Bis zu den Knien steckte die Gestalt im Sand. Leopold, der noch immer grinste, sagte: »Sprich zu uns, Roboter.«
Aus der Mundplatte kam ein knarrender Laut, dann meldete sich eine unwahrscheinlich grelle, aber hörbare Stimme. Die Worte waren fremd und wurden in singendem Tonfall gesprochen. Ich fühlte, wie mir ein Schauder über den Rücken lief.
»Er versteht, was Sie sagen?« fragte Gerhardt.
»Ich glaube nicht«, erwiderte Leopold. »Besser gesagt — noch nicht. Aber wenn ich ihn direkt anspreche, fängt er an zu reden. Ich denke, er fungierte als eine Art Führer. Die Wesen von damals mögen ihn konstruiert haben, damit er Fremden Informationen zukommen läßt. Er scheint sie und ihre Denkmäler überlebt zu haben.«
Ich musterte die Gestalt. Sie wirkte unglaublich kräftig, konnte also gut die andern Spuren der Zivilisation überdauert haben. Der Roboter hatte aufgehört zu sprechen und starrte, wenn man es so nennen darf, vor sich hin. Plötzlich rührte er sich, hob einen Arm, als wollte er die Landschaft umschließen und begann wieder zu sprechen.
»Es scheint sich tatsächlich um eine Art Fremdenführer zu handeln«, bemerkte Webster. »Ich habe das Gefühl, daß wir jetzt einem historischen Vortrag lauschen, der sich mit den wunderbaren Bauten der damaligen Zeit beschäftigt.«
»Wenn wir nur verstehen könnten, was er sagt«, warf Marshall ein.
»Wir können versuchen, die Sprache zu entziffern«, sagte Leopold. »Auf alle Fälle ist es ein großartiger Fund. Und…«
Ich begann plötzlich zu lachen. Leopold funkelte mich verärgert an und fragte: »Was gibt es dabei zu lachen?«
»Ozymandias«, sagte ich. »Natürlich — Ozymandias!«
»Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz, was…«
»Hören Sie ihn an«, sagte ich. »Ist es nicht, als wäre er geschaffen und hier postiert worden, um denen, die nachfolgen, den Ruhm der Rasse zu verkünden, die diese Städte baute? Nur sind die Städte verschwunden, aber der Roboter ist noch hier.«
Webster nickte. »Die Erbauer der Städte sind mit ihren Städten verschwunden, aber der arme Roboter weiß es nicht und erfüllt weiter seine Pflicht. Ja, wir sollten ihn Ozymandias nennen.«
Gerhardt fragte: »Was soll mit ihm geschehen?«
Webster musterte Leopold forschend. »Sie sagen, daß er sich nicht bewegen läßt?«
»Er wiegt fünf- oder sechshundert Pfund. Er kann sich aus eigenem Antrieb bewegen, aber durch mich ließe er sich nicht von der Stelle rücken.«
»Wenn wir alle fünf…«, schlug Webster vor.
»Nein«, sagte Leopold. Ein sonderbares Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Wir werden ihn hier lassen.«
»Was?«
»Nur vorübergehend«, fügte er hinzu. »Wir wollen ihn als Überraschung für Mattern aufbewahren. Am letzten Tag werden wir ihn damit beglücken. Mag er bis dahin denken, daß dieser Planet wertlos ist.«
»Glauben Sie, daß es sicher ist, ihn hier zu lassen?« fragte Gerhardt.
»Niemand wird ihn stehlen«, sagte Marshall.
»Und er wird sich auch nicht im Regen auflösen«, fügte Webster hinzu.
»Aber — angenommen, er geht fort?« fragte Gerhardt. »Das kann er doch, nicht wahr?«
Leopold sagte: »Natürlich. Aber wohin sollte er gehen? Ich denke, er wird bleiben, wo er ist. Bewegte er sich tatsächlich fort, so können wir ihn immer durch Radar orten. Und nun zum Schiff, es wird spät.«
Wir kletterten auf unsere Raupenschlepper. Der Roboter, wieder stumm und bis an die Knie im Sand begraben, wandte sich um und hob den Arm, als wollte er uns grüßen.
»Daß mir keiner vergißt, was wir vereinbart haben«, warnte uns Leopold, bevor wir uns in Bewegung setzten. »Kein Wort darüber zu Mattern!«
Am Abend erwiesen sich Mattern und seine sieben Untergebenen als bemerkenswert neugierig über unsere Tätigkeit. Sie taten, als seien sie tatsächlich an den Ergebnissen interessiert, wollten uns aber natürlich nur zu dem Eingeständnis verleiten, daß wir nichts gefunden hatten. Wir ließen es dabei bewenden.
