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Sie wiederholte das Klopfen im gleichen Rhythmus.

Sie ging barfuß. In der Hand hatte sie ein kleines Stück gelbe Seide zusammengeknüllt – die Uniform, die sie in Pembes Taverne angehabt hatte.

Sie sah nicht übel aus. Ihr dunkelbraunes Haar fiel schulterlang herab.

Schon gestern abend im Goldenen Kailiauk hatte ich festgestellt, daß sie mit einem barbarischen Akzent sprach. Irgendein Unterton hatte mich zu der Auffassung gebracht, daß sie die englische Sprache beherrschen mochte.

Ich bezweifelte nicht, daß sie mit dem Mann zusammenarbeitete, der sich Kungumi nannte. Sie hatte die Haltung des blonden Mädchens unter der Aba genau nachgeahmt. Sie hatte sich zwar als unschuldig ausgegeben, doch hatten Gesicht und Körper sie Lügen gestraft. Kipofu hatte mir offenbart, daß sie nicht Pembe gehörte, dem Besitzer des Goldenen Kailiauk. Zweifellos hatte sie gegen eine Gebühr in seinem Lokal bedienen dürfen – wenn sie Sklavin war, mochte dieser Betrag von ihrem Herrn aufgebracht worden sein. Manchmal treffen Herren solche Dispositionen für ihre Mädchen. Es ist billiger, als für sie Unterkunft in irgendeinem öffentlichen Gehege zu mieten. Pembe würde an solchem Vorgehen nichts Ungewöhnliches finden.

Ich hielt mich im Schatten. In der Tür öffnete sich ein kleines Fenster und wurde wieder geschlossen. Gleich darauf ging die Tür auf.

Im Licht machte ich kurz das vernarbte Gesicht und den krummen Rücken aus – es war der Mann, der sich Kungumi nannte. Er blickte links und rechts, sah mich aber nicht, da ich in der Deckung der Schatten verharrte. Das Mädchen schob sich an ihm vorbei, und er schloß die Tür wieder.

Ich blickte mich um und überquerte sodann die schmale Straße. Die verschlossenen Fenster unterzog ich einer genauen Prüfung. Zwischen den Brettern schimmerten Lichtstreifen.

Drinnen, unweit der Tür, standen das Mädchen und der Mann. Der Vorraum war schlecht beleuchtet.

»Ist er schon da?« fragte das Mädchen.

»Ja«, antwortete der Mann, »er wartet drinnen.«

»Gut«, sagte sie.

»Wir wollen nur hoffen«, fuhr der Mann fort, »daß du heute abend erfolgreicher bist als gestern.«

»Wenn sie nichts weiß, kann ich aus ihr auch nichts herausholen«, fauchte das Mädchen.

»Das stimmt.«

Das Mädchen strich die Vergnügungsseide glatt, die sie in der Hand hielt, und hängte sie in einem offenen Schrank an einen Haken. »Ein widerliches Gewand«, sagte sie. »Da kann man ja genausogut nackt herumlaufen.«

»Ein hübsches Kleidungsstück«, widersprach der Mann, »mit dem übrigen aber bin ich deiner Meinung.«

Sie blickte ihn zornig an.

»Haben heute viele nach dir gefragt?« wollte er wissen.

»Niemand«, sagte sie aufgebracht.

»Das ist interessant.«

»Warum findest du das interessant?« fragte sie mürrisch.

»Ich weiß nicht«, sagte er. »Es will mir nur scheinen, daß sich die Männer für dein Gesicht und deinen Körper interessieren sollten, es aber irgendwie nicht tun.«

»Ich kann sehr anziehend sein, wenn ich will«, sagte sie.

»Das bezweifle ich! Frauen wie du haben doch keine Ahnung, was den Mann wirklich anzieht. Für dich ist das doch nur Schauspielerei, etwas Äußerliches. So etwas durchschaut ein richtiger Mann sofort. Du verwechselst Vorspiegelung mit der Wahrheit, das Künstliche und Nachgeahmte mit der Realität. Du meinst, du könntest reizvoll sein, entscheidest dich aber, es nicht zu sein. So wie du die Dinge siehst, liegt darin ein Wahn. Du tröstest dich mit Lügen und bist somit in der Lage, die wirklich reizvollen Frauen zu verachten und kleinzumachen, aus der Annahme heraus, daß sie nur schauspielern, so wie du es tun würdest. Der Quell der Reize einer Frau liegen in ihr selbst. Sie sind etwas Innerliches. Es kommt aus dem tiefsten Ich. Sie kann nicht anders.«

»Wie die Sleen da im anderen Zimmer?« fragte die Frau.

»Sie hat die Peitsche gespürt und weiß, was männliche Vorherrschaft bedeutet«, sagte er. »Kannst du das von dir auch behaupten?«

»Nein«, sagte sie.

