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»Wahrscheinlich weißt du wirklich nicht, wer letztlich für deine Dienste bezahlt«, sagte er. »Solche Leute treten doch nie offen in Erscheinung.«

»Er ist weiß«, sagte ein Mann hinter mir. »Nur die Leute in Schendi würden einen solchen Mörder beauftragen. Sie kennen die Sleen des Nordens.«

»Mag sein«, sagte Bila Huruma.

Die Schlange wurde angehoben, bis sie sich in Höhe meiner Augen befand.

»Kennst du Jambia, der mein Wächter war?« fragte Bila Huruma.

»Nein.«

»Warum wolltest du mich töten?« fragte der Ubar.

»Ich wollte dich nicht umbringen«, erwiderte ich.

»Warum bist du dann hier?« fragte er weiter.

»Ich wollte etwas Wertvolles finden«, sagte ich.

»Ah!« sagte Bila Huruma. Dann wandte er sich mit einigen schnellen Worten an einen Askari. Ich konnte nicht verstehen, was er sagte.

Bila Huruma nahm die kleine Schlange und verstaute sie sorgfältig im hängenden Korb. Dann verschloß er den Korb mit einem Deckel. Ich atmete auf.

Urplötzlich wurde mir eine schwere Goldkette um den Hals gelegt. Jemand hatte sie aus einer der Truhen genommen, die die Wände des Raumes säumten.

»Du warst Gast in meinem Haus«, sagte er. »Wenn dir der Sinn nach etwas Wertvollem stand, hättest du danach fragen sollen. Ich hätte es dir ohne weiteres gegeben.«

»Vielen Dank, Ubar!«

»Wäre ich andererseits der Meinung gewesen, du hättest nicht darum bitten sollen«, fuhr er fort, »hätte ich dich umgebracht.«

»Ich verstehe«, sagte ich.

»Aber ich mache dir gern dieses Geschenk«, fuhr er fort. »Die Kette gehört dir. Wenn du ein Mörder bist, nimm sie hin anstelle der Bezahlung, die dir ja nun entgeht. Wenn du, wie ich vermute, ein einfacher Dieb bist, soll die Kette das Zeichen meiner Bewunderung für deine Kühnheit sein. Es erfordert Mut, in das Schlafgemach eines Ubars einzudringen.«

»Ich wußte ja nicht einmal, daß dies dein Gemach ist«, sagte ich.

»Dann behalte das Stück zur Erinnerung an unsere Begegnung.«

»Sei bedankt, Ubar!« äußerte ich.

»Trage es am Kanal!« fuhr er fort. »Bringt ihn fort!«

Zwei Askaris drehten mich herum und stießen mich zur Tür. Vor der Schwelle blieb ich stehen, was die Askaris erstaunte. Meine beiden Häscher mit mir ziehend, drehte ich mich noch einmal zu Bila Huruma um.

Unsere Blicke begegneten sich.

Und zum ersten Mal schaute ich tief in die Augen Bila Hurumas.

Er saß auf seiner hohen Plattform über den anderen, eine einsame, von dem Menschen isolierte Gestalt, das Halsband aus Tigerzähnen auf der Brust, die Lampen unter sich.

Und einen Augenblick lang spürte ich, was es bedeuten mußte, Ubar zu sein. In diesem Moment sah ich ihn als das, was er wirklich war, was er sein mußte. Ich erschaute Einsamkeit, Entscheidungsfreude und Macht. In einem Ubar mußten dunkle Kräfte schlummern. Er mußte zu etwas fähig sein, das viele Menschen nicht fertigbrachten – zu tun, was getan werden mußte.

Nur einer kann auf dem Thron sitzen, so geht das Sprichwort. Und, so heißt es ferner, wer auf dem Thron sitzt, ist der einsamste aller Menschen.

Er ist es, der allen anderen Menschen fremd erscheinen muß und für den alle Menschen Fremde sein müssen.

Der Thron ist wahrlich ein einsames Reich.

Viele Menschen wünschen sich, dort zu leben, doch nur wenige wären wohl in der Lage, seine Last zu ertragen.

Stellen wir uns unsere Ubars auch weiterhin als Menschen vor, die im Grunde wie wir sind – nur vielleicht ein wenig klüger und stärker oder mehr vom Glück begünstigt. Auf diese Weise schaffen wir es vielleicht, uns unter ihnen weiter wohl zu fühlen, und uns ihnen vielleicht ein wenig überlegen zu fühlen. Aber wir dürfen ihnen nicht zu tief in die Augen schauen, denn wir könnten dort Dinge entdecken, die sie uns entfremden.

Es ist nicht immer wünschenswert, einem Ubar zu tief in die Augen zu schauen.

Die Askaris drehten mich wieder um. Mein Blick streifte über das Gesicht Msalitis.

Dann wurde ich aus der Schlafkammer Bila Hurumas geleitet. Sein Geschenk, eine goldene Halskette, wog mir schwer auf der Schulter. Ich erinnerte mich an ihn, wie ich ihn zuletzt gesehen hatte – auf der hohen Plattform sitzend, an der ein Korb voller Osts baumelte.

20

»Das ist hübsch«, sagte der Askari.

