»Ich will dir die beiden hier zeigen«, sagte Uchafu und führte mich von dem blonden Mädchen fort.
Nachdem ich die blonde Barbarin auf der Pier zurückgelassen hatte, waren wir losgezogen und hatten uns in der Schendi-Höhle eine Unterkunft gesucht, einer Taverne unweit von Pier zehn. Die Zimmer waren klein, doch ausreichend, die Einrichtung bestand aus einer Matratze auf dem Boden, einer Schiffstruhe an der Wand, einem niedrigen Tisch, einer Tharlarionöllampe, einer Schale und einem Wasserkrug. Am Fuß der Matratze war ein Sklavenring in den Boden eingelassen. Ich machte Sasi daran fest, verließ das Zimmer, verschloß die Tür, verstaute den Schlüssel in meinem Beutel und kehrte unauffällig in die Nähe von Pier acht zurück, wo die Schendi-Palme entladen wurde. Ich mußte nicht lange warten. Nach kurzer Zeit war Uchafu aufgetaucht und mit Ulafi zusammengetroffen. Die Transaktion dauerte nicht lange – dann gehörte das blonde Mädchen ihm. Shoka löste den Schiffskragen von ihrem Hals, woraufhin Uchafu ihr seinen Kragen und die Gesichtsmaske anlegte und sie anschließend hinter sich her zerrte. Ich war den beiden gefolgt. Es ergab sich, daß Uchafu nicht auf direktem Weg in seinen Markt zurückgekehrt war, aber selbst wenn das Mädchen die Straßen Schendis gekannt hätte, wäre es ihr in ihrer Verwirrung wohl nicht möglich gewesen zu bestimmen, wo sie sich befand.
»Hübsch sind diese beiden«, sagte Uchafu und deutete auf zwei Blondinen. »Es handelt sich um Schwestern aus Asperiche. Du kannst sie zusammen oder getrennt kaufen, wie es dir beliebt.«
Die blonde Barbarin trug noch immer die Kapuze, die Uchafu ihr an Pier acht umgelegt hatte, und wußte bestimmt nicht, wo sie sich befand. Wegen der Preise, um die es hier ging, ahnte Uchafu natürlich, daß ihr eine gewisse Bedeutung zukam. Andererseits nahm ich nicht an, daß er wußte, worum es dabei im einzelnen ging. Auch Ulafi war in dieser Beziehung ahnungslos gewesen, davon war ich überzeugt.
»Was hältst du von den beiden?« fragte Uchafu.
Aber ich hatte kehrtgemacht und schritt bereits wieder auf die blonde Barbarin zu. Uchafu eilte mir nach und faßte mich am Ärmel.
»Nein«, sagte er. »Sie nicht!«
»Warum nicht?« fragte ich und spielte den Verwirrten.
»Sie ist bereits verkauft.«
»Wieviel hast du für sie bekommen?« wollte ich wissen.
»Fünfzehn Kupfer-Tarsk«, antwortete er. Dieser Preis war für ein solches Mädchen und seine Art von Geschäft ein wenig hoch angesetzt. Vermutlich wollte er mich damit abschrecken. »Ich gebe dir sechzehn«, sagte ich.
Uchafu zog ein ärgerliches Gesicht. Ich bezwang mich, um nicht zu lächeln. Ich wußte, er hatte das Mädchen noch nicht verkauft, denn sie befand sich noch an seiner Kette. Er wartete auf seinen Käufer. Außerdem wußte ich von Ulafi, daß er zwei Silber-Tarsk für sie bezahlt hatte. Zweifellos sollte er von dem erwarteten Käufer drei oder vier Silber-Tarsk bekommen. Dann aber lächelte er und zuckte die Achseln. »Ach, wie schade!« sagte er. »Ich hätte sechzehn für sie bekommen können und habe sie für fünfzehn verkauft. Schade! Aber ich kann mein Wort nicht einfach in den Wind schlagen, denn ich habe als Kaufmann einen guten Ruf zu verlieren. So gern ich dir das Mädchen für sechzehn Tarsk lassen würde, muß ich sie doch für fünfzehn an einen Käufer geben, der schon mit mir abgeschlossen hat.«
»Ich hatte nicht angenommen, daß Ehrlichkeit im Geschäftsleben ein solches Hindernis sein kann«, bemerkte ich.
»Ach ja!« klagte er.
»Aber vielleicht ist dir dein guter Ruf ja auch einmal von Vorteil«, sagte ich.
»Das hoffe ich doch«, erwiderte er.
»Du bist einer der ehrlichsten Sklavenhändler, die mir je begegnet sind«, sagte ich. »Ich wünsche dir alles Gute.«
»Ich dir auch.«
Ich verließ seinen Markt. Erst da schien ihm aufzugehen, daß ich ja gar kein Mädchen gekauft hatte.