»Ich habe mir die Freiheit genommen, unsere hübsche Gefangene vor deinem Eintreffen ein wenig zu streicheln«, sagte er. »Sie ist recht gefügig.«

»Ich hasse diese Sorte von Frauen«, sagte das Mädchen. »Sie ist schwach, sie ist eine Sklavin, was ich nicht bin.«

Ich sah den Mann lächeln.

»Wenn sie überhaupt etwas weiß«, sagte das Mädchen, »bekomme ich es heute abend aus ihr heraus.«

»Zweifellos«, sagte er.

Zu meiner Überraschung zog das Mädchen daraufhin einen kleinen Schlüssel aus ihrer Tunika.

»Kann ich dir helfen?« fragte er.

»Nein, danke«, sagte sie boshaft. Dann hob sie die Arme, steckte den Schlüssel hinten am Nacken in ihren Sklavenkragen. Durch die Bewegung wurden die Rundungen ihrer lieblichen Brüste angehoben, wie auch der untere Saum ihrer Tunika. Wie ich schon bemerkt hatte, waren ihre Beine hübsch anzuschauen. »Du brauchst mich dabei nicht anzustarren«, sagte sie.

»Verzeih mir!« sagte der Mann und wandte sich ab. Dabei lächelte er. Er begann unter seiner Tunika Schnallen zu öffnen.

Sie nahm den Kragen ab und stellte ihn auf einem Brett im Wandschrank ab. »Ein Kragen!« sagte sie dabei. »Wie barbarisch ist es doch, Frauen in Metallkragen zu stecken!« Sie erschauderte.

Zu meiner Überraschung sah ich, wie der Mann, der Kungumi genannt wurde, unter seiner Tunika einen zusammengeballten Stoffballen hervorholte, an dem einige Schnüre baumelten. Er war nicht groß, doch stand er jetzt schlank und aufrecht da. Mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand schälte er sich einen gezackten braunen Streifen Paste von der linken Wange und entfernte damit, was ich für seine Narbe gehalten hatte. Ich mußte an Kipofus Worte denken: ›Er ist bucklig und auch wieder nicht. Sein Gesicht ist vernarbt und dann auch wieder nicht. Sein Bein ist verkrüppelt und dann auch wieder nicht.‹ Trotzdem wußte ich nicht, wer dieser Mann sein mochte. ›Gib die Suche nach ihm auf!‹ hatte Kipofu mich gewarnt. ›Vergiß ihn! Flieh!‹

»Wie lange soll die Farce meines vorgetäuschten Dienstes im Goldenen Kailiauk noch weitergehen?« fragte das Mädchen.

»Heute abend hast du zum letzten Mal den Dienst dort vorgetäuscht«, antwortete der Mann.

»Ausgezeichnet!« meinte sie.

Er lächelte nur.

»Wenn du mich jetzt entschuldigst«, sagte sie abweisend, »möchte ich mir etwas anziehen, das sich für eine Frau besser eignet als diese Tunika.«

»Sind auf deiner früheren Welt alle Frauen so wie du?« fragte der Mann.

»Nicht genug.«

»Wie ich die Männer einer solchen Welt bemitleide!«

»Was meinst du damit – ›meine frühere Welt‹?« wollte sie wissen. »Es ist noch immer meine Welt.«

Der Hauch eines Lächelns spielte um die Mundwinkel des Mannes, der Kungumi genannt worden war. Gleich darauf verließ er den Vorraum, dessen Tür er hinter sich verschloß, und die Frau griff in den Schrank, in dem diverse Kleidungsstücke hingen.

Von meiner Position aus vermochte ich nicht in den anderen Raum zu schauen, der auf den ersten Blick auch keine Fenster hatte. Ich trat auf die dunkle Straße hinaus und erblickte aus einigen Fuß Entfernung ein niedriges, schräges Dach. Die meisten Gebäude in Schendi besitzen auf den Dächern hölzerne Entlüftungsschächte, die sich öffnen und schließen lassen. Oft stehen die Schächte offen, damit die heiße Luft aus den Räumen aufsteigen und entweichen kann. Zu schließen sind sie vom Boden aus durch eine Stange, falls es regnet oder die Insekten zu schwärmen beginnen.

Innerhalb von Sekunden schwang ich mich auf das Dach des Hauses, in dem die Frau und der Mann sich unterhalten hatten. Wie erwartet befand sich über dem Hauptraum ein Entlüftungsgrill. Ich vermochte etwa fünfzehn Fuß tief in das Zimmer hinabzuschauen. Leider war nicht das ganze Zimmer zu übersehen, so konnte ich vor allem die Gestalt nicht erkennen, die ich nach den Worten und Blicken des Mannes und der Frau am Ende des Raums hinter einem kleinen Tisch sitzend vermuten mußte. Von Zeit zu Zeit bekam ich die Bewegung seiner Hände mit, die lang und dunkelhäutig waren und zierliche Finger besaßen.