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»Warum bist du aus Bila Hurumas Palast geflohen?« fragte ich. Shaba war mit drei Galeeren abgefahren, während Bila Huruma ihm mit dem Rest der Schiffe und Vorräte gefolgt war.

»Ihm habe ich womöglich das größte Unrecht zugefügt«, sagte Shaba niedergeschlagen, »und doch meine ich, daß ich ihm durch meine Flucht aus dem Palast das Leben gerettet habe.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Bila Huruma, mein Gönner und Beschützer«, sagte Shaba, »stand zwischen Msaliti und mir. Msaliti hatte bereits einen Anschlag auf sein Leben versucht, jener Anschlag, bei dem der Mörder Jambia durch die Osts ums Leben kam, der Anschlag, mit dem er dich zu belasten versuchte.«

»Ja«, sagte ich.

»Solange ich im Palast war, befand sich Bila Huruma in Gefahr«, fuhr Shaba fort. »Wenn ich aber die Flucht ergriff, gab es keinen Grund mehr für Msaliti, seinen Tod zu planen. Und doch wußte ich von Anfang an, daß Bila Huruma mir folgen würde.«

»Natürlich«, sagte ich, »blieb Msaliti dann keine andere Wahl, als Bila Huruma von dem Ring zu erzählen und bei dem Versuch mitzumachen, den Ring zurückzuholen, in der Hoffnung, das kostbare Stück dann anschließend in die Hände zu bekommen.«

»Ich glaube nicht, daß Bila Huruma mir wegen des Rings gefolgt ist«, sagte Shaba lächelnd.

»Weshalb denn sonst?« fragte ich.

Shaba schwieg.

»Kein anderer Grund würde ihn an diesen Ort führen«, sagte ich, »als für den Ring morden zu wollen. Seine Eigenschaften würden Bila Hurumas Position unanfechtbar machen.«

»Mag sein«, sagte Shaba lächelnd.

»Wie kommt es dann, daß du besorgt bist, Bila Huruma ein Unrecht zugefügt zu haben?« fragte ich. Das schien mir so unwahrscheinlich wie die Sorge eines Mannes, dem sich ein Larl auf die Spur gesetzt hat.

»Indem ich ihn für meine Zwecke benutzt habe.«

»Welche Zwecke?«

Shaba verharrte einen Augenblick lang reglos auf seinen Decken. Von Schmerzen gepackt, schloß er die Augen.

Ich blickte starr auf den Ring, der ihm um den Hals hing.

Erschöpft öffnete Shaba die Augen und sah mich an.

»Ich habe kein Interesse an deinen Landkarten und Notizen«, sagte ich. »Ich bin wegen des Ringes gekommen. Nimm mir die Handschellen ab. Gib mir den Ring.«

Von weiter oben gellte plötzlich ein Schrei herab. Ich fuhr herum und sah einen von Shabas Männern, der herumwirbelnd von der Höhe der Mauer stürzte und blutüberströmt auf dem Steinboden landete. Im nächsten Augenblick entdeckte ich als dunkle Silhouette vor dem blauen Tropenhimmel die riesig-zottelige Gestalt eines Kur, der die Arme erhoben hatte und in der rechten Pfote eine blutrote Panga hielt. Auch von unten wurde Geschrei laut. Und schon brüllten wilde Kurii auf allen Seiten – sie schienen unsere Festung eingekreist zu haben. Plötzlich tauchte der Wipfel eines schmalen Baumes vor dem Himmel auf; er war von außen gegen die Wehrmauer gelehnt worden. Ein Kur stieg am Stamm empor und sprang über die Mauerkrone. An anderen Stellen erschienen ebenfalls die breiten, reißzahnbewehrten Kurii-Köpfe mit lodernden Augen.

Einer der Kurii schrie auf: ein Stoßspeer ragte ihm aus der Brust. Mit knappen Befehlen schickte Bila Huruma seine Askaris in den Kampf. Ich sah Kisu, der mit beiden Händen einen Eingeborenenspeer über den Kopf gehoben hatte und auf einen geduckten Kur zustürmte, der eben in den Hof gesprungen war.

»Nimm mir die Handschellen ab!« rief ich Ngumi zu, dem Schriftgelehrten neben Shaba, der uns an diesen Ort geführt hatte.

Acht oder neun weitere Kurii landeten innerhalb der Mauer und verweilten einen Moment in Kauerstellung, Pangas im Maul, die Knöchel der Klauen auf den Boden gestützt. Trotz ihrer Größe bewegten sie sich leichtfüßig.

Ich bemerkte, wie Msaliti ein Messer zog und seitlich davonschlich.

Askaris eilten die Steintreppen zur Mauer empor, an Stellen, wo die Wehrgänge noch nicht eingestürzt waren. Einer stieß einen eben angelegten Baumstamm zurück. Im nächsten Augenblick wurden vier Kämpfer von einem angreifenden Kur mit einer Riesenpanga von der Mauer gefegt. Andere Kurii schoben die Arme durch das Baumstammgeflecht am Eingang. Ayari, der kleine Ayari, gesellte sich zu den dort kämpfenden Askaris.

