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Es dauerte nicht mehr lange, da hatten wir das unterste Kellergeschoß erreicht, eine Ebene schärfster Sicherheit für die Gefangenen. An den Mauern rieselte Wasser herunter. Hier und dort blinkten Pfützen zwischen den Bodenplatten. Eine Urt verschwand in einer Maueröffnung.

Samos blieb vor einer dicken Eisentür stehen; ein schmaler Fensterschlitz wurde geöffnet, und Samos äußerte die Losung dieses Abends und erhielt die passende Antwort. Die Tür öffnete sich. Zwei Wächter standen dahinter.

Vor der achten Zelle links blieben wir stehen. Samos gab den beiden Männern ein Zeichen. Sie traten vor. Neben der Tür lagen Seile und Haken und etliche Fleischstücke.

»Du darfst drinnen nicht sprechen«, forderte Samos mich auf und reichte mir eine Haube mit Augenlöchern.

»Kennt die oder der Gefangene dieses Haus oder seine Angehörigen?«

»Nein«, entgegnete Samos.

Ich setzte die Kapuze auf, und auch Samos verhüllte sein Gesicht. Die beiden Wächter machten sich gleichfalls unkenntlich. Dann öffneten sie den Beobachtungsschlitz in der Tür, warfen einen Blick hinein und ließen die Tür aufschwingen. Die Türfüllung bewegte sich nach innen. Ich wartete neben Samos. Die beiden Wächter griffen nun nach Ketten, die oberhalb der Tür befestigt waren, und senkten einen schweren Holzsteig auf das Wasser. Der ganze große Raum schien eine einzige Wasserfläche zu sein, die sich in Schwellenhöhe erstreckte. Der Holzsteig schwamm, von den Ketten festgehalten, auf dem Wasser. An den Seiten war der Gang durch einen sechs Zoll hohen Rand abgesichert. Ich hörte es leise gegen das Metall kratzen, ich glaubte unmerkliche Bewegungen am Metall festzustellen, als stießen zahlreiche winzige Körper dagegen.

Samos blieb in der Nähe der Tür stehen und hob eine Fackel. Die beiden Wächter traten auf den Steig hinaus, der etwa zwanzig Fuß lang war. Die überflutete Zelle war rund und besaß einen Durchmesser von ungefähr fünfundvierzig Fuß. In der Mitte der Zelle ragte ein metalleingefaßter Mast etwa vier Fuß hoch aus dem Wasser. Dieser Pfeiler stützte eine kleine runde Plattform, die ebenfalls mit Metall bedeckt war, etwa zehn Zoll breit, ungefähr acht Zoll über dem Wasser.

Einer der Wächter stieß einen langen Holzpfahl ins Wasser, das demnach etwa acht Fuß tief sein mußte. Daraufhin befestigte der andere Mann ein schweres Fleischstück an einem der Haken, an dem ein Seil befestigt war, hielt das Fleisch ein Stück von der Plattform weg und tauchte es ins Wasser. Beinahe sofort geriet das Wasser in der Nähe des Fleisches ins Schäumen. Ich spürte, wie mir Feuchtigkeit an die Beine spritzte, obwohl ich ein gutes Stück entfernt stand. Schon zog der Wächter den Haken wieder aus dem Wasser. Das Fleisch war verschwunden. Winzige Tharlarion, ähnlich den Exemplaren, die in dem Sumpfwäldern südlich Ars gefunden wurden, fielen zuschnappend von dem blanken Haken. Solche Tharlarion, zu Tausenden angreifend, vermögen einem Ehn in kürzester Zeit das Fleisch von den Knochen zu reißen.

Das Mädchen auf der Plattform, das sich nackt an den Pfosten klammerte und einen Metallkragen um den Hals trug, warf den Kopf in den Nacken und schrie jämmerlich auf.

Die beiden Wächter zogen sich zurück. Kapuzenbewehrt trat Samos nun auf den Holzsteig hinaus, der von den Ketten gestützt wurde. Ich folgte ihm. Er hob die Fackel.

Die Gefangene, wenige Zoll über den tödlichen Tharlarion hockend, blickte uns bedrückt entgegen. Hilflos klammerte sie sich an dem Pfosten fest. »Bitte, bitte, bitte!« murmelte sie immer wieder.

Sie sprach Englisch.

Wie Samos’ anderes Erdenmädchen, Linda, hatte sie blaue Augen und blondes Haar. Sie war ein wenig schlanker als Linda. Sie hatte hübsche Fesseln, an denen sich ein Beinring gut machen würde. Ich bemerkte, daß sie noch kein Brandzeichen trug.

Samos gab mir das Signal zum Rückzug. Ich machte kehrt und verließ den Holzsteig vor ihm. Hinter uns zogen die Wächter den Holzgang wieder hoch, sicherten ihn, knallten die Tür zu und schlossen den Beobachtungsschlitz. Das Schloß rastete ein.

Draußen steckte Samos die Fackel wieder in den Ring. Wir nahmen die Kapuzen ab. Ich folgte Samos schließlich aus den unteren Ebenen des Hauses zurück in seinen Saal.

»Ich verstehe nicht, was das alles soll, Samos!« sagte ich.

»Hier spielen sich tiefgreifende Dinge ab, die nicht nur dir große Sorgen bereiten, sondern auch mir«, sagte Samos.

»Warum hast du mir das Mädchen in der Zelle gezeigt?« wollte ich wissen.

»Was hältst du von ihr?« fragte Samos.

