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- Einen Vorwurf, Herr Nick?

- Gewiß, nämlich den, daß Sie mich hier stets nur als Freund, und gar nicht einmal als Notar empfangen.«

Das junge Mädchen lächelte bei dieser Andeutung, doch nahmen ihre Züge sofort den gewohnten ernsten Ausdruck an.

»Und dennoch, bemerkte Herr de Vaudreuil, sind Sie, mein lieber Nick, heute nicht als Freund, sondern als Notar nach der Villa Montcalm gekommen?

- Freilich!. freilich!. antwortete Meister Nick. Doch das hat mit Fräulein Clary leider nichts zu thun. Nun, auch das wird nicht ausbleiben!. Es kommt ja Alles einmal!. Ich muß Ihnen, Herr de Vaudreuil, übrigens gleich bemerken, daß ich nicht allein gekommen bin.

- Wie, Herr Nick, Sie haben einen Reisegefährten und lassen ihn auf dem Vorsaale warten? - Ich werde sofort Befehl geben, ihn herein zu führen.

- Nein.. nein.. das lohnt sich nicht der Mühe! Es ist ganz einfach mein zweiter Schreiber. ein Kerlchen, der Verse schmiedet. Hat man je so etwas gesehen?. Und den Irrlichtern nachläuft! Stellen Sie sich nur einmal vor, ein Schreiber-Poet oder ein Poeten-Schreiber, Fräulein Clary! Da ich Sie allein zu sprechen wünschte, Herr de Vaudreuil, hab' ich ihn beordert, einstweilen im Park spazieren zu gehen.

- Ganz recht von Ihnen, Meister Nick. Man wird dem jungen Dichter jedoch einige Erquickungen anbieten müssen.

- Das wäre vergebliche Liebesmühe! Der trinkt blos Nektar; doch sollten Sie von der letzten Ernte her noch davon etwas übrig haben.«

Herr de Vaudreuil mußte über den Scherz des vortrefflichen Mannes lachen, den er von längerer Zeit her kannte und dessen Rathschläge ihm bei seinen persönlichen Geschäften stets werthvoll und nutzbringend gewesen waren.

»Ich werde Sie mit meinem Vater allein lassen, Herr Nick, sagte da Clary.

- O bitte, bitte, bleiben Sie, mein Fräulein! erwiderte der Notar. Ich weiß, daß ich in Ihrer Gegenwart auch noch von Sachen reden kann, die sogar vielleicht etwas mit der Politik zusammenhängen. Ich vermuthe das wenigstens, denn wie Ihnen bekannt ist, mische ich mich selbst niemals.

- Schon gut, schon gut, fiel ihm Herr de Vaudreuil ins Wort. Clary wird unserer Verhandlung beiwohnen. Doch erst wollen wir uns setzen, und dann sprechen Sie nach Belieben.«

Der Notar nahm einen der Rohrlehnstühle, welche sich im Salon befanden, während Herr de Vaudreuil sich mit seiner Tochter auf einem Sofa ihm gegenüber niederließ.

»Und nun, mein lieber Herr Nick, fragte Herr de Vaudreuil, welcher Grund hat Sie denn eigentlich nach der Villa Montcalm geführt?

- Ich hatte Ihnen das hier zu übergeben«, antwortete der Notar.

Er zog dabei ein Bündel Banknoten aus der Tasche.

»Wie? Geld?. sagte Herr de Vaudreuil, der sein größtes Erstaunen nicht zu verbergen wußte.

- Jawohl, Geld. gutes Geld, und - es mag Ihnen das nun gefallen oder nicht - eine recht schöne Summe!.

- Eine schöne Summe?.

- Urtheilen Sie selbst!. Fünfzigtausend Piaster in tadellosen, cursfähigen Bankscheinen.

- Und dieses Geld wäre für mich bestimmt?.

- Gewiß für Sie. allein für Sie!

- Wer sendet es mir?

- Das kann ich Ihnen aus sehr triftigem Grunde nicht sagen, ich weiß es nämlich selbst nicht.

- Wozu soll dieses Geld dienen?

- Das weiß ich ebenso wenig.

- Und wie kommen Sie zu dem Auftrage, mir eine so große Summe auszuhändigen?

- Hier, lesen Sie.«

Der Notar hielt ihm einen Brief von nur wenigen Zeilen hin.

»Herr Nick, Notar zu Montreal, wird ersucht, dem Vorsitzenden des Reform-Comites zu Laval, in der Villa Montcalm, den Rest der Summe, welchen unsere Abrechnung in der Expedition noch ergibt, auszuhändigen.«

2. September 1837.

»J. B. J.«

Herr de Vaudreuil sah den Notar an, ohne diese an ihn gerichtete Sendung näher zu verstehen.

»Wo ist dieses Schreiben zur Post gegeben gewesen, Herr Nick? fragte er.

