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Der Gewürzgeruch war inzwischen noch stärker geworden – besonders taten sich Zimt und Gewürznelken hervor. Von Fischen war dagegen recht wenig zu riechen. Viele Fischarten dieser tropischen Gewässer sind eher ungenießbar oder sogar giftig, eine Folge gewisser Algenformen, von denen sie sich ernähren. Den Fischen schaden diese Pflanzen nicht, doch befinden sich darin bestimmte Stoffe, die für Menschen ungenießbar sind. Soweit ich weiß, waren dagegen die Flußfische für den Verzehr durchwegs geeignet. An den Flüssen Kamba und Nyoka sowie an den Ufern des Ushindi-Sees gab es sogar viele Dörfer, die sich im wesentlichen vom Fischfang ernährten. Allerdings werden die Fänge aus Schendi nicht exportiert. Meine Nase roch dagegen Gerbsäuren und Farben, wie sie in den Werkstätten der Lederarbeiter verwendet wurden. In Schendi wird viel Kailiaukleder verarbeitet, ein Material, das nicht nur aus dem Binnenland nach Schendi gebracht wird, sondern auch aus dem Norden und Süden, von Sammelstellen, die sich hier und dort an der Küste befinden. Am eindrucksvollsten machte sich für mich jedoch der Geruch des Dschungels bemerkbar, der hinter Schendi begann. Dieser Duft wurde merkwürdigerweise nicht so weit auf das Meer hinausgetragen wie die schärferen Gerüche der Gewürze. Es war ein Geruch nach feuchtem, dampfendem Grün, nach unvorstellbaren Blumen, nach endlosen Weiten süßlichfauliger Vegetation.

An Backbord glitt eine Dau vorbei, die ein rot-weißgestreiftes Segel hatte.

Der Bug der Schendi-Palme glitt langsam herum, die Schendi-Spitze genannte Halbinsel blieb hinter uns zurück. Die aufgemalten Augen mit den weißen und schwarzen Pupillen, die zu dem riesigen braunen Kailiauk-Kopf am Bug gehörten, blickten jetzt gelassen in den Hafen Schendis, der noch etwa vier Pasang entfernt war.

Die blonde Sklavin wandte sich seitlich an Sasi, die ihr als Erstes Mädchen übergeordnet war. »Herrin!« flüsterte sie.

»Ja, Sklavin«, sagte Sasi.

Die Blonde hob die gefesselten Handgelenke, von denen ein Tau zu den Ohren des Kailiauk-Kopfes am Bug führte. »Warum sind wir so gefesselt?« fragte sie.

»Weißt du das nicht, du kleine Närrin?« fragte Sasi. Ich mußte lächeln, denn in Wirklichkeit war Sasi ein Stück kleiner als die Barbarin. »Du kannst dich freuen, denn man findet dich hübsch genug, an den Bug gehängt zu werden!«

»Oh«, antwortete das blonde Mädchen unsicher.

Wir standen noch etwa drei Pasang vor Schendi.

Ein gutes Stück von uns entfernt, an Backbord, verließ eine zweimastige Galeere mit gelben Segeln den Hafen.

Um die Schendi-Spitze kommend, etwa zwei Pasang hinter uns, tauchte ein Rundschiff auf. Es hatte die Farben Asperiches gesetzt. An Steuerbord machte ich zwei weitere Schiffe aus, ein mittelgroßes Rundschiff und eine schwere Galeere, letztere mit roten Masten. Beide kamen aus Ianda.

»Was wird in Schendi mit uns geschehen?« wandte sich das blonde Mädchen an Sasi.

»Ich weiß nicht, was aus mir wird«, sagte Sasi. »Du kommst jedenfalls auf den Markt.«

»Ich werde verkauft?«

»Selbstverständlich!«

Unbehaglich wand sich das Mädchen in ihren Fesseln.

»Keine Angst«, fuhr Sasi fort, »du wirst es lernen, den Männern zu gefallen. Dafür werden sie schon sorgen.«

»Ja, Herrin!« antwortete die Blonde. Sie warf mir einen kurzen Blick zu und wandte sich sofort wieder ab. Ich betrachtete sie. Sie, ein Mädchen von der Erde, wußte sich unter dem Blick eines goreanischen Mannes. Sie wagte es nicht, sich nicht gut zur Schau zu stellen. Soviel hatte sie schon begriffen.

Ich lächelte.

