»Hilfe!« gellte eine Stimme. »Sie brechen durch!«
Ich lief zum Eingang, sprang brüllend auf die Steine und hieb gegen Arme und Pfoten, die das primitive Holzgitter anzuheben versuchten. Hastig wurden die Arme zurückgezogen. Heulend wichen Kurii zurück.
»Andere kommen über die Mauern!« rief eine Stimme.
»Bindet mich los!« vernahm ich eine Stimme. Ich eilte zu Turgus und trennte seine Fesseln durch. Er ergriff den Stoßspeer eines gefallenen Askari und stürzte sich in den Kampf. Anschließend öffnete ich mit schnellen Schritten die Fesseln der erschrocken dahockenden Sklavinnen. »Herr!« rief Janice. Vielleicht konnten die Mädchen fliehen. Allerdings waren sie innerhalb der Mauern eingeschlossen.
Ich fuhr herum und begegnete dem Angriff eines anderen Kur. Ich blockierte seinen Hieb mit der Panga und wurde von dem Aufprall ein Dutzend Fuß zurückgeschleudert. Die Hand tat mir weh. Wieder griff das Ungeheuer an, und Steinsplitter sprühten aus der Wand rechts neben meinem Kopf. Ich wich zur Seite aus und erwischte ihn mit der Panga. Ächzend trat er zurück und hielt sich den Unterleib.
»Kisu, paß auf!« rief ich.
Kisu machte kehrt, doch schon warf sich eine Gestalt zwischen ihn und den Angreifer. Ein Stoßspeer wurde dem Kur in den Leib gerammt, wieder herausgerissen und noch mehrmals zum Einsatz gebracht, bis das erzürnte, erstaunte Ungeheuer zurücktaumelte und sogleich von hinten durch einen Askari erlegt wurde.
Kisu blickte auf den Mann, der den Angreifer zurückgetrieben hatte. »Dank, mein Ubar«, sagte er. Und dann standen Kisu, der Rebell, und Bila Huruma, der Ubar des Äquatorreiches, Seite an Seite und machten sich daran, die Angriffe weiterer Kurii abzuwehren. Ich hielt meine Panga mit beiden Händen. Mir bluteten die Lippen, da ich mich an dem Dolch geschnitten hatte, den ich zwischen den Zähnen hielt. Ich blickte mich um. Dann schob ich den Dolch in meine Tunika und wischte mir das Blut aus dem Gesicht, ehe ich mich wieder in den Kampf stürzte. Von hinten attackierte ich einen Kur, der sich über einen gefallenen Askari beugte, und erlegte ihn mit einem Hieb. Einen anderen schaltete ich ebenfalls von hinten aus, indem ich seine Wirbelsäule traf. Immer neue Kurii kletterten über die Mauer. Der Druck auf das Torgitter hatte ebenfalls nicht nachgelassen, und ich lief hinüber und trieb die Kurii mit heftigen Klingenstreichen zurück. Ein Anführer fauchte und gestikulierte. Andere brachten zwei der schlanken Baumstämme nach vorn, mit deren Hilfe die Kurii zuvor die Mauern erklommen hatten. Ich legte den Kopf in den Nacken und atmete durch. Ich griff nach dem Dolch in meiner Tunika und sicherte ihn noch etwas besser im Stoff.
»Wie war es möglich, daß wir überrascht wurden?« fragte ich Ayari, der am Eingang kämpfte.
»Die Wächter an der kleinen Brücke wurden überfallen und getötet«, antwortete er. »Die Ungeheuer nahmen die Brücke ein und überquerten den Graben.«
»Ein wahres Gemetzel«, stellte ich fest.
Ich sah mich um. Die ovalen Lederschilde und die Stoßspeere der Askaris mochten bei Stammesfehden unbesiegbar sein, doch gegen die schweren und scharfen Pangas der Kurii konnten sie wenig ausrichten. Sie waren nicht mit den klobigen Äxten und schweren Schilden aus Torvaldsland zu vergleichen.
