Das Mädchen war in das Brandungsgestell eingeschlossen worden und konnte sich nicht mehr rühren. Schluchzend starrte sie um sich.
»Das Eisen ist bereit«, meldete der Schmied.
Ulafi warf dem Mann einen Kupfer-Tarsk zu. »Mein Freund hier«, sagte er und deutete auf mich, »wird das Eisen führen.«
Ich blickte ihn an, und er lächelte. »Du bist doch Metallarbeiter, oder nicht?« fragte er.
»Vielleicht«, gab ich zurück. Zuvor hatte er behauptet, ich gehöre dieser Kaste wohl nicht an.
»Wir sind zum Ablegen bereit!« meldete Ulafis Erster Offizier, der in diesem Augenblick die Werkstatt betrat.
»Gut«, antwortet Ulafi.
Ich zog Lederhandschuhe an, drehte das Eisen im Feuer und hielt es hoch.
»Nein!« flehte das Mädchen. »Bitte berühr mich damit nicht!«
Ich blickte sie an. Ich sah sie in diesem Augenblick nicht als Agentin der Kurii – sondern lediglich als schöne Frau, des Brandzeichens würdig.
Ich brandete sie.
»Ausgezeichnete Arbeit!« sagte Ulafi.
Während das Mädchen noch schluchzte und schrie, befreite der Schmied sie aus dem Gestell. Ulafi ließ sie sofort als Sklavin fesseln und in den mitgebrachten Käfig stecken, der von zwei Männern an einer Stange getragen wurde.
Ich nahm nicht an, daß sie noch einmal fliehen würde. Ich war überzeugt, sie würde mich ohne weiteres zu Shaba führen, dem Geographen aus Anango. In meinem Seesack ruhten auf ihn ausgestellte Kreditbriefe, die bei Schendi-Bankiers eingelöst werden konnten. Zwischen diesen Papieren lag auch der falsche Ring, den das Mädchen bei sich gehabt hatte.
»Ich bin dir dankbar, daß du meine Sklavin zurückgebracht hast«, sagte Ulafi.
»Ach, das war nichts«, gab ich zurück.
»Du hast sie außerdem vorzüglich gebrandet«, fuhr er fort. »Es wird der Augenblick kommen, da sie stolz sein wird auf dieses Zeichen.«
Ich zuckte die Achseln. »Kapitän«, sagte ich.
»Ja?«
»Ich möchte noch immer eine Passage an Bord deines Schiffes buchen – nach Schendi.«
Er lächelte. »Das sei dir gern gestattet.«
»Vielen Dank!«
»Es kostet dich einen Silber-Tarsk«, fuhr er fort.
»Oh!« machte ich.
Er zuckte die Achseln. »Ich bin Kaufmann«, erklärte er.
Ich gab ihm einen Silber-Tarsk, und er machte kehrt und ging auf das Schiff zu.
»Ich wünsche dir alles Gute«, sagte ich zu dem Schmied.
»Ich dir ebenfalls«, antwortete er.
Ich fragte mich, wieviel Ulafi wußte. Daraufhin verließ ich ebenfalls die Schmiede.
Draußen war der Wächter im Begriff, seinen Schützling loszubinden, der früher den Namen Sasi getragen hatte.
»Du hast sie in der vorgeschriebenen Zeit nicht verkaufen können?« fragte ich.
»Wer will schon ein Urt-Mädchen?« gab er zurück. »Ich bringe sie jetzt auf den öffentlichen Sklavenmarkt.«
Das Mädchen blickte mich an und erschauderte.
»Was willst du für sie haben?« fragte ich.
»Das Branden hat einen Kupfer-Tarsk gekostet«, antwortete er.
Ich blickte sie an. Sie erwiderte zitternd meinen Blick und schüttelte abwehrend den Kopf.
Ich warf dem Mann einen Kupfer-Tarsk zu.
»Sie gehört dir«, sagte er.
Er nahm ihr die Halsfessel ab.
»Unterwirf dich!« forderte ich.
Sie kniete vor mir nieder und senkte den Kopf. Ich hielt ihr einen geöffneten Sklavenkragen hin, den ich aus meinem Seesack genommen hatte.
»Kannst du lesen?« fragte ich sie.
»Nein, Herr«, antwortete sie.
»Hier steht: ›Ich bin das Mädchen Tarls aus Teletus.‹«
»Ja, Herr!« gab sie zurück.