Schon war in Ansätzen erkennbar, daß die Sklavin, die in jeder Frau ruht, angstvoll und aufgeregt zu begreifen begann, daß sie sich hier auf einer Welt befand, auf der sie endlich frei hervortreten konnte.

»Hängt sie an den Bug!« rief Ulafi in diesem Augenblick.

Zwei Seeleute eilten herbei, um Shoka zu helfen.

Es waren noch etwa zwei Pasang bis Schendi. Der Verkehr wurde dichter.

Shoka hob das blonde Mädchen mühelos an und hievte es über Bord – sie baumelte an der Handfessel, die durch das Ohr des Bug-Kailiauk führte –, das Seil wurde angezogen, bis sie mit nach oben gestreckten Händen etwa einen Fuß unter dem goldenen Ring hing. Ein Seemann machte das Tau sodann an einem Deckshaken fest. Dasselbe wurde mit Sasi auf der anderen Seite wiederholt.

Eine schwere Galeere aus Tyros mit vierzig Rudern an jeder Flanke bewegte sich langsam an uns vorbei, die gelben Lateinersegel locker am Mast. Männer unterbrachen ihre Arbeit, um sich die Schönheit der ausgestellten Sklavinnen anzuschauen. Der Kapitän senkte sein Fernglas und hob mit geballter Faust grüßend die Hand, um Ulafi zu seinem Schiff und den am Bug hängenden Mädchen zu gratulieren. Ulafi erwiderte den Gruß mit erhobener offener Hand.

Schon erreichten wir die Hafeneinfahrt und hatten gleich darauf die Reihe der gelb-weiß-gestreiften Bojen nach Backbord genommen. Hinter uns reihten sich zwei Schiffe ein, während vor uns ein Boot in den Hafen einlief. Auf unserem Weg in das Hafenbecken kamen uns drei Schiffe entgegen, die Schendi verlassen wollten. Es gibt in diesem Hafen mehr als vierzig Kaufmannspiers, von denen jede an ihrer gesamten Länge auf jeder Seite vier Schiffe unterbringt. Die inneren Piers haben niedrigere Nummern, angefangen auf der Steuerbordseite des Hafens, wenn man in das Becken einfährt.

