»Das glaube ich nicht«, sagte ich. »Vergiß nicht, daß sie eine schwere Zeit durchmacht. Außerdem ist sie nur eine Barbarin.«
Ich hatte wirklich nicht den Eindruck, daß sie sich ungeschickt anstellte; sie schien ziemlich schnell zu lernen. Ich hatte das Gefühl, daß sie sich hervorragend machen würde.
»Wirst du mich heute nacht wieder ein bißchen unterrichten, Herr?« fragte Sasi.
»Vielleicht.«
Ich hatte sie bereits über jene Grenzen hinausgeführt, die eine freie Frau kennt. Gelegentlich holte ich sie nachts aus dem Käfig, dessen Schlüssel ich besaß. Nach den ersten drei oder vier Tagen hatte sich ihre Einstellung zum Sklavenkragen bereits erheblich geändert. Ein interessanter Wandel, den jede freie Frau durchmacht.
Sasi biß in ihre Larmafrucht.
In den ersten beiden Tagen hatte das blonde Mädchen keinen Bissen herunterbekommen. Sie hatte die Breiund Fischspeisen, die ihr vorgesetzt wurden, mit Abscheu betrachtet. Doch schon am dritten Tag hatte sie den Napf leergeleckt, der ihr durch das Gitter zugeschoben wurde.
»Findest du sie hübsch, Herr?« fragte Sasi.
»Ja«, antwortete ich. Und das stimmte. Sie schien an Attraktivität zugenommen zu haben. Vermutlich lag es an der Bewegung und an der frischen Luft. Und natürlich an den neuen Erkenntnissen, die sie gewann.
»Ist sie hübscher als ich?« Sasi ließ nicht locker.
»Ihr seid auf unterschiedliche Weise hübsch«, antwortete ich. »Ihr werdet beide hervorragende kleine Sklavinnen abgeben.«
»Oh«, sagte Sasi. »Gefalle ich dir, Herr?« erkundigte sie sich.
»Ja«, erwiderte ich. »Besonders, seit du gebadet hast.«
»O Herr!« rief sie.
Gleich am ersten Tag unserer Reise hatte ich sie von Kopf bis Fuß mit Seewasser abgeschrubbt.
»Wann hattest du dich das letzte Mal gewaschen?« fragte ich weiter.
»Ich glaube, vor etwa einem Jahr warf mich mal ein Mädchen in den Süd-Kanal«, antwortete sie.
»Aha.«
»Nimmt es der Herr denn so genau?« fragte sie.
»Im allgemeinen nicht – aber was die persönliche Sauberkeit angeht, da erwarte ich künftig von dir eine gewisse Gründlichkeit. Du bist keine freie Frau mehr.«
»Nein, Herr.«
»Du machst dich gut in einem Kragen«, fuhr ich fort. »Du hättest als Sklavin geboren sein können.«
»Auf eine gewisse Weise war ich das auch«, gab Sasi zurück.
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich bin eine Frau«, sagte sie und steckte den letzten Bissen der Larma in den Mund.
Weiße Wolken standen am stahlblauen Himmel. Wenn die Winde nicht nachließen, würden wir Schendi in vier Tagen erreichen. »Warum willst du nach Schendi reisen?« fragte mich Ulafi. Es war später Abend. Wieder stand ich an der Reling.
»Ich bin nie dort gewesen«, antwortete ich.
»Du bist kein Metallarbeiter«, sagte er.
»Ach?« fragte ich.
»Vielleicht kennst du Chungu«, sagte er.
»Du meinst den Wachhabenden«, sagte ich.
»Richtig.«
»Vom Sehen«, antwortete ich. Ich erinnerte mich ziemlich gut an ihn. Er war an mir vorbeigegangen, als ich auf dem Weg zur Pier der Roten Urt gewesen war. Später war er mir außerdem in der Nähe des Pier-Praetors aufgefallen.
»Bevor wir wegen der geflohenen Sklavin Generalalarm gaben«, erklärte mir Ulafi, »versuchten wir sie natürlich selbst wiederzufinden. Weißt du, wir dachten wirklich, wir könnten sie innerhalb weniger Minuten aufgreifen.«
»Natürlich«, bemerkte ich.
»Sie war nackt, eine Barbarin. Wohin hätte sie gehen sollen? Was konnte sie schon unternehmen? Aber sie war schlau. Sie versteckte sich bei den Urt-Mädchen.«
»Es wäre für einen Kapitän aus Schendi sicher auch ein bißchen peinlich gewesen«, sagte ich, »den Verlust eines Mädchens öffentlich eingestehen zu müssen.«
»Möchtest du über Bord geworfen werden?« erkundigte sich Ulafi.
»Nein, bestimmt nicht.«
»Wäre ein solches Eingeständnis nicht für jeden unangenehm gewesen?« fragte Ulafi nachdrücklich.
