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Sehen konnte ich jedoch den Mann, der sich Kungumi nannte, und die Frau, die die braune Sklaventunika getragen hatte. Außerdem hatte ich freien Ausblick auf die blonde Barbarin, die nackt und gefesselt auf einer dunklen Decke kniete. Noch immer waren ihr die Augen verbunden.

»Tut mir leid, daß ich zu spät komme!« sagte das Mädchen, das sich umgezogen hatte. »Pembe hat mich länger dortbehalten, als mir recht war. Ich mußte zuerst noch einen betrunkenen Ruderer zu Ende bedienen.«

»Welche Opfer wir doch bringen müssen, um unsere heilige Mission zu erfüllen!« sagte der Mann, der Kungumi genannt wurde.

Aufgebracht blickte das Mädchen ihn an. Interessanterweise trug sie jetzt enge schwarze Hosen und ein zugeknüpftes schwarzes Oberteil. Es war zu erkennen, daß ihre Unterkleidung von der Erde stammte. Diese Aufmachung, ergänzt durch Holzschuhe, paßte recht wenig zu der Umgebung.

Es hielten sich noch zwei weitere Männer im Zimmer auf, und ich betrachtete sie mit Erstaunen. Es waren großgewachsene Burschen, kräftig und hager, gehüllt in Felle, geschmückt mit goldenen Armreifen und langen Federn. Bewaffnet waren sie mit hohen ovalen Schilden und langen Stoßspeeren mit kurzen Klingen. Ich war davon überzeugt, daß diese Männer nicht aus Schendi stammten. Sie kamen bestimmt aus dem Landesinneren.

»Fangt an!« verlangte der unsichtbare Mann auf Goreanisch.

Das Mädchen in der Erdenkleidung wandte sich zu der gefesselten Sklavin um. Mit einer Sklavenpeitsche berührte sie die Gefangene am Arm.

»Weißt du, was das ist?« fragte sie auf Englisch.

»Eine Sklavenpeitsche, Herrin«, antwortete das Mädchen in derselben Sprache. Soweit ich mitbekam, waren die beiden die einzigen im Raum, die Englisch verstanden. Das Mädchen in der engen Hose übersetzte allerdings hier und dort einen Satz von dem, was die Blonde sagte.

»Sprich!« forderte das Mädchen in der schwarzen Hose.

»Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß«, sagte die blonde Barbarin weinend. »Bitte schlagen Sie mich nicht mehr!«

»Sprich!« forderte das andere Mädchen.

»Ich heiße Janice Prentiss«, sagte die Sklavin.

»Das war einmal dein Name!« berichtigte sie das Mädchen mit der Peitsche. »Aber sprich mir von wichtigeren Dingen, vom Ring und von den Papieren!«

»Ja, Herrin!« weinte das Mädchen.

»Den Ring und die Papiere, irgendwelche Dokumente«, sagte die Gefangene, »erhielt ich in Cos von einem Mann, der Belisarius heißt. Ich buchte meine Fahrt an Bord der Telnus-Blüte, eines Schiffes aus Cos. Auf hoher See gerieten wir an Piraten, die vermutlich aus Port Kar kamen. Man enterte uns. Es kam zu einem kurzen, aber heftigen Kampf. Unser Schiff wurde erobert. Ich wurde zusammen mit anderen Frauen in ein Netz gesteckt und an Bord eines Piratenschiffes gebracht. Dort wurden wir entkleidet und in Ketten gelegt. Anschließend brachte man uns nach unten und machte uns an Ringen fest. Später wurde ich in Port Kar verkauft, und zwar an den Kaufmann Ulafi aus Schendi. Er brachte mich als Sklavin in diesen Hafen.«

Das Mädchen in der schwarzen Hose schlug zweimal mit der Peitsche zu.

»Der Ring! Die Papiere!« fauchte sie die Schluchzende an.

»Ich wurde gefangen«, ächzte das Mädchen, »ich wurde auf ein anderes Schiff gebracht und in einen dunklen Laderaum gesteckt. Ich weiß nichts!«

»Wie hieß das Schiff, das die Telnus-Blüte überfiel?« fragte das Mädchen in Schwarz. »Wie hieß der Kapitän?«

»Das weiß ich nicht!« klagte die Blonde. »Ich weiß nicht einmal, in welchem Markt ich verkauft wurde.«

»Es war die Sleen von Port Kar«, sagte Kungumi, »unter dem Kommando des Schurken Bejar aus demselben Hafen.«

Ich mußte lächeln. Meiner Ansicht nach war Bejar einer der anständigsten und verantwortungsvollsten Kapitäne von Port Kar.

»Wir wissen das von Uchafu, dem Sklavenhändler, der zuvor mit Ulafi gesprochen hatte«, fuhr der Mann fort.

