»Ja«, antwortete Msaliti.
»Bereite dich auf den Kampf vor«, sagte Kisu zu Bila Huruma.
»Unsere Auseinandersetzung ist vorbei, und du hast verloren«, sagte Bila Huruma.
»Für mich ist der Kampf aber noch nicht vorbei, solange ich noch einen Speer packen kann«, antwortete Kisu ernst.
»Hier stehen mehr als zweihundert Askaris, Kisu«, sagte ich mahnend.
»Stell dich mir zum Zweikampf, wenn du es wagst!« forderte Kisu den Ubar auf.
Ich schaltete mich ein. »Ubars«, sagte ich, »haben selten Veranlassung, sich gegen einfache Soldaten zum Duell zu stellen.«
»Ich bin aber der Mfalme von Ukungu!« sagte Kisu.
»Du wurdest abgesetzt«, sagte ich gelassen. »Bei allem Respekt, Kisu, du bist politisch nicht wichtig genug, um ein Duell mit einem Ubar wert zu sein.«
»Dann ernenn mich wieder zum Mfalme von Ukungu«, forderte Kisu, »wenn es nicht anders geht.«
»Ich bitte dich, Kisu!« sagte Ayari.
»Welche Spuren Shabas habt ihr gefunden?« fragte Bila Huruma.
»Nur seine Galeere – soviel hast du sicher auch schon festgestellt. Auch wir suchen ihn.«
»Ich glaube nicht, daß er weit ist«, meinte Bila Huruma.
»Das hoffe ich auch«, sagte ich.
»Wo ist die goldene Kette, die ich dir an meinem Hofe schenkte?« wollte Bila Huruma wissen.
»Bei unseren Vorräten im Boot«, antwortete ich.
»Das ist ein Irrtum«, sagte er und winkte einen Askari herbei, der mir die Kette zuwarf.
»Ich dachte mir, daß ich dich hier finden würde«, sagte Bila Huruma. »Ich erkannte die Kette wieder.«
»Vielen Dank, Ubar«, sagte ich und legte mir die Kette wieder um den Hals.
»Kämpfe!« rief Kisu.
»Ich suche Shaba«, sagte Bila Huruma. »Ich habe keine Lust, mich von diesem heißspornigen Unzufriedenen ablenken zu lassen.«
»Kämpfe!« schrie Kisu und schwenkte seinen Speer.
»Ich könnte diese schwerfällige Waffe im Nu unterlaufen«, sagte Bila Huruma zu Kisu. »Warum hätte ich bei meinen Soldaten sonst den Stoßspeer einführen sollen?«
»Wir haben solche Waffen ebenfalls!« rief Kisu, und das stimmte. Ayari hielt eine in der Hand, während die andere unten im Kanu lag.
»Kannst du sie aber auch bedienen?« fragte Bila Huruma. »Kennst du all die Tricks, die man im Kampf damit anwenden kann?«
»Nein«, antwortete Kisu. »Trotzdem werde ich gegen dich antreten.«
»Du bist ein kräftiger Mann, ein mutiger, guter Mann, Kisu«, sagte ich, »aber Bila Huruma und seine Männer sind ausgebildete Kämpfer. Gib deine Verrücktheit auf.«
»Wenn ich Bila Huruma töte«, sagte Kisu, »töte ich damit auch sein Reich.«
»Das ist sehr unwahrscheinlich«, sagte ich. »Das Reich ist wertvoll – wie Gold. Entglitte es dem Griff eines Mannes, würde sehr bald ein anderer danach greifen.«
»Ich gedenke nicht, mich dir im Kampf zu stellen«, sagte Bila Huruma. »Und wenn du mich angreifst, muß ich dich entweder töten oder umbringen lassen.«
»Er ist ein ausgebildeter Kämpfer, Kisu«, sagte ich. »Laß es nicht darauf ankommen.«
»Was soll ich tun?« fragte Kisu.
»Meine Empfehlung wäre es, ihn niederzustechen, wenn er gerade nicht hinschaut, oder seinen Palmenwein zu vergiften.«
»So etwas kann ich nicht tun«, rief Kisu. »Was soll ich machen?«
»Heb den Speer«, forderte ich ihn auf.
Mit einem Wutschrei hämmerte er den Speerschaft gegen den Boden. Alle Anwesenden musterten Kisu.
Er stand starr, den Speer gegen den Boden gestemmt, die Klinge über dem Kopf. Seine Hände umklammerten den Speer unterhalb der Schneide, über seinem Kopf, den er gesenkt hatte. Seine Schultern zuckten. Er weinte. Tende kroch zu ihm und schmiegte sich schluchzend an ihn.
»Warum suchst du Shaba?« fragte Bila Huruma.
»Zweifellos aus demselben Grund wie du«, antwortete ich.