»Natürlich«, entgegnete ich. »Verzeih mir, Kapitän!«
»Als wir uns dann doch entschlossen, die Hilfe der Wächter in Anspruch zu nehmen«, fuhr Ulafi fort, »ließen wir den Alarm auf das Mädchen ausrufen. Chungu, einer meiner Leute, versuchte die Sklavin in der Nähe des Rand-Kanals aufzuspüren. In jenem Gebiet wurde er Zeuge, wie zwei Räuber, ein Mann und seine Komplizin, von einem Mann besiegt wurden, der wie ein Metallarbeiter gekleidet war. Der Fremde erledigte die beiden mit einer Geschicklichkeit, wie sie von einem Angehörigen der Kaste der Metallarbeiter kaum erwartet werden kann. Und er nahm sich noch die Zeit, das Mädchen zu vergewaltigen, ehe er weiterwanderte.«
»Oh«, sagte ich.
»Du warst der Bursche im Gewand der Metallarbeiter«, fuhr Ulafi fort.
»Ja«, gestand ich.
»Als die Räuber vor den Tisch des Praetors geführt wurden, fiel auf, daß sie mit Knoten gefesselt worden waren, wie sie ein Krieger kennt«, sagte Ulafi.
»Mag sein«, erwiderte ich.
»Warum reist du nach Schendi?« fragte Ulafi.
»Wenn du wußtest, daß ich nicht der Kaste der Metallarbeiter angehöre«, fragte ich, »warum hast du mich dann das blonde Mädchen brandmarken lassen?«
»Ich wollte sehen, was du tust«, erwiderte er.
»Das barg die Gefahr, daß ich dir den Schenkel des Mädchens verdorben hätte.«
»Das Zeichen ist perfekt herausgekommen«, sagte Ulafi.
»Was dir doch beweisen müßte, daß ich wirklich Metallarbeiter bin.«
»Nein«, gab er zurück, »daß du Krieger bist. Dafür spricht auch die Art und Weise, wie du dich bewegst, wie du um dich blickst, wie du dich setzt.«
Ich schaute auf das Meer hinaus. Die drei Monde standen hoch am Himmel. Das Thassa funkelte.
»War es für dich wichtig, Port Kar genau in diesem Augenblick zu verlassen?«
»Ich glaube schon«, antwortete ich.
»Warum hast du dir gerade Schendi ausgesucht?« fragte er weiter.
»Kann man in Schendi denn nicht ein Vermögen verdienen?«
»Man kann in Schendi wohl ein Vermögen verdienen«, sagte er, »es gibt dort aber auch Gefahren.«
»Gefahren?«
»Ja«, antwortete Ulafi, »sogar aus dem Landesinneren, wo sich das Ubarat Bila Hurumas erstreckt.«
»Schendi ist ein Freihafen, der unter der Verwaltung von Kaufleuten steht«, sagte ich.
»Wir hoffen, daß es auch künftig so bleibt«, sagte er.
»Dein Verdacht war richtig«, sagte ich. »Ich gehöre der Kriegerkaste an.«
Ulafi lächelte.
»Vielleicht gibt es in Schendi Leute, bei denen ich in Dienst treten könnte.«
»Der Stahl hat stets seinen Preis«, bemerkte Ulafi und schien sich abwenden zu wollen.
»Kapitän!« sagte ich.
»Ja?«
Ich deutete auf das blonde Mädchen im Käfig. »Die Sklavin dort interessiert mich«, sagte ich und blickte Ulafi an. »Auf der Pier sagte Vart etwas davon, er habe einen Silber-Tarsk für sie erhalten. Mir will scheinen, daß ein solches Mädchen, nur durchschnittlich schön, ungeschickt und unausgebildet, des Goreanischen kaum mächtig, bestenfalls zwei oder drei Kupfer-Tarsk wert ist.«
»Ich kann zwei Silber-Tarsk für sie bekommen«, sagte Ulafi.
»Ist denn ihre Haar- oder Hautfarbe in Schendi so selten?« fragte ich.
»Solche Mädchen, auch viel bessere, sind in Schendi billig zu haben«, sagte er. »Du darfst nicht vergessen, daß Schendi der Heimathafen der Schwarzen Sklavenhändler ist.«
»Warum bekommst du dann zwei Silber-Tarsk für sie?«
»Sie steht auf meiner bedingten Suchliste«, entgegnete Ulafi.
»Ich verstehe«, gab ich zurück. Das hatten sich die Kur-Agenten gut ausgedacht. Sie wußten, daß das Mädchen von Cos nach Schendi unterwegs war, auf einer Reise, die gefährlich ist, insbesondere wegen der Piratenattacken von Schiffen aus Port Kar. Es war also vernünftig, Vorsorge zu treffen, sie wegzukaufen, sollte sie versklavt werden und in Port Kar zum Verkauf kommen. Zweifellos waren mit Schendi-Agenten in Tyros und wohl auch Lydius oder Scagnar ähnliche vorsorgliche Vereinbarungen getroffen worden.