»Ulafi hätten wir anwerben sollen«, sagte das dunkelhaarige Mädchen. »Für Gold tut der alles.«

»Außer gegen seine Ehrvorstellungen als Kaufmann anzugehen«, sagte Kungumi.

Das zu hören, freute mich, denn ich mochte Ulafi sehr gern. Anscheinend hielt man ihn nicht für einen geeigneten Kandidaten, gestohlene Kreditbriefe auf Verdacht zu erwerben, um sie dann später an den rechtmäßigen Eigentümer weiterzuverkaufen. Sicher gab es viele Kaufleute, die nicht so kleinlich gewesen wären. Solche Umtriebe förderten natürlich das Interesse von Dieben, Kreditbriefe und andere Wertanweisungen zu stehlen. Aus diesem Grund stand der Ehrenkodex der Kaufleute dagegen. Es galt die Vorschrift, solche Dokumente bei Verlust für ungültig zu erklären und neu auszustellen.

»Schicken wir doch ein Schiff nach Port Kar!« sagte das dunkelhaarige Mädchen. »Es soll Bejar den Ring und die Papiere abkaufen.«

»Sei keine Närrin!« antwortete der Mann, der Kungumi genannt wurde. »Bejar hat sich des Rings bestimmt längst entledigt, der keine Bedeutung für ihn haben dürfte, und die Papiere sofort verkauft.«

»Vielleicht würde er alles einem Agenten übergeben, der nach Schendi kommen und die Werte an Shaba verkaufen soll«, äußerte das Mädchen.

»Er würde alles verkaufen«, sagte der Mann. »Bestimmt wäre er auf sicheren Gewinn aus. Ein Agent könnte ihn verraten. Außerdem könnte ein solcher Abgesandter in Schendi nicht mit Gold, sondern mit Stahl abgefunden werden.«

»Dann sind wir verloren«, sagte das Mädchen.

»Den echten Ring aber haben wir noch immer«, sagte der Mann. »Belisarius aus Cos wird, wenn er von dem Geschick der Telnus-Blüte erfährt, zweifellos seine Vorgesetzten verständigen, die dann etwas unternehmen werden. Vielleicht wird ein neuer falscher Ring hergestellt, vielleicht werden neue Dokumente ausgestellt.«

»Wenn er davon erfährt«, sagte das Mädchen.

»Das könnte Monate dauern«, räumte der Mann ein. Dann wandte er sich zu der Gestalt hinter dem niedrigen Tisch um, die ich nicht zu erkennen vermochte. »Du könntest den Ring zu Belisarius nach Cos bringen«, fuhr er fort.

»Ich bin doch kein Dummkopf!« sagte dieser. »Zuerst müssen die Kreditbriefe und Unterlagen nach Schendi kommen.«

»Wie du meinst«, sagte der Mann, der Kungumi genannt wurde, und fuhr erschaudernd fort: »Aber vielleicht kommen sie den Ring holen.«

»Sie?« fragte der Mann hinter dem Tisch.

»Ich habe sagen hören, daß sie den Menschen nicht gleichen«, meinte Kungumi.

»Ich habe keine Angst vor ihnen«, sagte der Mann hinter dem Tisch.

»Gib mir den Ring!« forderte der Mann, der Kungumi genannt wurde. »Ich bewahre ihn sicher auf.«

»Ich bin kein Dummkopf«, wiederholte der andere. »Bring mir die Dokumente!«

»Was ist mit ihr?« fragte das schwarzgekleidete Mädchen und deutete mit der Peitsche auf die blonde Sklavin.

»Ich glaube, sie hat uns alles gesagt, was sie weiß«, meinte Kungumi.

»Was fangen wir nun mit ihr an?« fragte das Mädchen mit der Peitsche.

Kungumi blickte auf die bedrückt dasitzende Sklavin nieder. »Sie ist hübsch«, sagte er nachdenklich. »Lassen wir sie am Leben!«

Er gab den beiden Männern aus dem Binnenland ein Zeichen und sagte etwas zu ihnen. Die Sprache, die er verwendete, konnte ich nicht verstehen. Die beiden ergriffen die Blonde und fesselten sie für den Transport.

Ich hatte genug gesehen. Vorsichtig entfernte ich mich von dem Gitter, glitt über das Dach und ließ mich auf ein niedrigeres Dach hinab und von dort auf die Straße.

Ich fuhr herum.

Die beiden scharfen Speere der schwarzhäutigen Männer waren auf mein Gesicht gerichtet. Sie waren durch die Vordertür ins Freie geeilt, um mich in Empfang zu nehmen.

Wieder ging die Tür auf, und im Licht erblickte ich das Gesicht des Mannes, den man Kungumi nannte. »Tritt ein!« sagte er. »Wir haben dich erwartet.«