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Ich packte ein dunkelhaariges Urt-Mädchen am Arm. »Laß mich los!« kreischte sie. »Ich habe nichts getan!«

»Wo finden sich die Urt-Mädchen zusammen?« fragte ich.

»Laß mich los!« forderte sie erneut, doch ich schüttelte sie kräftig durch. »Oh! Oh!« rief sie.

Ich hielt sie fest und blickte sie starr an. Sie senkte den Kopf.

»Einige Mädchen treffen sich hinter den Paga-Tavernen am Nordufer der Band-Gasse.«

Der Band-Kanal gehörte zu den besseren Wasserstraßen Port Kars. Ein schmalerer Kanal, der südlich davon abgeht, wird Band-Gasse genannt. Die Nacht war angebrochen, und die Tavernen, die mit der Rückfront an den schmalen Kanal stießen, warfen jetzt bestimmt den Unrat der letzten Nacht hinaus. An solchen Orten kommen zuweilen die Urt-Mädchen zusammen, um sich an den Überresten zahlreicher Feste schadlos zu halten.

Bis zum Höhepunkt der Flut war es nur noch knapp eine Stunde. Hastig überquerte ich zwei Brücken, die Kanäle überspannten. Dann ging ich in östlicher Richtung, bog einmal links und einmal rechts ab und befand mich am Nordufer der Band-Gasse. Die meisten kleineren Kanäle – so auch die Band-Gasse – führten nicht direkt ins Thassa, sondern waren nur Nebenarme. Die größeren Kanäle in Port Kar sind übrigens selten überbrückt. Und wenn es doch Brücken gibt, handelt es sich meistens um Drehbrücken, die sich, von Schwimmelementen getragen, zur Seite ziehen lassen. Auf diese Weise können sich Handelsschiffe mit unbeweglichen Masten auch in der Stadt bewegen. Militärisch gesehen, können Kanäle andererseits blockiert oder auch als Teile von Befestigungsanlagen für bestimmte Stadtteile verwendet werden.

Ich entdeckte sie in Gesellschaft mehrerer anderer Mädchen auf dem Hinterhof des Silbernen Kragens. Die Mädchen wühlten Drahtbehälter durch, die offenbar Abfall enthielten. Es waren hübsche Mädchen mit ansprechenden Beinen – allerdings waren sie zerlumpt und verdreckt. Das blonde Mädchen sah nicht anders aus – eins unterschied sie jedoch von ihren sechs Begleiterinnen: ihre offensichtliche Abscheu vor dem Unrat und die Feindseligkeit der anderen.

Die Blonde entdeckte mich. Im ersten Augenblick reagierte sie ängstlich; dann schien sie sich einzureden, daß ich sie unmöglich kennen konnte. Schließlich war sie eines unter vielen Urt-Mädchen. Sie trug kein Brandzeichen.

Sie tat, als hätte sie mich nicht bemerkt, und näherte sich dem Abfallkorb. Dabei versuchte sie den typischen Schlenderschritt der Urt-Mädchen nachzuahmen. Dann überwand sie sich dazu, die Hand in den frischen, feuchten Unrat zu schieben. Dabei blickte sie zu mir herüber und bemerkte, daß ich sie noch immer beobachtete. Ihre Hand umfaßte eine halbe gelbe goreanische Birne, in der die Überreste eines halbmondförmigen Verrkäses steckten. Ohne den Blick von mir zu wenden, hob sie ihren Fund an den Mund. Ich nahm nicht an, daß der Bissen schlecht schmeckte. Dabei sah sie so aus, als müßte sie sich jeden Moment übergeben.

Urplötzlich wurde sie am Handgelenk gepackt. Ein großgewachsenes Mädchen in einer kurzen weißen Tunika fuhr die Blonde an: »Was willst du? Du gehörst nicht zu uns!« Sie nahm der Fremden ihren Fund ab. »Du hast dich nicht mit den Paga-Helfern eingelassen wie wir«, fuhr sie fort. »Verschwinde!« rief das Mädchen in Weiß. Die Urt-Mädchen waren bereit, für ihren Hunger alles zu tun.

Mit einer gewissen Erleichterung, ohne allerdings zu verstehen, was da eben gesagt worden war, zog sich die blonde Barbarin zurück. Gegen ihren Willen erschauderte sie, als das Mädchen in der weißen Tunika achtlos in das Stück Birne mit dem Käse biß. Dann blickte sie zu mir herüber.

Sie hatte keine Chance. Das Mädchen stand gefesselt vor dem Tribunal des Praetors.

»Ist dies deine Sklavin?« wandte sich der Hafenbeamte an Ulafi aus Schendi.

»Ja«, antwortete er.

»Woher soll ich wissen, daß sie Sklavin ist?« fragte der Praetor. »Ihr Bein ist nicht gebrandmarkt. Ihre abweisende Haltung deutet darauf hin, daß sie eine freie Frau ist.«

»Sie wurde als freie Frau von Bejar an Bord der Blüte von Telnus gefangengenommen«, antwortete Ulafi. »Sie weiß noch nicht, was mit ihr geschehen ist.«

»Ist Bejar anwesend?« fragte der Praetor.