»Ich würde sie auf einem viertklassigen Markt mit etwa fünf Kupfertarsk einschätzen, vielleicht sogar als ein Mädchen, das nur für einen Gruppenverkauf in Frage kommt. Sie ist schön, aber nichts Überragendes. Offensichtlich ist sie ahnungslos und nicht ausgebildet. Sie hat allerdings hübsche Fesseln.«

»Sie spricht die Erdensprache Englisch, nicht wahr?« fragte Samos.

»Offenkundig. Soll ich sie für dich verhören?«

»Nein.«

»Versteht sie das Goreanische überhaupt?« fragte ich.

»Nur wenige Worte.«

»Dann scheint mir die Sache ziemlich klar auf der Hand zu liegen«, meinte ich.

»Erklär mir deine Gedanken!« forderte Samos mich auf.

»Sie ist ein einfaches Mädchen, das von Sklavenhändlern der Kurii nach Gor gebracht wurde.«

»Ach?«

»Ja, den Eindruck habe ich. Als Kur-Agenten ausgebildete Frauen verstehen normalerweise sehr gut Goreanisch.«

»Sie ist deiner Meinung nach aber nicht so hübsch wie die Durchschnittssklavin, die von der Erde importiert wird?« erkundigte sich Samos.

»Das ist sicher subjektiv. Ich habe aber eine hohe Meinung von dem Geschmack der Kur-Sklavenhändler«, sagte ich. »Sie vermögen in jeder Frau die Sklavin zu erkennen. Meines Wissens haben sie sich bisher noch nie geirrt.«

»Selbst die weiblichen Kur-Agenten scheinen gleich im Hinblick auf ihr Potential als Sklavinnen ausgewählt worden zu sein, denk nur an Pepita, Elicia und Arlene.«

»Zweifellos sollten sie irgendwann einmal männlichen Kur-Agenten zum Geschenk gemacht werden«, meinte ich.

»Jetzt gehören sie uns«, sagte Samos. »Was ist mit der Sklavin Vella?« fragte er nach kurzem Zögern.

»Für mich war sie genaugenommen nie eine Agentin der Kurii«, antwortete ich.

»Sie hat die Priesterkönige verraten«, meinte er, »und in der Tahari den Kurii gedient.«

»Richtig«, sagte ich.

»Gib sie mir!« sagte Samos.

»Sie gehört mir«, erwiderte ich. »Wenn sie gestraft werden muß, werde ich das tun.«

»Wie du willst.«

»Übrigens meine ich«, fuhr ich fort, »daß das Mädchen unten in der Tharlarionzelle zu nichts anderem bestimmt war, als einem goreanischen Herrn als Sklavin zu dienen. Allerdings trägt sie noch kein Brandzeichen – also dürfte sie von den Kurii noch gar nicht an einen Goreaner verkauft worden sein.«

»Das ist klug überlegt«, sagte Samos.

»Wie ist sie in deine Gewalt geraten?«

»Rein zufällig«, antwortete Samos. »Kennst du Kapitän Bejar?«

»Natürlich«, antwortete ich. »Er gehört dem Rat an. Am 25. Se’Kara war er bei uns.« Dies war das Datum einer großen Seeschlacht, die im ersten Jahr der Herrschaft des Kapitänsrates von Port Kar stattfand. Nach anderer Rechnung hatte es sich um das Jahr 10 120 C.A. (Contasta Ar, also seit der Gründung Ars) gehandelt. Im Augenblick schrieben wir das Jahr 7 der Herrschaft des Kapitänsrates von Port Kar, nach Ar-Zeitrechnung also das Jahr 10 126 C.A. Bei jener historischen Seeschlacht waren die vereinigten Flotten von Cos und Tyros vor Port Kar zurückgeschlagen worden. Bejar, Samos, ich und viele andere hatten an den Kämpfen teilgenommen. Übrigens hatte sich Port Kar in jenem Jahr zum erstenmal einen Heimstein zugelegt.

»Auf hoher See brachte Bejar ein Schiff auf Cos auf«, fuhr Samos fort.

Ich spitzte die Ohren. Cos und Tyros, zwei Insel-Ubarate in unsicherer Allianz – das eine unter der Herrschaft des großäugigen Chendar, des Meeres-Sleen, das andere von dem widerlichen Lurius aus Jad gelenkt –, standen offiziell mit Port Kar im Krieg. Seit mehreren Jahren jedoch hatte es keine großen Schlachten mehr gegeben. Seit längerer Zeit hatte Cos mit Auseinandersetzungen am Vosk zu tun – dabei ging es um wirtschaftliche und politische Interessenkonflikte im Bereich des großen Flusses wie auch in den benachbarten Tälern der Nebenflüsse. Die Produkte und Märkte dieser Gegend sind ziemlich wichtig. Zwar sind die meisten Städte am Fluß kleine Freistaaten, doch können sie es sich nicht leisten, Großmächte wie Cos und dessen Hauptkonkurrenten Ar zu ignorieren. Cos und Ar stehen im Wettbewerb miteinander, die Flußstädte unter Vertrag zu nehmen, den Verkehr zu kontrollieren und den Handel und Wandel am Fluß zu ihrem Vorteil zu beeinflussen. Ar ist eine Binnenmacht und verfügt über keine Marine. Es hat sich aber eine ganze Flotte von Flußschiffen zugelegt, die sich oft mit den Cos-Schiffen anlegt, die auf Cos gebaut und über Land zum Fluß geschafft worden sind, der ein viele tausend Quadrat-Pasang umfassendes Mündungsgebiet besitzt, das allerdings wegen der starken Versumpfung mit Schiffen nicht passierbar ist.