Ich sah, daß Leopold scharf antworten wollte, aber dann beherrschte er sich. »Okay, tun Sie das. Wenn wir auf eine offenstehende Plutoniumader stoßen, gebe ich Ihnen durch Funk Bescheid.«
»Großartig«, sagte Mattern. »Vielen Dank für Ihre Bereitwilligkeit. Lassen Sie es mich auch wissen, falls Sie auf eine Kupferader stoßen.«Er lachte. »Eine Plutoniumader! Sie scheinen es ernst gemeint zu haben.«
Wir hatten eine Skizze des Geländes angefertigt und teilten uns in drei Gruppen. Leopold fuhr allein nach Westen, dem ausgetrockneten Flußbett entgegen, das wir aus der Luft gesehen hatten. Ich nehme an, daß er sich mit den Gesteinsformationen beschäftigen wollte.
Marshall und Webster fuhren nach Südosten, dem Hügelland entgegen, unter dem eine große Stadt begraben zu liegen schien. Gerhardt und ich besetzten den dritten Raupenschlepper und wandten uns nach Norden, wo wir die Überreste einer andern Stadt zu finden hofften. Es war ein trüber, windiger Tag; die endlose Sandwüste, die diese Welt bedeckte, wellte sich in Dünen vor uns, und der Wind warf uns die scharfen Sandkörner gegen die Plastikkuppeln.
Während des ersten Teils der Fahrt schwiegen wir beide, dann sagte Gerhardt: »Ich hoffe, das Schiff ist noch da, wenn wir zurückkommen.«
Ohne den Lenkhebel loszulassen, wandte ich mich nach ihm um. Gerhardt war mir immer ein Rätsel gewesen, ein kleiner, hagerer Mann mit dunklem Haar, das ihm ständig in die zu dicht beieinanderstehenden Augen fiel. Er kam von der Universität Kansas und hatte sich, wie aus seinen Zeugnissen hervorging, als Wissenschaftler bewährt.
Ich sagte: »Was zum Teufel meinen Sie?«
»Ich traue Mattern nicht. Er haßt uns.«
»Unsinn. Mattern ist kein Bösewicht — nur ein Mann, der seine Arbeit hinter sich bringen will, um bald wieder nach Hause zurückzukehren.«
»Er wird ohne uns abfliegen. Darum hat er uns hinausgeschickt und seine Leute zurückgehalten. Er läßt uns im Stich, passen Sie auf.«
»Reden Sie kein verrücktes Zeug. Mattern wird nichts dergleichen tun.«
»Er betrachtet uns als einen Klotz am Bein«, beharrte Gerhardt. »Einfacher kann er uns nicht loswerden.«
Der Raupenschlepper nahm einen kleinen Hügel in der Wüste. Ich hätte sogar den Schrei eines Geiers begrüßt, aber das letzte Leben hatte diesen Planeten vor Ewigkeiten verlassen.
»Ich gebe zu, daß Mattern über unsere Teilnahme nicht gerade entzückt sein mag, aber glauben Sie, daß er drei wertvolle Raupenschlepper aufgeben würde?«
Gegen dieses Argument konnte Gerhardt nichts einwenden. Gezwungen stimmt er mir bei. Mattern würde nie einen Teil der Ausrüstung freiwillig aufgeben, mochte er die fünf Archäologen auch für überflüssig halten.
Wieder fielen wir in Schweigen. Bis jetzt hatten wir zwanzig Meilen durch öde Landschaft zurückgelegt. Ich überlegte, ob es nicht klüger gewesen wäre, im Schiff zu bleiben. Von dort konnten wir wenigstens die Formationen der versunkenen Städte erkennen.
Zehn Meilen weiter kamen wir zu der Stadt, die unser Ziel war. Sie schien aus einer einzigen Reihe von Gebäuden bestanden zu haben, die sich unendlich weit, vielleicht sechs- oder siebenhundert Meilen, erstreckte. Wenn uns Zeit blieb, konnten wir die Ausmaße aus der Luft feststellen.
Von der Stadt war natürlich nicht mehr viel zu sehen. Der Sand hatte alles bedeckt, aber wir erkannten hier und dort die Grundrisse von Gebäuden. Wir stiegen aus und nahmen die Elektroschaufel mit.
Eine Stunde später schwitzten wir unter den dünnen Schutzanzügen. Es war uns gelungen, einige tausend Kubikmeter Erde zu bewegen. Ein tiefes Loch klaffte im Boden, aber die Arbeit hatte uns nichts eingebracht. Wir hatten weder einen Schädel, noch einen Zahn ans Licht befördert. Kein Löffel, kein Messer, keine Kinderklappern.