Bila Huruma schrie seinen Männern etwas zu. Er hatte seinen Schild fortgeworfen – vielleicht war er ihm auch vom Arm geschlagen worden. »Nehmt sie euch einzeln vor!« brüllte er. »Greift zu fünft an, einer lenkt ab, die vier anderen attackieren!«
»Er verbessert unsere Taktik«, sagte Ayari.
»Er ist ein Ubar«, stellte ich fest.
Ein Askari mochte sich heftiger Pangastreiche mit der Klinge seines Speers erwehren, während vier andere das Ungeheuer umschwärmten und ihre Waffen zum Einsatz brachten. Wie schon angedeutet, mußte es sich bei den Kurii im großen und ganzen um wilde Kurii handeln, die es gewöhnt waren, allein zu kämpfen. Sie mochten einander nahe sein, doch sie kämpften letztlich allein, wie sie es aus den Wäldern gewöhnt waren. Sie waren furchteinflößend und überaus stark – doch sie hatten keine Kampfausbildung.
»Es sind zu viele«, sagte ich.
»Es stimmt schon, daß wir verloren sind«, sagte Ayari, »aber wir werden einen gutem Kampf liefern.«
»Brav gesprochen, kleiner Bursche!« sagte ich.
Ich sah Bila Huruma auf ein Knie niedergehen. Ein riesiger Kur stand neben ihm, die Panga über den Kopf erhoben. Hinter Bila Huruma gellte plötzlich ein lauter Ukungu-Schrei auf, und ein Eingeborenenspeer wurde am Ubar vorbeigestoßen und bohrte sich dem Kur ins Herz.
»Danke, Rebell«, sagte Bila Huruma und stand wieder auf. Kisu zog die Waffe heraus und grinste. »Jetzt schulde ich dir nichts mehr«, sagte er.
»Stimmt«, antwortete Bila Huruma, und wieder kämpften die beiden Seite an Seite, Rebell und Ubar.
Nun rief einer der Kur-Anführer seine Streitkräfte zur Ordnung und formierte sie zu losen Reihen, um zu verhindern, daß seine Kämpfer weiterhin einzeln angegriffen wurden. Ich bezweifelte nicht, daß er ein Schiffs-Kur war. Ich bewunderte sein Vermögen, die degenerierten Kurii unter sein Kommando zu zwingen. Vielleicht hatte sich in ihnen noch ein Rest von Erinnerung an die Disziplin und Würde ihrer Vergangenheit gehalten, sicher aber an die Zwänge der Schiffs-Treue.
»Es ist aus mit uns«, sagte ich. »Jetzt kämpfen sie zusammen.«
Bila Huruma sammelte seine Männer um sich. Viele waren verwundet. Es waren wohl nicht mehr als hundert am Leben.
Weitere Kurii sprangen über die Mauern.
Plötzlich ertönte hinter uns ein Knacken und Splittern. Immer wieder wurden die Baumstämme gegen das schwache Holzgeflecht gerammt, das den Eingang versperrte.
»Wir müssen sie aufhalten!« rief Ayari.
»Unmöglich«, sagte ich. Plötzlich brach die Barriere, und Kurii schwärmten herein, einige mit Pangas bewaffnet, andere mit Knüppeln und angespitzten Stöcken. Wir wurden förmlich aus unserer Position im Innenhof geschwemmt.
Und schon wurde mir die Panga aus der Hand gerissen, tief vergraben im Leib des Kur, den ich damit angegriffen hatte.
»Formiert euch!« schrie ich. »Mit dem Rücken zur Mauer!«
Männer strömten an mir vorbei, um an der Mauer Position zu beziehen. Ich sprang einem Kur auf die Brust und krallte mich mit einer Hand in seinem langen Nackenfell fest. Mit der anderen trieb ich den Dolch, den ich aus meiner Tunika gerissen hatte, immer wieder in seine Brust. Der Kur trug Goldringe in den Ohren, und ich war sicher, daß es sich um einen Schiffs-Kur handelte. Ich sprang zu Boden, als das Ungeheuer aufschrie, herumwirbelte und dann zu Boden ging.