Dann schloß ich den Kragen um ihren Hals. Ich hatte mir ausgerechnet, daß ein Mädchen – beispielsweise eine in Schendi gekaufte Sklavin – meine Rolle als Metallarbeiter von der Insel Teletus echter gestalten konnte. Diesem Zweck mochte dieses kleine Wesen ohne weiteres dienen. Es bestand kein besonderer Grund, mit dem Erwerb der Sklavin bis Schendi zu warten. Außerdem mochte sie Ulafi, der einigermaßen mißtrauisch war, durch den Kragen überzeugen lassen, daß ich ein ehrlicher Bursche war. Ich reiste mit einem Mädchen, das einen Namenkragen trug.
»Sind Papier auf sie ausgestellt?« fragte ich den Wächter.
»Nein«, antwortete dieser. Die meisten goreanischen Sklaven haben keine Papiere. Brandzeichen und Kragen werden als ausreichende Identifikation angesehen.
Ich zerrte die kleine Sklavin hoch und deutete auf die Schendi-Palme.
»Siehst du das Schiff?«
»Ja, Herr«, antwortete sie.
»Lauf dorthin, so schnell dich deine kleinen Beine tragen!« sagte ich. »Sag den Männern, sie sollen dich in einen Käfig stecken!«
Ich warf mir meinen Seesack über die Schulter und folgte ihr. Kaum war ich über die Planke an Bord getreten, da wurde die Brücke zum Land eingezogen. Männer schlossen und sicherten die Reling.
Die kleine dunkelhaarige Sklavin wurde in einen Käfig gestoßen. Nebenan war die blonde Barbarin untergebracht. »Du!« rief das dunkelhaarige Mädchen erstaunt. Die Blonde wich zurück. »Kajira!« fauchte das dunkelhaarige Mädchen aufgebracht. Die Blonde hatte ihr die Tunika gestohlen, während sie gefesselt am Kanal lag.
Die Leinen wurden losgeworfen.
An der Backbordreling stellten sich drei Seeleute auf und schoben die Schendi-Palme mit Stangen vom Kai fort. Von den langen, schrägen Segelbäumen fiel die Leinwand herab.
Die beiden Steuerleute hatten ihre Position eingenommen.
Der Erste Offizier befehligte die Besatzung. Kapitän Ulafi stand auf dem hohen Achterdeck.
»Fertig!« rief der Zweite Offizier.
Auf jeder Seite schoben zehn Seeleute ihre Ruder nach draußen.
»Ziehen!« rief der Zweite Offizier.
Die langen Ruder wurden in das Thassa getaucht und hoben sich tropfend aus dem grünlichen Wasser. Langsam setzte sich das Schiff in Bewegung, löste sich vom Land. Eine Brise, die über Port Kar hinweg aus dem Osten herbeiwehte, füllte die Segel.
»Ruder einziehen!« rief der Zweite Offizier.
Die Steuerleute lenkten das Schiff auf die rechte Seite der Kette roter und weißer Bojen, die aus dem Hafen führte.
Ich sah zu, wie Port Kar langsam hinter uns kleiner wurde. Der Himmel war sehr blau.
Die Segel knatterten im Wind über meinem Kopf. Masten und Planken knackten. Ich empfand den salzigen Geruch des schimmernden Thassa. Ein Seemann begann ein Schendi-Lied zu singen, und sehr bald fielen andere ein.
5
Die Reise nach Schendi das tief im Süden liegt, dauert mehrere Tage, auch wenn die Winde günstig sind, wie es jetzt der Fall war.
»Meinst du, sie wird eine gute Sklavin abgeben?« fragte Sasi die neben mir stand und eine Larma aß. Wir beobachteten, wie der Zweite Offizier der blonden Sklavin Unterricht in den Positionen einer Vergnügungssklavin gab.
»Mit der Zeit kann etwas aus ihr werden«, erwiderte ich. »Wie kommt ihr im Goreanisch-Unterricht voran?«
Sie zuckte die Achseln. »Ich unterrichte sie, so gut ich kann«, entgegnete sie. »Barbarinnen sind ja so dumm!«
Auf Einladung Ulafis hatte ich Sasi angewiesen, dem blonden Mädchen mehrere Stunden täglich Unterricht in der goreanischen Sprache zu geben. Sasi hatte großen Spaß daran und ahndete jeden Fehler recht handgreiflich. Sasi war das Erste Mädchen und genoß diese Position.
Ich schaute auf das blonde Mädchen, das in der angeordneten Position auf dem Deck kniete. Der Zweite Offizier war fortgegangen. Sie regte keinen Muskel. Sie wurde vorzüglich ausgebildet.
»Ich hasse sie!« sagte Sasi.
»Warum?« wollte ich wissen.
»Sie ist dumm!«