Seeleute warfen Männern auf der Pier Taue zu, die um die schweren Poller gelegt wurden. Taurollen, die man über die Reling gehängt hatten, dämpften den Anprall des Schiffes, damit seine Wandung nicht an der Kaimauer beschädigt wurde. Männer suchten ihre Sachen zusammen. Durch eine Öffnung in der Steuerbordreling wurde der Steg geschoben. Die Pier trug die Nummer acht.
Zwei Sklavenhändler blieben an der Pier stehen und blickten zu den Mädchen empor, die an den Ringen hingen. »Wenn ihr die verkaufen wollt, bringt sie zum Markt des Kovu!« rief einer der beiden, ein häßlicher Bursche, der auf der rechten Wange eine tiefe Narbe hatte.
Shoka hob die Hand zum Zeichen, daß er die Worte verstanden hatte.
Zwei Männer vom Tisch des nächsten Pier-Praetors, der für die Kais sechs bis zehn verantwortlich war, ein Schreiber und ein Arzt, betraten das Schiff. Der Schreiber trug eine Akte unter dem Arm. Er würde Ulafis Papiere überprüfen, die Registrierung des Schiffes, die Vereinbarungen hinsichtlich der Hafennutzung, die Unterlagen, die die Fracht betrafen. Der Arzt mußte sich um die Gesundheit von Besatzung und Sklaven kümmern. Vor einigen Jahren war weiter im Norden, in Bazi, die Pest ausgebrochen. Dieser Hafen war von den Kaufleuten daraufhin zwei Jahre lang geschlossen gewesen. In einem Zeitraum von etwa achtzehn Monaten hatte sich die schlimme Krankheit totgelaufen und war nach Süden und Osten ausgewandert. Von dem wirtschaftlichen Rückschlag hatte sich Bazi jedoch bis heute noch nicht erholt. Man konnte es dem Rat der Kaufleute Schendis sicher nicht verübeln, wenn er dieser Stadt ein ähnliches Schicksal ersparen wollte.
Der Schreiber und Ulafi begannen ihre Arbeit. Ich stellte mich zusammen mit den Besatzungsmitgliedern der Untersuchung des Arztes. Er beschränkte sich mehr oder weniger darauf, uns in die Augen und auf die Unterarme zu blicken. Doch unsere Augen waren nicht gelb, und unsere Haut zeigte keine Spuren jener geplatzten Pusteln, die von allen gefürchtet werden.
Zwei weißhäutige Sklavinnen, barfuß, in zerlumpter brauner Kleidung und mit goldenen Ringen in den Ohren, blieben in der Nähe unseres Bugs auf dem Kai stehen. »Wie häßlich ihr seid!« rief eine der beiden zu den Mädchen am Bug empor.
»Bist du jemals am Bug ausgestellt worden?« rief Sasi verächtlich zurück.
Darauf erhielt sie keine Antwort.
Die blonde Barbarin, die an ihrem Ring baumelte, erbebte plötzlich. Sie schien etwas verstanden zu haben, etwas, das einen bisher unbekannten Stolz in ihr weckte.
»Kann sich euer Herr nicht mal anständige Kleidung für euch leisten?« fragte Sasi die Mädchen am Kai verächtlich und blickte mich erfreut an. Ich mußte zugeben, daß sie mit den beiden richtig umgesprungen war.
»Holt die Sklavinnen herein!« sagte der Arzt jetzt und überprüfte schließlich auch die Mädchen, die vor ihm auf dem Deck abgelegt wurden.
Schließlich richtete er sich auf. »Alles in Ordnung«, sagte er. »Das Schiff kann anlegen. Alle dürfen an Land.«
»Ausgezeichnet!« sagte Ulafi.
Der Schreiber hielt die Feststellung des Arztes in seinen Unterlagen fest, eine Eintragung, die von diesem gegengezeichnet wurde.
»Ich wünsche dir viel Glück bei deinen Unternehmungen in Schendi«, sagte Ulafi daraufhin zu mir.
»Ja, vielen Dank, Kapitän!« gab ich zurück. »An dich meinen Dank für eine gute Reise!«
Er nickte. »Vielen Dank auch, daß ich deine hübsche Sklavin mit an den Bug hängen durfte.«
»Keine Ursache«, sagte ich.
»Ich wünsche dir alles Gute.«
»Ich dir auch«, erwiderte ich.
Ich bückte mich über Sasi und nahm ihr die Fesseln ab.
»Die da«, sagte Ulafi zu einem Seemann und deutete auf die blonde Barbarin, »kommt mir in Sirik und Kette an einen Ring auf der Pier. Sie darf uns nicht noch einmal fortlaufen.«
»Jawohl, Kapitän!« sagte der Mann.
Dichtauf gefolgt von Sasi, ging ich zu meinem Seesack und warf ihn mir über die Schulter.
Die blonde Sklavin wurde unterdessen an Land gebracht und angekettet. Nackt und gefesselt blickte sie zu mir auf, als ich das Schiff verließ.
Einen Augenblick lang stand in ihren Augen wieder der seltsame Ausdruck der Erkenntnis. »Nein, nein!« flüsterte sie dann auf Englisch vor sich hin. »Ich bin keine Sklavin.«
»Wirst du mich in Schendi verkaufen?« fragte mich Sasi.
»Vielleicht – wenn mir danach ist.«
»Ja, Herr«, sagte sie.
Die blonde Barbarin hörte die Worte, reagierte aber nicht darauf. Zitternd blickte sie mich an.
Ja, man würde sie zur Frau machen, im denkbar schönsten Sinn des Wortes, zur Liebessklavin für einen Mann.
Ich wandte mich zum Gehen.
»Herr!« rief sie.
Ich drehte mich noch einmal zu ihr um.
»Geh nicht!« flehte sie. »Geh noch nicht! Kauf mich!«