Turgus bohrte einen Speer in die Brust eines wie wahnsinnig angreifenden Kur.
Und schon hatte ich das Gefühl, ringsum von Kurii umgeben zu sein, Wesen, die sich allerdings kaum um mich zu kümmern schienen, weil sie es auf die Männer vor der Mauer abgesehen hatte. Ich attackierte ein Ungeheuer, das sich an mir vorbeidrängte, und wurde förmlich mitgerissen, mich an Pelz und Dolch festhaltend. Ich bekam den Dolch frei als ich soeben von einem anderen Kur entdeckt wurde. Schon raste die Klinge empor. Es ist schwierig, mit einer so kleinen Waffe das Gehirn eines Kur zu erreichen. Möglich ist es jedoch, wenn man den richtigen Winkel trifft und durch die Augenhöhle zustößt. Auch durch das Ohr ist es denkbar, wo der Schädel ein wenig dünner ist. Der Kur stieß einen Schmerzensschrei aus, und ich verlor meinen Dolch, als sich das Wesen die Klauen vors Gesicht riß. Brüllend zerrte es sich die Waffe heraus und versuchte dann mich zu packen. Ich wich zurück. Das Wesen starb, ehe es mich erreichte. Ich schob mich weiter zurück und befand mich dann inmitten von Menschen. Waffen prallten aufeinander. Die goldene Kette, die Bila Huruma mir geschenkt hatte, war blutig. Ich bemerkte, daß ein Kur hinter unseren Männern über die Mauer langte. Ich sprang die ausgetretene Treppe empor, die an dieser Stelle zur Mauerkrone führte. Ich nahm die goldene Kette ab und hieb sie dem Ungeheuer ins Gesicht, das rückwärts in die Tiefe stürzte. Auf der Mauer entlanglaufend, stieß ich einen Baumstamm zurück, der dagegen gelehnt wurde. Zwei Kurii sprangen von dem stürzenden Baum. Im nächsten Augenblick entdeckte ich innerhalb der Mauern einen Kur. Er befand sich hinter unseren Männern. Er hob die Panga. Ich sprang dem Wesen von der Mauer aus auf die Schultern und legte ihm die goldene Kette um den Hals. Das Geschöpf griff nach mir, konnte mich aber nicht abschütteln. Ich behielt den Kopf unten und wich immer wieder der zustoßenden Panga aus. Dann zog ich die Kette an. Der Kur warf sich gegen die Mauer und zerdrückte mich beinahe. Mein Rücken fühlte sich feucht an, und der rauhe Stein verursachte Schmerzen. Ich ließ nicht locker. Ich spürte die Klauen des Kur, die mich zu erreichen versuchten. Dann knackte etwas in seinem Hals. Die Panga fiel zu Boden. Der Kur begann zu schwanken. Zitternd hielten meine Hände die goldene Kette, die sich tief in den Hals des Kur gegraben hatten. Und dann stürzte das Ungeheuer. Ich sprang zu Boden, riß die Kette los und legte sie mir wieder um den Hals. Dann griff ich nach der zu Boden gefallenen Panga. Zu meinem Entsetzen langte das Ungeheuer nach mir. Ich sah, wie sich seine mächtigen Lungen füllten und die Augen mich anstarrten. Es atmete Luft in den Körper, Blut strömte ihm aus dem Mund. Es ist nicht leicht, einen Kur zu töten. Ich hieb mit der Panga zu. »Verzeih mir, mein Freund«, sagte ich, denn ich griff nicht mit den Streichen eines Kriegers an, sondern mit denen eines Schlächters. Ich torkelte und fühlte mich schwach, und meine Hände zitterten.