»Mach mich los!« forderte ich drängend. Ich bäumte mich in den Fesseln auf. Weitere Kurii kletterten über die Mauer.

Der Schriftgelehrte warf Shaba einen verzweifelten Blick zu. »Binde ihn los«, sagte Shaba.

Zwei Kurii, die noch auf allen vieren hockten, blickten in unsere Richtung.

Am Eingang war Geschrei zu hören. Pangas zerfetzten das schützende Holzgitter.

Irgendwo kreischte eine Sklavin. Eine meiner Handfesseln sprang auf. Von den Kurii waren sicher viele goreanischer Abstammung, wilde degenerierte Kurii, Nachkommen gestrandeter Kurii oder Überlebende vernichteter Schiffe. Andere, so fürchtete ich, waren Schiffs-Kurii. »Beeil dich!« herrschte ich den Schriftgelehrten an. Einer der beiden Kurii, die in unsere Richtung blickten, hob plötzlich den Arm und deutete auf uns. Auf allen vieren, mit einer Wendigkeit und Geschwindigkeit, die bei einem so großen Wesen erschreckend anmuteten, griffen die beiden Geschöpfe an. Die andere Handfessel schnappte auf. Ich sah, wie sich eines der Ungeheuer, die Panga noch im Maul, auf Shaba stürzen wollte und dabei nach dem Ring an der Kette griff. Ich schleuderte dem anderen Kur die geöffneten Handschellen ins Gesicht. Das Biest, das Shaba angreifen wollte, fuhr plötzlich verblüfft zurück. Verwirrt starrte es auf seine Pfote, an der frisches Blut zu sehen war. Die Panga fiel ihm aus den Reißzähnen. Das Ungeheuer, das mir an den Kragen wollte, zerrte sich brüllend die Handschellen aus dem verwundeten Auge. Sein Maul blutete, denn es hatte zu fest auf die Panga gebissen. Halb kriechend, halb laufend versuchte ich die Stelle zu erreichen, wo Ngumi nach meiner Fesselung den Gurt mit Dolch und Scheide abgelegt hatte. Verzweifelt ließ ich mich zur Seite rollen. Die Panga des Ungeheuers, das es auf mich abgesehen hatte, schepperte funkensprühend gegen die Pflastersteine. Der Kur, der Shaba angegriffen hatte, verendete vor seinem Lager. Shaba hustete und spuckte Blut. Die vergiftete Klinge seines Zahnrings war geöffnet und wies Blutspuren auf. Wieder warf ich mich zur Seite, und erneut raste die Panga auf mich zu. Der Tisch, auf dem Shabas Kartenbehältnis und Notizbücher lagen, schien in zwei Hälften zu explodieren, Gegenstände und Splitter flogen in alle Richtungen.

Fauchend und brüllend sah sich der Kur um. Vorübergehend hatte er mich aus dem Auge verloren. Ich hielt mich auf seiner blinden Seite. Dann stieß ich den Kriegsschrei von Ko-ro-ba aus, sprang ihm auf den Rücken, krallte ihm einen Arm um die Kehle und versenkte den Dolch in sein Herz. Ich spürte den mächtigen Körper unter mir erbeben und sprang zur Seite davon.

Ich fuhr herum. Ein zweiter Kur wollte sich auf Shaba stürzen. Wieder brachte Shaba den Zahnring zum Einsatz. Ich sah, wie sich die sechs Glieder der Klaue um die Halskette schlossen, dann sah ich, wie sich die Krallen öffneten und das Ungeheuer schlaff zurückglitt. Es verweilte einen Augenblick lang in sitzender Haltung und fiel dann haltlos zur Seite.

Ich schob mir den blutigen Dolch zwischen die Zähne. Ich schmeckte das Blut eines Kur.

Mit der Hand ergriff ich die Panga, die der von mir getötete Kur besessen hatte. Die Waffe war schwer. Ich konnte sie nur mit beiden Händen führen.

Kurz blickte ich zu Shaba zurück, der sich mit gesenktem Kopf in die Decken verkrallt hatte. Sie waren blutdurchtränkt. Ngumi eilte zu ihm. Shaba hob den Kopf. »Kämpfe!« sagte er. »Rettet euch!«

»Ich werde dich nie verlassen!« rief Ngumi. Dann schrie er auf, denn ein mächtiger Pangahieb hatte seinen Körper förmlich in zwei Teile gespalten. Ich sprang los und stach von vorn auf den Kur ein, der Ngumi getötet hatte. Der breite Kopf hielt meinem Streich nicht stand. Ich warf einen letzten Blick auf Ngumi und bemerkte, daß seine Tätowierungen, die bei einem Schriftgelehrten, einem Mann der Zivilisation, so erstaunlich wirkten, identisch waren mit den Zeichnungen auf Shabas Gesicht.