»Nein!« rief ein Mann. Bejar war gestern zu neuer Fahrt ausgelaufen, zu neuen Abenteuern auf dem schimmernden Thassa.

»Ihre Maße entsprechen der der Sklavin«, sagte Ulafi. »Ich habe hier ihre Sklavenpapiere, die mir heute früh von Varts Helfer ausgehändigt wurden.« Er reichte dem Praetor die Unterlagen.

Der Beamte sah die Papiere durch. »Ist jemandem hier bekannt, daß diese Frau Ulafi gehört und Sklavin ist?« fragte er.

Ich wollte dazu nichts sagen, denn damit hätte ich offenbaren müssen, daß ich beim Verkauf anwesend gewesen war. Es war mir lieber, wenn diese Tatsache nicht bekannt wurde.

»Man hätte sie brandmarken sollen«, stellte der Praetor fest. »Sie hätte gleich den Kragen bekommen müssen.«

»Ich habe einen Kragen hier«, sagte Ulafi und hob ein Stahlband, auf dem fünf Palmen dargestellt waren wie auch das Symbol Schendis, Kette und Krummsäbel. »Ich möchte mit der Flut auslaufen«, fuhr der Kapitän fort. »In weniger als einer halben Ahn haben wir Hochwasser.«

»Tut mir leid«, sagte der Praetor.

»Hat man nicht nach Vart geschickt, der meine Behauptung bestätigen kann?«

»Ja«, entgegnete der Praetor. »Trotzdem muß ich diese Frau wohl freilassen«, fuhr er fort und blickte auf das Mädchen hinab. »Schade, denn sie ist sehr hübsch.«

»Nein!« sagte Ulafi.

»Moment!« rief ein Mann. »Da kommt Vart!«

Das Mädchen trat bedrückt einen Schritt zurück.

»Kennst du dieses Mädchen?« wandte sich der Praetor an den Sklavenhändler.

»Natürlich«, sagte Vart. »Sie wurde gestern abend als Sklavin an diesen Kapitän verkauft. Er hat einen Silber-Tarsk für sie bezahlt.«

Der Wächter neben der Blonden zwang die Sklavin in die Knie.

»Die Sklavin wird hiermit Ulafi aus Schendi zugesprochen«, verkündete der Praetor.

Die Anwesenden brachen in Jubelgeschrei aus und applaudierten auf goreanische Weise, indem sie sich mit der rechten Hand gegen die linke Schulter schlugen.

»Vielen Dank, Praetor!« sagte Ulafi und erhielt vom Magistraten die Sklavenpapiere.

»Kapitän Ulafi«, sagte der Beamte. »Du solltest sie brandmarken lassen, ehe du den Hafen verläßt.«

»Ja, Praetor!« antwortete Ulafi und wandte sich an seinen Ersten Offizier. »Zum Auslaufen alles vorbereiten. Wir haben noch zwanzig Ahn.«

»Jawohl, Kapitän!« antwortete der Mann. Dann wandte er sich an zwei Seeleute von seinem Schiff, die im Hintergrund gewartet hatten. »Peitscht sie aus, damit sie begreift, daß sie jetzt Sklavin ist und zu gehorchen hat! Anschließend bringt ihr sie zur Metallschmiede. Ich erwarte euch dort. Bringt außerdem eine Stange und einen Käfig mit.«

»Jawohl, Kapitän!« sagte einer der Männer.

»Und du kannst mich gern begleiten, wenn du möchtest«, sagte Ulafi zu mir.

Ich folgte ihm zur Metallschmiede. Vor der Werkstatt stand frisch gebrandmarkt und mit einem Halskragen verziert das Mädchen, das bis vor kurzem noch Sasi geheißen hatte. Ein Wächter behielt sie im Auge. Sie war eine billige Sklavin, aber hübsch. Als sie mich erblickte, versuchte sie ihre Blöße zu verdecken und sich zusammenzuducken. Ich lächelte. Begriff sie nicht, daß sie das Brandzeichen trug?

»Mach das Eisen heiß!« sagte Ulafi zu dem Metallarbeiter, einem muskulösen Burschen mit einer Lederschürze.

»Wir haben stets mehrere Eisen im Feuer«, sagte der Mann, nachdem er uns gebührend begrüßt hatte.

»Wir nehmen das ganz normale Kajira-Zeichen«, sagte Ulafi.

Minuten später wurde das Mädchen gebracht. Offenbar konnte sie nicht mehr gehen, denn einer der Männer hatte sie sich über die Schulter geworfen. Sie stand unter Schockeinwirkung.

Sie hatte zu fliehen versucht. Sie hatte vor dem Praetor gelogen. Doch weder waren ihr die Füße abgehackt noch Ohren oder Nase abgeschnitten worden. Man hatte ihr die große Gnade erwiesen, sie lediglich auszupeitschen. Natürlich hatte es sich um erstmalige Verfehlungen gehandelt, war sie doch eine ahnungslose Barbarin. Inzwischen jedoch wußte sie bestimmt, daß goreanische Männer nichts durchgehen lassen und daß wiederholte Verfehlungen nicht so rücksichtsvoll geahndet werden würden.