Nervös zuckend stand Msaliti neben dem Ubar. »Wir haben einen weiten Weg zurückgelegt, großer Ubar«, sagte er. »Wir konnten viele Hindernisse und Gefahren überwinden. Diese wenigen Männer bilden ein letztes Hemmnis für uns. Wir sind beträchtlich in der Überzahl und sollten sie auslöschen. Befiehl deinen Askaris, sie zu vernichten.«
Bila Huruma sah mich an. Er schien in Gedanken versunken zu sein.
»Bila Huruma«, ertönte da eine Stimme von der Höhe der Treppe schräg hinter uns, einer Treppe, die zu einem höhergelegenen Hof führte.
Wir alle blickten zur obersten Stufe hinauf.
Dort stand in stolzer Pose ein Schriftgelehrter, der nur noch blaue Fetzen am Leibe trug.
»Ich bin Bila Huruma«, sagte der Ubar.
»Das ist mir bekannt«, erwiderte der Schriftgelehrte und schaute sich in unserem Kreise um. »Ist unter euch ein Mann, der Tarl Cabot heißt?« fuhr er fort.
»Das bin ich«, meldete ich mich.
Msaliti fuhr zusammen. Anscheinend war das ein Name, der ihm nicht unbekannt war. Seine Hand zuckte zur Hüfte an seinen Dolch, doch er zog die Waffe nicht.
»Ich bringe euch zu Shaba«, sagte der Schriftgelehrte.
53
»Ich hatte gehofft, daß du mir folgen würdest«, sagte Shaba. »Als du an die Gaunerkette gelegt wurdest, fürchtete ich schon, es könne mit dir zu Ende sein. Ich kann dir nicht sagen, wie sehr ich mich freue, dich hier zu sehen.«
Shaba, der einen sehr mitgenommenen Eindruck machte, lag, von Kissen gestützt, auf einem Lager. Er schien den linken Arm nicht mehr benutzen zu können. Die Krankheit hatte ihn ausgezehrt.
»Dann nimm mir die Handfesseln ab, die mir angelegt wurden«, forderte ich. Der Schriftgelehrte hatte uns durch die alte Stadt geführt, Straßen hinauf und hinab, durch zahlreiche Gebäude schreitend, verschiedenen uralten Gassen folgend, links und rechts Ruinen, die von untergegangener Pracht zeugten. Bila Huruma und ich waren dem Schriftgelehrten als erste gefolgt, dahinter erst waren die Angehörigen unserer Gruppe gekommen. Kisu hatte die Mädchen in ihren Fesseln gelassen. Schließlich hatten wir alle, die wir über zweihundert zählten, eine festungsähnliche Umfriedung erreicht, die etwas höher stand als der Rest der Stadt. Wir hatten im Bereich des alten Eingangs warten müssen. Shabas Männer hatten die Ruine notdürftig wieder befestigt, indem sie auf der Schwelle Felsbrocken stapelten, die den Zugang nur im Gänsemarsch möglich machten. Über der Eingangsöffnung hatten sie ein Gerüst aus zusammengebundenen Stämmen angebracht, das jederzeit herabgelassen werden konnte. Shaba hatte noch etwa fünfzig Mann bei sich. Während der Rest unserer Gruppen am Eingang wartete – auch Bila Huruma mußte zurückbleiben –, wurde ich über den breiten gepflasterten Hof in die Mitte geführt, wo Shaba auf einer uralten Lagerstatt aus Stein ruhte. Ehe ich ihm nähertreten durfte, hatten mich Shabas Männer mit Speeren umringt und mir Handfesseln angelegt. So stand ich nun vor dem Geographen aus Anango.
»Shaba stirbt«, hatte der Schriftgelehrte gesagt, der uns hierherführte. »Sprich nicht zu lange mit ihm.«
Ich betrachtete Shaba.
»Bitte, mein Freund«, sagte Shaba zu mir, »verzeih mir die Handschellen. Du verstehst aber sicher, daß sie aus meiner Sicht eine recht logische Vorsichtsmaßnahme sind.«
Um Shabas Hals hing an einer dünnen goldenen Kette ein Ring. Er schimmerte golden und schien schwer zu sein, viel zu groß für den Finger eines Menschen. In den Ring war eine silberne Platte eingelassen. Gegenüber der Fassung befand sich an der Außenseite des Rings ein eingelassener runder Hebel.
»Du stellst das Stück kühn zur Schau«, sagte ich.
Shaba berührte den Ring. An seiner rechten Hand trug er einen anderen Ring den Zahnring voller Kanda-Gift, den ich schon in Schendi gesehen hatte. Ein winziger Kratzer dieses Rings konnte innerhalb von Sekunden sogar einen Kailiauk töten. »Hast du eine schlechte Meinung von mir, Tarl Cabot?« fragte er.
»Du hast die Priesterkönige verraten«, sagte ich. »Und den Tahari-Ring gestohlen.«
»Ich bin Schriftgelehrter, ein Mann der Wissenschaft, der weisen Schriften«, sagte Shaba. »Du kannst sicher verstehen, wie wichtig mir der Ring war.«