»Ende der Woche haben wir neue Mädchen!« rief er mir nach. »Dann solltest du doch noch einmal vorbeischauen!«
Ich winkte ihm zu.
8
»Schneller! Schneller, du ungeschickte Sklavin!« rief der narbige, bucklige, kleine Mann, der das rechte Bein nachzog. Er trug eine schmutzige Tunika, darüber eine lange braune Aba, die ziemlich zerlumpt aussah. Ein braunes Tuch hatte er sich turbanartig um den Kopf gewunden. Er schien wütend zu sein.
»Beeilung!« rief er.
»Oh!« klagte sie schluchzend unter ihrer Gesichtsmaske, die ihr keinen Ausblick ließ. »Bitte schlag mich nicht immer! Ich beeile mich ja.«
Ich folgte den beiden in unauffälliger Entfernung. Mit Hilfe eines Fernglases der Häuserbauer hatte ich ihren Verkauf beobachtet; dabei hatte ich auf einem Dach gestanden, das sich in der Nähe von Uchafus Markt befand. Anschließend hatte ich das Glas zusammengeschoben und wieder in den Beutel gesteckt. Deutlich war zu sehen gewesen, wie Silbermünzen den Besitzer wechselten. Allerdings wußte ich nicht genau, wie viele Stücke überreicht worden waren, da der Erwerber mir den Rücken zugewandt hatte.
»Schnell!« rief er.
Er war wie ein Bettler gekleidet; doch ich glaubte nicht, daß er diesem Berufsstand angehörte – ganz abgesehen davon, daß Bettler keine Sklavinnen kaufen, zumindest nicht offen.
Ich war überzeugt, daß der Mann ein Agent der Kurii war.
Wieder schlug er zu, und wieder geriet sie ins Stolpern. Noch immer trug sie die Maske, die den oberen Teil ihres Kopfes ganz verhüllte. Von Uchafus Markt hatte sie nichts mitbekommen und wußte auch nicht, wohin sie jetzt getrieben wurde. Von Schendi hatte sie bisher nur Hafen und Kaianlagen gesehen.
»Tempo!« forderte der Bucklige erneut.
»Wohin soll ich denn?« jammerte das Mädchen verwirrt. Grob griff er zu und zerrte sie am linken Arm die Straße entlang.
Von Zeit zu Zeit blickte ich mich um, sah aber nichts Ungewöhnliches. Außer den üblichen Anwohnern solcher Straßen und Passanten fiel mir nichts auf. Heute trug ich die Kleidung der Lederarbeiter.
»Hier hinein, wertlose Sklavin!« sagte der Mann, packte das Mädchen am Arm und schob sie durch den Eingang einer Paga-Taverne, die den Namen Goldener Kailiauk trug.
Er führte sie an die Wand gegenüber der Haupttür, unweit eines kleinen Nebeneingangs.
»Leg dich hierher!« befahl er.
Gehorsam ließ sie sich auf dem Holzboden nieder.
»Auf die Seite!« sagte er. »Zieh die Knie an!«
Zusammengekrümmt lag sie vor ihm.
Er warf seine braune Aba über sie, die das Mädchen völlig verdeckte, und humpelte anschließend durch die kleine Seitentür davon.
»Hat der Herr Wünsche?« fragte ein schwarzes Pagamädchen und kniete vor mir nieder.
»Paga«, sagte ich zu ihr. Sie richtete sich auf und ging zur großen Tonne hinter dem Tresen. Ich ließ mich im Schneidersitz hinter einem niedrigen Tisch nieder, von dem aus ich das verdeckt auf dem Boden liegende Mädchen sehen konnte.
Langsam trank ich von meinem Paga und schlug die Zeit tot.
Aber niemand schien das Mädchen abholen zu wollen.
In mir regte sich die Sorge, daß hier irgendwo ein Fehler vorlag. Was war, wenn sich Ulafi hinsichtlich des Mädchens geirrt hatte? Wenn nun der Bettler das Mädchen für den Tavernenwirt erstanden hatte? Was sollte werden, wenn sie lediglich hier abgeliefert wurde, um als Pagamädchen ausgebildet zu werden? Ich schaute in die Runde. Im Lokal gab es nur noch ein anderes weißhäutiges Mädchen, eine dunkelhaarige Schönheit, die gelbe Vergnügungsseide trug. Vielleicht wollte sich der Wirt ein zweites weißes Mädchen zulegen, um seinen Gästen eine größere Abwechslung zu bieten.
Ich blickte auf das blonde Mädchen, das unter der Aba lag. Sie wagte es nicht, sich zu bewegen.
Aber nein – ich hatte doch selbst gesehen, daß mit Silbermünzen für sie bezahlt worden war.
Ein Irrtum war ausgeschlossen.