Wir erblickten Männer auf den Docks und den sich vorschiebenden Kaianlagen. Viele schienen die Schendi-Palme zu erkennen, der ein freudiger Empfang bereitet wurde. Wie gesagt, hatte ich nicht gewußt, daß Schendi so groß oder so belebt sein würde. Auf vielen Piers herrschte lebhaftes Treiben. Zahlreiche Schiffe wurden be- und entladen. An den Kais und in den Lagerhäusern, deren breite Türen meist offenstanden, befanden sich gewaltige Warenlager. Am häufigsten beobachtete ich Gewürztonnen und Fellballen, doch gab es auch viele andere Dinge, Frachten in den Lagern und am Kai einige im Zwischenlager, andere, die gerade befördert wurden, entweder an Bord eines Schiffes oder nach der Entladung weiter in die Stadt oder ins Binnenland. Die Schendi-Palme, die inzwischen die Segel gerefft und die Segelbäume parallel zum Deck ausgerichtet hatte, glitt an den Piers entlang – viele Männer unterbrachen kurz ihre Arbeit, setzten ihre Lasten ab und winkten uns freundlich zu. Den Leuten gefällt der Anblick eines schönen Schiffes. Die beiden Mädchen am Bug minderten diesen Eindruck nicht gerade, das muß man sagen. Sie bildeten herrliche Schmuckstücke. Wir kamen an den hohen Tischen von Pier-Praetoren vorbei. Hier und dort fiel mein Blick auch auf kurzberockte Sklavinnen; an einer Stelle entdeckte ich eine Gruppe Pagamädchen, die für ihren Herrn, einen Schenkenwirt, Gäste einzufangen versuchten. Viele Waren werden in Schendi umgeschlagen, wie es in jedem großen Hafen der Fall ist – dazu gehören Edelmetalle, Juwelen, Stoffe, Teppiche, Seidentuch, Horn und Hornprodukte, Arzneien, Zucker und Salz, Schriftrollen, Papiere, Tinten, Holz, Steine, Stoffe, Salben, Parfüme, getrocknete Früchte, ein wenig Trockenfisch, viele Arten von Wurzelgemüse, Ketten, Werkzeuge für die verschiedensten Handwerksberufe, landwirtschaftliches Gerät, etwa Hacken und metallene Pflugschare, dazu Weine und Pagasorten, bunte Vögel und Sklaven. Der wichtigste Exportartikel Schendis sind zweifellos die Gewürze und Felle, während Horn und Hornprodukte ebenfalls eine große Bedeutung haben. Zu den köstlichsten Artikeln, die hier zu haben sind, gehört der Palmwein. Zu den berühmtesten Gütern, die hier umgeschlagen werden, zählen die kleinen geschnitzten Schendi-Saphire. Im allgemeinen sind die Steine dunkelblau, einige funkeln jedoch purpurn und manche interessanterweise sogar weiß oder gelb. Sie werden normalerweise in der Form winziger Panther angeboten, manchmal stößt man aber auch auf andere Tiere, gewöhnlich kleine Landtiere oder Vögel. Seltener gibt es die Steine in der Form winziger Kailiauks oder Kailiauk-Zöpfe. Interessanterweise zählen Sklaven nicht zu den wesentlichen Exportartikeln Schendis, trotz der Tatsache, daß der Hafen das Hauptquartier der Liga der Schwarzen Sklavenhändler bildet. Die Sklavenhändler bringen ihre Beute gewöhnlich gleich direkt auf die besten Märkte im Norden und Süden. Am wichtigsten dürften dabei die Jahrmärkte am Sardargebirge sein, besonders der des Monats En’Kara, des wohl besten und ausgedehntesten Ereignisses dieser Art. Damit soll nicht gesagt sein, daß Schendi keine ausgezeichneten Sklavenmärkte besitzt. Immerhin ist es einer der wichtigsten goreanischen Häfen. Die Bevölkerung Schendis dürfte etwa eine Million Menschen zählen, die Mehrzahl davon dunkelhäutig. Schendi ist jedoch ein kosmopolitischer Hafen, so daß hier alle Rassen anzutreffen sind. Zahlreiche wichtige Kaufmanns-Organisationen aus Städten der ganzen Welt haben in Schendi ihre Niederlassungen oder Vertreter. Wegen des lebhaften Umschlags im Hafen befinden sich in der Stadt auch ständig zahlreiche Seeleute auf Landgang, von vielen hundert Schiffen aus allen möglichen fernen Städten. Die Äquatorgewässer rings um Schendi ermöglichen die Schiffahrt das ganze Jahr hindurch. Hier liegt einer der Gründe für die Bedeutung des Hafens, denn in Schendi gibt es keinen Winter. Da es ein Stück südlich des Äquators liegt, kennt es eine gewisse Trockenperiode, die zu der Zeit eintritt, wenn die südliche Hemisphäre des Planeten Winter hat. Läge Schendi nördlich des Äquators, würde diese Periode in die Zeit des nördlichen Winters fallen. Die Bauern rings um Schendi legen ihre Saat zu Beginn dieser ›Trockenzeit‹ aus. Für jemanden wie mich, der an die nördlichen Längengrade Gors gewöhnt ist, ist die geographische Definition einer Trockenzeit nicht gerade zufriedenstellend, denn es ist im Grund nicht trocken, vielmehr fällt nur weniger Regen. Während der eigentlichen Regenzeit kann es leicht passieren, daß das Saatgut aus dem Boden geschwemmt wird. Übrigens verlegen die Bauern der Äquatorzone ihre Felder ziemlich häufig, da der Boden durch die vielen Jahrhunderte schweren Regens vieler Mineralien und Nährstoffe beraubt ist und daher durch den Anbau schnell geschwächt wird. Entgegen der landläufigen Meinung ist der Boden in tropischen Gebieten im allgemeinen nicht sehr fruchtbar. Eine Dschungelvegetation, die sich an Flüssen oder im Umfeld von Flußsystemen entwickelt, vermag auf Böden zu gedeihen, die Nährgetreide nicht hervorbringen könnten. Auf eine Weise sind die Bauern rings um Schendi eher Gärtner als Bauern. Ist ein Feld erschöpft, rodet der Bauer ein neues Gebiet und beginnt von vorn. Ganze Dörfer ziehen weiter. Diese Unfruchtbarkeit des Bodens ist einer der Hauptgründe, warum sich in der Äquatorzone Gors keine Bevölkerungszentren gebildet haben. Das Land vermag ausgedehnte Dauersiedlungen nicht zu tragen. »Ruder einholen!« rief Gudi, der als Rudermeister fungierte.