Wir neigten voreinander die Köpfe.
»Ist ›E.‹ eine Initiale oder ein Name?« fragte ich.
»Eine Initiale«, antwortete sie, »die Abkürzung für Evelyn. Dieser Name gefällt mir aber nicht. Er ist zu weiblich. Nenn mich ›E.‹!«
»Ich werde dich Evelyn nennen«, sagte ich.
»Das steht dir natürlich frei«, erwiderte sie.
»Ich sehe, du weißt, wie man eine Frau behandelt«, sagte Shaba. »Du zwingst ihr deinen Willen auf.«
»Ist Evelyn Ellis dein richtiger Name?« fragte ich lächelnd.
»Ja«, antwortete sie. »Warum lächelst du?«
»Ach, nichts!« sagte ich.
Msaliti und Shaba lächelten ebenfalls. Es amüsierte mich zu sehen, daß sich das Mädchen einbildete, einen Namen zu haben.
»Ich bewundere die Klarsicht der Kur-Anwerber«, sagte ich. »Offensichtlich bist du hochintelligent und sehr schön.«
»Vielen Dank«, antwortete sie.
»Sie ist bestens ausgebildet worden«, sagte Msaliti.
»Ich bin nicht nur gut ausgebildet«, sagte sie, »sondern sogar sehr gründlich. Nichts wurde dem Zufall überlassen. Die unwichtigsten Einzelheiten wurden berücksichtigt. Damit ich meine Rolle noch wirksamer spielen kann, habe ich es sogar zugelassen, daß mein Körper gebrandmarkt wurde.«
»Ja, ich erinnere mich«, sagte ich. Ich hatte sie im Goldenen Kailiauk in Vergnügungsseide gesehen.
Sie warf mir einen aufgebrachten Blick zu.
»Meine Ehrfurcht vor der Klugheit und Gründlichkeit der Kurii in der Organisation ihrer Spionagegruppen kennt keine Grenzen«, fuhr ich fort. »Ich muß zugeben, daß meine Bewunderung für die Ergebnisse ihrer Schulung, so auch in diesem Fall, jedes Maß übersteigt.«
Geschmeichelt errötete sie.
Ich leerte meinen Kelch.
»Ich hätte gern noch weitere Beweise deines Könnens gesehen«, fuhr ich fort. »Ich habe keinen Paga mehr.«
Sie griff nach der Flasche.
»Nein«, sagte ich. »Hat man dich nicht gelehrt, Paga wie eine Paga-Sklavin zu servieren?«
»Natürlich.«
»Dann zeig’s mir.«
»Schön«, sagte sie und wollte meinen Kelch ergreifen.
»Für eine Paga-Sklavin bist du aber seltsam gekleidet«, sagte ich und deutete auf ihre Holzsandalen, die enge Hose und die zugeknöpfte Bluse.
»Soll ich Vergnügungsseide anlegen?« fragte sie eisig.
»Nein«, erwiderte ich. »In vielen goreanischen Tavernen bedienen die Paga-Sklavinnen nackt.«
»Ja«, sagte sie gedehnt.
»Ich hätte gern gesehen, wie gut man dich ausgebildet hat«, fuhr ich fort.
»Na schön«, sagte sie zornig, aber doch in ihrer Eitelkeit herausgefordert.
Sie zog die Füße aus den Holzpantoffeln. Sie streifte die schwarze Hose herunter und zog das schwarze Oberteil aus. Gleich darauf hatte sie auch Höschen und Büstenhalter abgelegt. Sie war wütend, doch spürte man deutlich, daß die Szene sie erregte. Nackt stand sie vor bekleideten Männern. Dies kann für eine Frau sehr anregend sein. Unter solchen Umständen fällt es ihr schwer, sie nicht als ihre Herren zu sehen und sich selbst als Sklavin. Ich betrachtete die Sklavin, die sich unbewußt auf die Unterlippe biß. Sie bot einen lieblichen Anblick.
»Moment noch«, sagte Msaliti, »es fehlt eine Kleinigkeit, um die Wirkung zu vervollständigen!«
»Natürlich«, sagte Shaba.
Er verließ den Raum und kehrte gleich darauf mit dem Sklavenkragen zurück. »Oh!« seufzte sie, als er ihr das Metall von hinten um den Hals legte und zuschnappen ließ. Mir fiel auf, daß er den Schlüssel in die Tasche steckte. Ich nahm nicht an, daß das Mädchen den Kragen so schnell wieder loswerden würde.
Msaliti kehrt zu uns an den Tisch zurück.
Das Mädchen stand mit hochmütig erhobenem Kopf vor uns. »Gefalle ich meinen Herren?« fragte sie lächelnd.
»Servier uns Paga, Sklavin!« befahl Msaliti.
Sie erstarrte und lächelte verkrampft. »Ja, Herr!« sagte sie.