- In St. Charles, Grafschaft Vercheres.«

Clary hatte den Brief ergriffen. Sie prüfte sorgsam die Handschrift; vielleicht rührte er von der nämlichen her, welche Herrn de Vaudreuil den Besuch seiner Freunde Vincent Hodge, Clerc und Farran ankündigte. Das war nicht der Fall; die Schriftzüge beider Briefe ließen keine Aehnlichkeit erkennen -was Fräulein de Vaudreuil ihrem Vater erklärte.

»Sie haben auch keine Muthmaßung, Herr Nick, fragte sie, wer der Unterzeichner dieses Briefes, der sich unter den einfachen Buchstaben »J. B. J.« verbirgt, sein könnte?

- Gar keine, liebes Fräulein Clary.

- Und doch kann es nicht das erste Mal sein, daß Sie mit dieser Persönlichkeit in Beziehung treten?

- Offenbar nicht.

- Oder vielmehr mit diesen Personen, denn der Brief spricht nicht von »meiner« sondern von »unserer« Abrechnung - was darauf schließen läßt, daß jene drei Anfangsbuchstaben drei verschiedenen Namen angehören.

- So scheint es, bestätigte Meister Nick.

- Ich möchte auch bemerken, sagte Herr de Vaudreuil, daß Sie, da ja von einer Abrechnung die Rede ist, schon früher über Geldmittel derselben Personen verfügt haben dürften.

- Herr de Vaudreuil, versetzte der Notar, hören Sie kurz, was ich Ihnen hierauf sagen kann und, wie mir scheint, hierüber sagen darf.«

Er nahm sich ein wenig Zeit, ehe er zu weiterer Erklärung kam, und da berichtete Meister Nick dann Folgendes:

»Im Jahre 1825, einen Monat nach dem Todesurtheil, welches einigen Ihrer vertrautesten Freunde das Leben, und Ihnen, Herr de Vaudreuil, die Freiheit raubte, erhielt ich einen großen Brief mit Wertheinlage, der die ungeheure Summe von hunderttausend Piastern enthielt. Der betreffende Brief war in Quebec zur Post gegeben und enthielt noch ein zweites Schreiben folgenden Wortlautes:

Der Betrag von hunderttausend Piastern wird hiermit in die Hand des Meisters Nick, Notars in Montreal, niedergelegt, am davon den Gebrauch zu machen, über den ihm später weitere Bestimmungen zugehen werden. Man rechnet auf seine Discretion, Niemandem von dem in seine Verwahrung gegebenen Depot, noch von dem Gebrauch zu sprechen, der in Zukunft davon gemacht werden könnte.«

- Und die Unterschrift? fragte Clary.

- Die Unterschrift lautete ebenfalls J. B. J. antwortete Meister Nick.

- Dieselben Anfangsbuchstaben?. sagte Herr de Vaudreuil.

- Genau dieselben? wiederholte Clary.

- Ja, mein Fräulein. Wie Sie sich leicht vorstellen können, fuhr der Notar fort, war ich im höchsten Maße erstaunt über die geheimnißvolle Seite dieser Hinterlegung. Da ich die Summe dem mir unbekannten Clienten, der sie mir geschickt, doch nicht zurücksenden konnte, und ich andererseits Anstand nahm, den Behörden von der Sache Mittheilung zu machen, so hinterlegte ich wieder jene hunderttausend Piaster bei der Bank von Montreal und beschloß ruhig zu warten.«

Clary und ihr Vater hörten dem Meister Nick mit gespanntester Aufmerksamkeit zu. Der Notar hatte ja gesagt, daß dieses Geld seiner Meinung nach eine politische Bestimmung haben könne. Wie der Leser bald sehen wird, sollte er sich auch nicht getäuscht haben.

»Sechs Jahre später, fuhr er fort, wurde von mir durch einen, mit denselben räthselhaften Buchstaben unterschriebenen Brief die Summe von zweiundzwanzigtausend Piastern verlangt, und das Ersuchen ausgesprochen, dieselben nach dem Flecken Berthier, in der Grafschaft gleichen Namens, zu adressiren.

- Ja, aber an wen?. fragte Herr de Vaudreuil.

- An den Vorsitzenden des Reformer-Comites, und nach kurzer Zeit brach die Revolte aus, die Sie ja kennen. Vier Jahre gingen dahin, da traf ein gleicher Brief ein, welcher die Summe von achtzehntausend Piastern nach St. Martine, dieses Mal an den Vorsitzenden des Comites von Chateaugay, verlangte. Nur wenig später entstand die heftige Bewegung, welche bei den Wahlen von 1834 zu Tage trat, die Vertagung der Kammer zur Folge hatte, und der das Verlangen, den Gouverneur Lord Aylmer in Anklagestand zu versetzen, auf dem Fuße folgte.«