»Ganz einfach«, erwiderte ich. »Shaba hat den Ring. Zeig mir seine Unterkunft, dann hole ich das Schmuckstück noch heute nacht.«
»Shaba weiß, daß du im Palast bist«, meinte Msaliti. »Er wird sich bestimmt in acht nehmen.«
»Dann schick einen anderen!« sagte ich.
»Nur wir beide und Shaba wissen von dem Ring«, meinte er.
»Genau.«
»Ich zeige dir heute nacht seine Gemächer«, sagte Msaliti.
»Gut.«
»Wie soll ich wissen, daß du mich anständig behandeln wirst?« fragte er. »Woher weiß ich, daß du mit dem Ring nicht einfach verschwindest?«
»Das weißt du eben nicht.«
»Oh, das ist ja wirklich ein schöner Aspekt unseres Plans!« rief er gereizt.
»Ich finde ihn ganz ordentlich«, räumte ich ein. »Wenn du die Expedition in die Gemächer Shabas gern selbst unternehmen möchtest, sei dir das freigestellt.«
»Wenn es mir nicht gelänge, wäre es mit meiner Position bei Hofe vorbei«, sagte er.
»Damit hast du sicher recht«, sagte ich. »Solltest du außerdem an Shabas Zahnring gelangen, dann wäre es nicht nur mit deiner Position aus. Die Spitze enthält Kanda, wenn ich richtig informiert bin.«
»Offenbar gibt es nur wenige vernünftige Alternativen zu deinem Plan«, stellte er fest.
»Weißt du, schließlich bin ich derjenige, der den Ring zurückbringen sollte«, sagte ich.
»Ich weiß, ich weiß.«
»Du traust mir hoffentlich«, sagte ich und spielte den Gekränkten.
»Ich traue dir so sehr wie meinem eigenen Bruder.«
»Ich wußte gar nicht, daß du einen Bruder hast«, sagte ich.
»Er hat mich betrogen«, erläuterte Msaliti. »Ich sorgte dafür, daß er in einem Fall von Staatsverrat als Schuldiger dastand, und ließ ihn wegen Verrats gegen das Ubarat hinrichten.«
»Es war ein Fehler, einem solchen Burschen zu vertrauen«, sagte ich.
»Genau«, meinte er.
»Bis heute abend!«
»Im Grunde ist es Bila Huruma, der die Zurückgewinnung des Ringes stört. Er ist Shabas Mäzen, sein Beschützer. Wenn Bila Huruma nicht mehr wäre, müßte es ein leichtes sein, Shaba zu verhaften und den Ring an sich zu bringen.«
»Das mag so sein oder nicht«, erwiderte ich. »Für mich ist aber Shaba der Mann mit dem Ring. Von ihm müssen wir das so wenig greifbare Stück zu gewinnen trachten.«
»Shaba wird den Ring nicht herausrücken wollen«, sagte Msaliti.
»Ich hoffe doch sehr, daß ich ihn dazu bringen kann«, sagte ich.
»Würdest du bitte den Dolch wieder in die Scheide stecken?« fragte er. »Das Ding macht mich nervös.«
»Schön«, sagte ich und ließ den Stahl verschwinden.
»Was hältst du von unserem Ubar?« erkundigte sich Msaliti.
»Er ist ein großer Bursche«, antwortete ich, »doch im Grunde habe ich ihn kaum richtig wahrgenommen.« In der Tat, Bila Huruma war ein sehr großer Mann gewesen, der über lange Arme verfügte. Er hatte auf einem Thron aus lackiertem schwarzen Holz gesessen, der auf überkreuzt festgebundenen Kailiaukhörnern angebracht war. Arme und Beine waren nackt gewesen, glänzend von Öl. Er hatte Arm- und Beinreifen aus Gold getragen. Seine Hüften waren von einem Fell des gelben Panthers bedeckt gewesen, dessen Zähne zugleich seinen Hals verzierten. Hinter und rings um ihn hatte ein riesiger Mantel aus gelben und roten Federn gelegen, die von bunten Vögeln des Regenwaldes stammten. Bei der Herstellung dieses Mantels waren von jedem Vogel nur zwei Brustfedern genommen worden. So dauert es zuweilen hundert Jahre, bis ein solcher Mantel fertiggestellt ist. Natürlich ist er nur für den Gebrauch durch einen Ubar bestimmt. Bila Hurumas Kopf war von einem komplizierten Schmuck gekrönt, vorwiegend aus den langen, krummen weißen Federn des Ushindi-Fischers gekrönt, eines langbeinigen Stelzvogels. Die Krone, wenn man sie so nennen wollte, glich gewissermaßen dem Kopfschmuck, den viele Askaris trugen. Bis auf die Länge der Federn und die prächtige Verzierung des Leders und der Perlenreihen, mit denen die Federn befestigt waren, hätte es auch ein Askari-Schmuck sein können. Dadurch wurde deutlich gemacht, daß er, der Ubar, Bila Huruma persönlich, einer von ihnen war, ein Askari wie seine Soldaten. Sein Gesicht war breit, die Augen standen weit auseinander. Auf den Wangen und an den Nasenwurzeln hatten sich in wirbelnden Kurven die Punkte der Tätowierungen erstreckt, die Spuren seiner Mannbarwerdung vor vielen Jahren.