Ich lächelte ebenfalls. Sie bildete sich sichtlich ein, eine Rolle zu spielen. Wußte sie nicht, daß sie wirklich gebrandmarkt und dadurch wahrhaftig zur Sklavin gemacht worden war? Ich spürte, daß ihr Sklavendasein, das bis jetzt noch nicht wirksam gewesen war, bald wahrhaftig beginnen sollte. Es hatte sogar schon begonnen – nur wußte sie das noch nicht. Sie hielt sich für eine freie Frau, die uns als Sklavin bediente. Sie wußte nicht, daß sie längst wirklich Sklavin war, die sich amüsanterweise für frei hielt. Ein hübscher Spaß auf Kosten des Mädchens!
»Paga, Herr?« fragte sie und kniete vor mir nieder, den Kelch hoch erhoben.
»Ja«, sagte ich.
Das Mädchen erbebte unter meinem Blick und nahm sich dann zusammen. Anschließend bediente sie Msaliti und Shaba. Ich beobachtete sie. Vermutlich würde sie in einer Paga-Taverne überleben können, auch wenn der Vorwand des Rollenspiels wegfiel, der sie während ihrer Zeit in Pembes Taverne, im Goldenen Kailiauk, motiviert hatte. Anfangs würde sie zweifellos oft Prügel beziehen, weil sie sich so ungeschickt anstellte.
Als das Mädchen Shaba bedient hatte, richtete sie sich auf und kam um den Tisch, wo ihr Kelch stand.
Sie griff danach, doch Msaliti schob das Getränk außer Reichweite. Sie blickte ihn verwirrt an.
»Trinkt eine Paga-Sklavin am Tisch ihrer Herren?« fragte er.
»Natürlich nicht«, antwortete sie und lachte.
»Für so etwas könntest du die Peitsche zu spüren bekommen«, fuhr Msaliti fort.
»Trotzdem bin ich gut ausgebildet worden«, sagte sie.
»Niemand hat dir das Sprechen gestattet«, sagte Msaliti.
Sie musterte ihn ratlos.
»Es ist beinahe Zeit, daß du in Pembes Taverne zurückkehrst, meine Liebe!« fuhr Msaliti fort.
»Nein!« rief sie. »Du hast doch gesagt, heute abend hätte ich zum letzten Mal dort meinen falschen Dienst versehen.«
»Stimmt!« gab er zurück. »Zugleich ist es der erste Abend, an dem du dort richtig bedienen wirst.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte sie.
Zornig stand sie auf und wollte den kleinen Vorraum aufsuchen. Aber die beiden Askaris stellten sich ihr in den Weg. Sie fuhr zu uns herum. »Ich möchte gern den Schlüssel haben«, sagte sie zornig, »damit ich diesen – Kragen abnehmen kann!«
»Ich habe den Schlüssel hier«, sagte Msaliti und hob ihn in die Höhe.
»Oh!« rief sie. Dann kam sie auf uns zu.
»Du darfst dich nicht ohne Erlaubnis nähern«, sagte Msaliti.
Etwa fünf Fuß vom Tisch entfernt blieb sie stehen.
»Knie nieder!«
»Ich verstehe nicht, was das soll!«
»Knie nieder!« Ich registrierte, daß er seinen Befehl wiederholt hatte – etwas, das ein Sklavenherr sehr selten tut.
Sie gehorchte. »Ich verstehe das nicht«, wiederholte sie.
Ich nahm nicht an, daß es ihr an Intelligenz fehlte. Ihr irdischer Verstand konnte lediglich nicht begreifen, daß künftig gewisse neue Beurteilungsmaßstäbe für sie gelten sollten.
»Gib mir den Schlüssel!« forderte sie.
»Wessen Kragen trägst du?« fragte Msaliti.
»Natürlich den Pembes«, erwiderte sie.
»Und was willst du damit tun?«
»Na, ihn abnehmen!«
»Es ist aber Pembes Kragen – es läge also an ihm zu entscheiden, ob er abgenommen wird oder nicht.«
»Was soll das heißen?«
»Sind alle Frauen deiner früheren Heimat so begriffsstutzig wie du?« fragte er.
»Was meinst du damit – ›meine frühere Heimat‹?«
»Genau das, was die Worte ausdrücken«, antwortete Msaliti, »die Heimat, die dir früher einmal gehört hat. Du dürftest inzwischen begriffen haben, daß Gor jetzt deine Heimat ist.«
»Nein!« schrie sie.
»Du bist eine goreanische Sklavin«, sagte er betont.
»Nein! Nein!« rief sie, sprang auf und eilte zur Tür. Die beiden Askaris packten sie jedoch und zwangen sie vor uns in die Knie.
»Ich bin keine Sklavin!« protestierte sie.
»O doch!« gab Msaliti zurück. »Du wurdest zur Sklavin, als das Brandzeichen deine Haut markierte, nur wußtest du es bisher nicht.«
»Nein! Nein!« wiederholte sie immer wieder. »Ich habe euch doch gut gedient!«
»Ja«, sagte Msaliti, »aber jetzt wirst du nicht mehr gebraucht.«