidert. »Ich weiß nicht, was mit ihr los ist.«

Charles zündete sich auf seiner Schuhsohle ein Streichholz an und hielt es an seine Zigarre. »Ich schon. Das gleiche, was mit vielen Menschen los ist, denen ich seit meiner Rückkehr begegnet bin. Sobald sie Macht riechen, fliegt der letzte Rest ihres gesunden Menschenverstands zum Fenster hinaus.«

Kopfschüttelnd setzte sich Orry an seinen Schreibtisch und entnahm einer Schublade einen Briefbogen. »Würdest du bitte Cuffey sagen, daß er hereinkommen soll? Ich sollte eine Mitteilung nach Resolute schicken.«

»Einverstanden. Ich möchte gern einige unsrer Leute als Wachen postieren. Wenn Francis LaMotte erfährt, was Billy mit seinem Sohn angestellt hat, könnte es sein, daß wir Besuch bekommen. Hast du etwas dagegen, wenn einige der Nigger für ein paar Tage mit Musketen herumlaufen?«

»Nein.«

»Dann werde ich mich darum kümmern.« Eine Rauchfahne wehte hinter ihm her, als er den Raum verließ.

Orry starrte das leere Papier an. Noch vor einem Jahr wäre es undenkbar für ihn gewesen, daß es zwischen ihm und seiner Schwester zu einem endgültigen Bruch kommen könnte. Was sich eben ereignet hatte, war nur ein weiterer Beweis dafür, wie weit die Familie bereits auf der dunklen Straße der Zwietracht gereist war.

Ehrlicherweise mußte er vor sich selbst zugeben, daß er Ashton nie besonders gemocht hatte. Es wurde ihm ebenfalls klar, daß sie eine gewisse skrupellose Härte besaß, wie sie eigentlich eher ein Mann hatte, und er würde ihre Drohungen deshalb nicht auf die leichte Schulter nehmen. Er mochte nicht einmal darüber nachdenken, welch abwegige Pläne sie und ihr Mann in Montgomery aushecken würden.

Es dauerte nicht lange, bis sein Gedankengang Wut in ihm wachrief, Wut auf die Huntoons, die LaMottes und all die Hitzköpfe, die den Süden in Unruhen und in eine Krise gestürzt hatten. Etwas von der Wut floß in schnellen Federzügen auf das Papier.

In fünf Minuten war er fertig. Er schickte Cuffey mit dem Brief, einem Esel und einem Passierschein los. Der Sklave machte sich in dem leichten Nieselregen, der eben eingesetzt hatte, auf den Weg. Orry sah ihm nach, bis das Licht, das Cuffey trug, in der feuchten Dunkelheit verschwand, und kehrte wieder ins Haus zurück.