»Du mußt ihn doch deutlich gesehen haben«, sagte Msaliti, »du bist ihm doch vorgestellt worden.«
»Mir sind nur Äußerlichkeiten aufgefallen«, sagte ich, »und ich erinnere mich an die sichtbaren Zeichen seines Amtes, von denen du sprachst, meine Aufmerksamkeit galt aber mehr Shaba und dir als dem Ubar. Ich sah ihn, nahm ihn aber nicht wirklich wahr.«
»Du warst abgelenkt«, sagte Msaliti.
»Ja.«
»Vielleicht ist es ganz gut, daß du ihm nicht zu tief in die Augen geschaut hast«, sagte Msaliti.
»Einen Ubar wirklich wahrzunehmen«, sagte ich, »ihm ins Herz zu schauen – das kann eine furchteinflößende Sache sein.«
»Nur einer kann auf dem Thron sitzen«, sagte er.
»Das ist ein Sprichwort aus dem Norden«, meinte ich.
»Ich weiß«, antwortete er. »Aber es ist auch östlich von Schendi bekannt.«
»Selbst östlich von Schendi ist der Thron ein einsamer Ort«, stellte ich lächelnd fest.
»Wer auf dem Thron sitzt, so heißt es, ist der einsamste aller Menschen«, sagte Msaliti.
Ich nickte. Vielleicht war es wirklich ganz gut, daß ich mir Bila Huruma nicht zu gründlich angesehen hatte. Es ist nicht immer ratsam, einem Ubar zu tief in die Augen zu schauen.
»Bis heute abend dann!« sagte Msaliti und zog sich zurück.
»Bis heute abend!« sagte ich.
19
»Warum steht hier kein Wächter?« fragte ich.
»Der ist erledigt«, antwortete Msaliti. »Sei unbesorgt!« Er deutete auf die Tür. »Tritt ein!«
»Sicher hat Shaba andere Angehörige seiner Kaste bei sich, Geographen oder Schriftgelehrte«, meinte ich.
»Tritt ein!« drängte mich Msaliti.
»Leih mir deine Lampe!« forderte ich. Er trug eine kleine flache Lampenschale, in der Tharlarionöl brannte.
»Die Askaris könnten das Licht durch die Wände ausmachen«, sagte er. »Es sind viele Soldaten unterwegs. Beeil dich!«
Ich ließ mich in den Raum gleiten. Drinnen war es pechschwarz. Ich stand mit dem Rücken zur Graswand links von der Tür.
Die Schlafplattform, so hatte man mir gesagt, befand sich ungefähr in der Mitte. Shaba, so vermutete ich, trug den Ring um den Hals. Zoll um Zoll, alle Sinne auf das äußerste angespannt, rückte ich zur Zimmermitte vor. Msaliti hatte mich persönlich vor dem Raum abgeliefert. Er war nicht in Begleitung von Askaris gewesen. Das fand ich etwas seltsam.
»Von deiner Tat dürfen möglichst wenige erfahren«, hatte er gesagt.
»Ja«, hatte ich erwidert.
Aber gewiß rechnete er doch nicht damit, daß ich ihm den Ring brachte. Ich hatte erwartet, daß er im Gefolge von Askaris erscheinen würde, die er auf mich hetzen konnte, mir den Garaus zu machen, sobald ich Shaba getötet oder den Ring in meinen Besitz gebracht hatte. Doch es war niemand zu sehen. Natürlich war es meine Hoffnung gewesen – und ein Risiko, das Msaliti wohl eingehen mußte –, daß ich mit dem Ring seinen Askaris entgehen konnte, selbst wenn das Zimmer umstellt worden war. Hätte ich den Ring besessen, wäre der Vorteil letztlich wohl doch auf meiner Seite gewesen. Es waren Chancen, die Msaliti einfach hatte annehmen müssen. Ich konnte natürlich jederzeit den Raum verlassen, indem ich mich irgendwo gewaltsam durch die Grasmauer arbeitete.
Als ich mich umblickte, bemerkte ich, wie sich Msalitis Lampe vor dem Zimmer zweimal hob und senkte.
Ich lächelte vor mich hin. Ich sah darin ein Zeichen an seine Askaris, die sich jetzt bestimmt in der Dunkelheit draußen anschlichen.
Dann hörte ich hastige Schritte. Augenblicklich duckte ich mich nieder, den Dolch blank gezogen, die Klinge in die Höhe gestreckt, die linke Hand abwehrbereit erhoben. Ich war erstaunt. Aber die Schritte näherten sich nicht mir. Ich glaubte Geräusche wahrzunehmen, die auf ein Klettern hindeuteten. Plötzlich gellte in der Dunkelheit vor mir ein schrecklicher Schmerzensschrei auf, gefolgt von einem wilden, jämmerlichen Kreischen, das in krampfartigem Husten und Keuchen endete. Fingernägel kratzten über eine hölzerne Oberfläche, ein Körper zuckte hin und her.