Am folgenden Morgen verkündete Mattern nach dem Frühstück, daß er, vorausgesetzt, wir machten keine Einwendungen, eine Gruppe auf die Suche nach spaltbarem Material ausschicken wollte.
»Wir werden nur einen der Raupenschlepper brauchen«, sagte er. »Dann bleiben zwei zu Ihrer Verfügung. Es macht Ihnen doch nichts aus?«
»Zwei Raupen genügen uns«, sagte Leopold säuerlich. »Die Hauptsache ist, Sie kommen uns auf unserem Gebiet nicht in die Quere.«
»Wo liegt das?«
Anstatt es ihm zu sagen, deutete Leopold nach Südosten. »Wir haben uns den südöstlichen Sektor vorgenommen und nichts von Bedeutung gefunden. Es macht uns nichts aus, wenn Sie dieses Gebiet jetzt mit Ihren geologischen Geräten umgraben.«
Mattern nickte. Er musterte Leopold neugierig, als hätte dessen offensichtliche Ausflucht seinen Verdacht erregt. Ich fragte mich, ob es klug sei, Mattern Informationen vorzuenthalten. Nun, es war Leopolds Sache, sein kleines Spiel zu spielen, dachte ich. Wenn Mattern nicht wußte, wo wir arbeiteten, würde er Ozymandias sicher nicht zu Gesicht bekommen.
»Ich dachte, Sie hätten gemeint, der Planet sei von Ihrem Gesichtspunkt aus nutzlos, Colonel«, sagte ich.
Mattern starrte mich an. »Dessen bin ich sicher. Aber da wir nun schon hier sind, wäre es idiotisch von mir, nicht wenigstens einen Blick zu riskieren.«
Ich mußte zugeben, daß er recht hatte. »Erwarten Sie dennoch etwas zu finden?«
Er zuckte die Achseln. »Ganz bestimmt kein spaltbares Material. Es kann als ziemlich sicher angenommen werden, daß alle radioaktiven Substanzen auf diesem Planeten sich längst aufgelöst haben. Aber es besteht immer die Aussicht, auf Lithium zu stoßen.«
»Oder auf reines Tritium«, spöttelte Leopold. Mattern lachte nur und erwiderte nichts.
Eine halbe Stunde später waren wir wieder nach Westen unterwegs, der Stelle entgegen, an der wir Ozymandias zurückgelassen hatten. Gerhardt, Webster und ich fuhren zusammen in einer Raupe, Leopold und Marshall in der anderen. Die dritte, bemannt mit zwei von Matterns Männern, entfernte sich nach Südosten, in die Richtung, die Marshall und Webster tags zuvor ohne Erfolg abgesucht hatten.
Ozymandias war da, wo wir ihn verlassen hatten. Die Sonne ging hinter ihm auf und hüllte ihn in ein glühendes Gewand. Ich überlegte, wie viele Sonnenaufgänge er wohl schon gesehen hatte. Wahrscheinlich Milliarden.
Wir parkten die Fahrzeuge nicht weit von dem Roboter und näherten uns ihm. Webster filmte ihn im hellen Morgenlicht. Ein nördlicher Wind ließ den Sand in Wirbeln über den Boden tanzen.
»Ozymandias ist hiergeblieben«, sagte der Roboter, als wir dicht vor ihm stehenblieben.
Er sagte es auf Englisch.
Sekundenlang begriffen wir nicht, was geschehen war. Während wir verwirrt durcheinanderredeten, sagte der Roboter: »Ozymandias hat die Sprache entziffert. Scheint eine Art Fremdenführer zu sein.«
»Zum Teufel, er wiederholt wie ein Papagei unsere Unterhaltung von gestern«, sagte Marshall.
»Ich glaube nicht, daß er nur nachplappert«, sagte ich.
»Er spricht zusammenhängende Sätze. Er unterhält sich mit uns.«
»Von seinen Vorfahren gebaut, um Besuchern Informationen zu geben«, sagte Ozymandias.
»Ozymandias«, sagte Leopold. »Sprichst du Englisch?«
Die Antwort war ein klickendes Geräusch, dem die Worte folgten: »Ozymandias versteht. Er hat nicht Worte genug. Sprecht mehr.«
Wir fünf zitterten vor Erregung. Es war uns klar geworden, daß das, was geschehen war, an ein Wunder grenzte. Ozymandias hatte geduldig unseren Worten vom Abend zuvor gelauscht. Nachdem wir ihn verlassen hatten, war er daran gegangen, den Lauten, die er gehört hatte, einen Sinn zu geben. Mit Hilfe seines Millionen Jahre alten Verstandes war ihm dies gelungen. Nun kam es nur darauf an, ihm immer neue Worte zuzuwerfen und darauf zu warten, daß er ihnen einen Sinn gab.