Die Grundmauern einiger Gebäude hatten die Jahrtausende überstanden, aber von ihrer Zivilisation war nichts geblieben. Ich mußte widerstrebend zugeben, daß Mattern recht gehabt hatte. Dieser Planet hatte sich für uns ebenso unwichtig wie für sie erwiesen. Verwitterte Grundmauern erzählten uns nur, was wir schon wußten — daß hier eine Zivilisation existiert hatte. Ein mit Phantasie begabter Paläontologe kann aus einem Schenkelknochen einen Dinosaurier wiedererstehen lassen. Ließ sich aber aus verwittertem Gemäuer auf die Kulturstufe, auf Gesetze, Technik und Philosophie schließen?
Sehr unwahrscheinlich.
Wir fuhren weiter und begannen nach einer halben Meile erneut zu graben. Aber auch hier hatte die Zeit ihr Werk verrichtet. Mit etwas Glück fanden wir Grundmauern, alles andere war vergangen.
Spät am Nachmittag beschlossen wir, zum Schiff zurückzukehren. Wir hatten sieben Stunden geschuftet und hatten außer einigen Metern Film von Grundmauern nichts aufzuweisen.
Die Sonne begann zu sinken. Planet Vier hatte einen 35-Stunden-Tag, der sich seinem Ende näherte. Der Himmel verdunkelte sich, es gab keinen Mond. Planet Vier hatte keine Satelliten, was ein wenig unfair schien, denn Planet Drei und Fünf wiesen jeweils vier Monde auf, während um den Giganten aus Gas, der Planet Acht war, nicht weniger als dreizehn kleine Monde wirbelten.
Wir wendeten und fuhren zurück. Nachdem wir sechs Meilen zurückgelegt hatten, erwachte der Lautsprecher des Schleppers zum Leben. Die trockene Stimme Dr. Leopolds klang an unser Ohr: »Ich rufe Schlepper Zwei und Drei. Zwei und Drei, hören Sie mich? Bitte kommen, Zwei und Drei.«
Gerhardt bediente das Steuer. Ich langte über ihn hinweg, um auf Senden umzuschalten. »Anderson und Gerhardt in Nummer Drei, Sir. Wir hören Sie.«
Etwas später und ein wenig leiser hörten wir Marshall sagen: »Marshall und Webster in Zwei, Dr. Leopold. Ist etwas nicht in Ordnung?«
»Ich habe etwas gefunden«, sagte Leopold.
Aus dem Ton, mit dem Marshall sein »Wirklich?« sagte, schloß ich, daß sie nicht glücklicher als wir gewesen waren.
Ich sagte: »Dann können wir uns die Hand geben.«
»Sie hatten kein Glück, Anderson?«
»Nichts, nicht einmal eine Topfscherbe.«
»Wie steht es bei Ihnen, Marshall?«
»Das gleiche, Sir. Zeichen einer Stadt, aber nichts von archäologischem Wert.«
Ich hörte Leopold lachen, bevor er sagte: »Aber ich habe etwas gefunden. Es ist ein wenig zu schwer, als daß ich allein damit fertig werde. Ich möchte, daß beide Gruppen herkommen und es sich ansehen.«
»Was ist es, Sir?« fragte Marshall und zur gleichen Zeit.
Aber Leopold wollte sein Geheimnis nicht preisgeben. »Sie werden sehen, wenn Sie hier sind. Nehmen Sie meine Koordinaten und setzen Sie sich in Bewegung. Ich will vor Einbruch der Dunkelheit wieder beim Schiff sein.«
Achselzuckend änderten wir unseren Kurs. Leopold schien etwa siebzehn Meilen südwestlich von uns zu sein. Marshall und Webster hatten eine ebensolange Fahrt vor sich; sie befanden sich südöstlich von Leopolds Position.
Wir erreichten Leopold fast zur gleichen Zeit. Er war nicht allein. Ein großer Gegenstand befand sich bei ihm, halb verdeckt durch seine Gestalt.
»Hallo, Gentlemen!« Ein breites Grinsen lag auf Leopolds Miene. »Es sieht aus, als hätte ich einen Fund gemacht.«
Er trat zur Seite, als entferne er einen verhüllenden Vorhang, und wir hatten einen Blick auf den Gegenstand, den er als seinen Fund bezeichnete. Ich war überrascht und verblüfft. Leopolds Fund ähnelte einem Roboter.
Er war groß, fast zweieinhalb Meter, und erinnerte dadurch an ein menschliches Wesen, daß er Arme, einen Kopf und Beine hatte. Der Kopf wies an den Stellen, an denen beim Menschen Augen, Ohren und Mund saßen, Öffnungen auf, die durch dünne Platten verschlossen waren. Der Körper des Roboters war massig und kantig, die dunkle Metallhaut war angefressen und verrostet, man sah ihr die unzähligen Jahrhunderte an, die sie über sich hatte ergehen lassen müssen.