»Ja«, erwiderte ich.

Er griff danach, und ich stieß seine Hände zurück.

»Ich will’s haben«, sagte er.

»Es ist ein Geschenk Bila Hurumas«, sagte ich.

Er wich vor mir zurück. Ich nahm nicht an, daß er mich weiter belästigen würde.

»Hübsch!« stellte Ayari fest.

»Wenigstens wird es im Regen nicht rosten«, sagte ich lächelnd. Ich betrachtete die dicken goldenen Glieder der Kette, die ich über dem Halsband der Arbeitsfessel trug.

»Das ist ja nun wirklich hübsch«, wiederholte Ayari.

Wir standen dicht neben dem Schlammfloß, auf dem wir die Schaufelladungen des Aushubs verstauten. An dieser Stelle des großen Sumpfgebiets reichte uns das Wasser nur bis an die Knie. Stellenweise ragten relativ trockene Erhebungen aus den feuchten Zonen. An anderen Orten reichte uns das Wasser bis an die Brust.

Ich schaute in die Richtung, in die Ayari mit einer Kopfbewegung gedeutet hatte.

Verblüfft umklammerte ich meine Schaufel.

»Ich habe gestern von einem Askari erfahren«, erklärte er, »daß sie heute hier vorbeikommen würden. Es handelt sich um Geschenke Bila Hurumas an Tende, die Tochter des hohen Häuptlings Aibu, Führer der Ukungu-Dörfer, zwei persönliche Sklavinnen. Er hat die Absicht, Tende zu seiner Gefährtin zu erheben.«

»Diese Gefährtenschaft«, sagte einer der Männer, »wird die Verbindung der Ukungu-Dörfer zum Ubarat festigen.«

»Ich hätte nichts dagegen, solche hübschen Geschenke zu erhalten«, meinte ein anderer.

»Schade, daß Tende eine Frau ist!« meinte jemand.

Die beiden Sklavinnen befanden sich auf einem Floß, das von fünf angeketteten Sklaven durch den Sumpf gezogen wurde. Vier Askaris wateten neben dem Floß her. Die Mädchen standen; sie waren an einer Stange angekettet, die über ihren Köpfen verlief und an den Enden des Floßes von überkreuz verlaufenden Streben gehalten wurde. Beide waren barfuß.

»Ho!« rief ich und ging auf das Floß zu, soweit es die Kette um meinen Hals zuließ.

»Herr!« rief die blonde Barbarin.

Beide Mädchen waren blond, blauäugig, hellhäutig und bis zur Hüfte unbekleidet. Es war ein passendes Sklavinnenpaar, dazu bestimmt, einen hübschen Kontrast zur dunkelhäutigen Schönheit Tendes zu bilden, der Tochter Aibus, des hohen Häuptlings der Ukungu-Dörfer.

»Sasi und ich wurden schon nach kurzer Zeit gefangen!« rief die blonde Barbarin mir zu. »Wir wurden verkauft!«

»Wo ist Sasi?« fragte ich.

»Ruhe!« rief einer der Askaris in meiner Nähe und richtete den kurzen Speer auf mich.

»Sie wurde in Schendi an einen Tavernenwirt verkauft!« rief das Mädchen. »Es heißt Filimbi!«

Einer der Askaris, die das Floß begleiteten, stieg ärgerlich auf die kleine Plattform. Sofort richtete sich das Mädchen erschrocken auf und blickte geradeaus. Trotzdem versetzte er ihr zwei heftige Ohrfeigen. Blut erschien an ihrem Mundwinkel. Sie hatte ohne Erlaubnis gesprochen. Der Askari in meiner Nähe, der Aufseher über unsere Kette, schob mich mit seinem Schild zurück, und ich stürzte ins Wasser. Viermal hieb er mit dem Griff seines Stoßspeers zu, ehe ich zornig wieder auf die Beine kam. Er drohte mir mit dem scharfen Ende des Speers. Ich wandte zornig den Kopf hin und her. Andere Askaris hatten sich genähert. Ich bewegte mich nicht mehr.

Das Floß wurde langsam weitergezogen. Die blonde Barbarin wagte es nicht mehr, sich umzusehen. Sie blickte starr geradeaus und rührte sich nicht. Die andere blonde Sklavin warf mir einen kurzen Blick zu. Vermutlich war sie verwirrt, an der Gaunerkette einen Mann auszumachen, der eine Goldkette trug. Vermutlich war sie ebenfalls eine Barbarin.

»Grab weiter!« befahl der Askari, der mich geschlagen hatte.

Eigentlich war ich davon ausgegangen, daß sich Sasi der Gefangenschaft länger entziehen konnte – aber da hatte ich mich geirrt. Anscheinend waren beide beinahe sofort wieder als Sklavinnen aufgegriffen worden. Offenbar hatte man sie schon kurze Zeit später aufgegriffen, und es sah so aus, als hätte jemand gute Geschäfte mit ihnen gemacht. Beide waren sofort wieder verkauft worden – Sasi an Filimbi, einen Paga-Wirt, von dem ich schon gehört hatte, und die blonde Barbarin direkt oder indirekt an einen Agenten Bila Hurumas.