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In Riviere-Du-Loup - einer kleinen Stadt, wo Johann am Morgen des 17. September verweilte - untersuchten die mit der Ueberwachung des Stromes besonders beauftragten Beamten auch den »Champlain«, doch verlief Alles aufs Beste. Schon seit mehreren Jahren war Johanns Name in die Schiffspapiere des Kutters eingetragen, so als wäre er einer der Söhne Harcher's. Niemals vermuthete deshalb auch die Polizei, daß sich in der Kleidung eines canadischen Fischers der Verbannte verbarg, dessen Kopf für jeden, der ihn einlieferte, sechstausend Piaster werth war.

Als die Beamten ihre Untersuchung beendet hatten, begann Pierre Harcher:

»Vielleicht thun wir gut, am jenseitigen Stromufer Zuflucht zu suchen.

- Dahin geht auch mein Rath, bemerkte Michel.

- Doch weshalb? fragte Johann. Ist unser Fahrzeug jenen Leuten verdächtig vorgekommen? Ist etwa nicht Alles verlaufen wie gewöhnlich? Kann Jemand auf den Gedanken kommen, ich gehörte nicht zur Familie Harcher's wie Deine Brüder und Du selbst?

- O, ich meine, das ist sogar in der That der Fall, rief Jacques, der Jüngste der fünf, der immer lustig und guter Dinge war. Unser braver Vater hat so viel Kinder, daß eins mehr oder weniger auch nichts ausmacht, und er sich in dieser Hinsicht selbst einmal täuschen könnte.

- Und übrigens, fügte Tony hinzu, liebt er Dich wie einen Sohn, und wir lieben Dich, als wenn wir Alle desselben Blutes wären.

- Wir gehören ja, ebenso wie Du, Johann, der französischen Race an, bemerkte Remy.

- Ja, gewiß, antwortete Johann. Ich glaube aber nicht, daß wir von der Polizei etwas zu fürchten haben.

- Man bereut es niemals, zu vorsichtig gewesen zu sein, ließ sich Tony vernehmen.

- Nein, das gewiß nicht, entgegnete Johann, und wenn es nur aus Klugheit geschieht, daß Pierre vorschlägt, über den Fluß hin zu segeln.

- Aus Klugheit, ja, unterbrach ihn der Führer des »Champlain«, denn das Wetter scheint umzuschlagen.

- Das ist ein ander Ding, erwiderte Johann.

- Sieh, fuhr Pierre fort, es muß sehr bald ein Nordost einsetzen, und ich habe eine Ahnung, daß dieser sehr stark werden wird. So etwas fühle ich vorher!. Oh, wir haben schon manchem anderen Sturm getrotzt, dennoch müssen wir an unser Schiff denken, und ich möchte es nicht auf mich nehmen, dasselbe an den Felsen von Riviere-du-Loup oder von Kamuraska zerschellen zu sehen.

- Ganz richtig, bestätigte Johann. Begeben wir uns also nach dem Nordufer, womöglich nach der Gegend von Tadoussac, von da können wir den Lauf des Stroms bis Chicoutimi hinaufsegeln, und damit würden wir weder Zeit noch Mühe verlieren.

- Hurtig also, rief Michel, Pierre hat Recht. Der Schurke von Nordost ist nicht mehr fern. Wenn er den »Champlain« von der Seite packte, würden wir nach Quebec den zwanzigfachen Weg gegenüber dem nach Tadoussac zurückzulegen haben.«

Die Segel des »Champlain« wurden also scharf angezogen, und der Kutter begann, den Bug nach oben gerichtet, gegen den mehr und mehr abfallenden Wind anzulaufen.

Diese Nordoststürme sind hier leider nicht selten, selbst im Sommer. Ob sie dann nur zwei bis drei Stunden wüthen oder eine ganze Woche über anhalten, allemal überwölken sie den Golf mit eisigem Nebel und überschwemmen das Thal mit den furchtbarsten Regengüssen.

Es war jetzt acht Uhr Abends. Pierre Harcher hatte sich beim Erblicken gewisser, wie Pfeile einherfliegender Wolken, den Vorboten des Sturmwindes, nicht getäuscht, und es erschien die höchste Zeit, an der Nordküste Schutz zu suchen.

Fünf bis sechs Lieues (21 bis 25 Kilometer) trennen Riviere-du-Loup von der Mündung des Saguenay, es machte aber große Schwierigkeiten, dieselben zurückzulegen. Einer Windhose gleich packte der Sturm den »Champlain«, als dieser auf dem ersten Drittel des Weges war. Die Segel mußten bis zum Aeußersten gerefft werden, und dennoch wurde der Kutter so stark vom Wind gedrückt, daß man fürchten konnte, das Mastwerk glatt am Verdeck wegbrechen zu sehen. Die Oberfläche des Flusses, gleich aufgeregt wie jedenfalls das Meer im Golfe, erhob sich in gewaltigen Wogen, welche gegen den Steven des »Champlain« donnerten und im rauschenden Schwall über diesen hereinbrachen. Die Lage erschien für ein Fahrzeug von höchstens zwölf Tonnen recht ernstlich. Die Besatzung des Fahrzeuges hatte aber ebenso kaltes Blut, wie Geschick in den nöthigen Manövern. Schon mehr als einmal hatte diese noch schlimmeren Stürmen getrotzt, wenn sich der Kutter auf das offene Meer zwischen Neufundland und die Insel Cap Breton hinauswagte. Auch jetzt war also auf dessen gute nautische Eigenschaften und auf die Haltbarkeit seines Rumpfes zu bauen.

Pierre Harcher hatte viele Mühe, die Mündung des Saguenay zu erreichen und mußte drei lange Stunden hindurch gegen das Unwetter kämpfen. Als die Ebbe wieder eintrat, begünstigte diese zwar das Fortkommen des Kutters, machte den Anprall der Wellen aber noch stärker. Wer einen solchen Nordoststurm nicht selbst mit erlebt hat, wenn derselbe durch das weit offene Thal des St. Lorenzo braust, der kann sich von seiner Heftigkeit kaum eine Vorstellung machen. Er ist eine wirkliche Geißel für die stromabwärts von Quebec liegenden Grafschaften.

Zum Glück konnte der »Champlain«, nachdem er unter dem nördlichen Ufer Schutz gefunden, sich noch vor Anbruch der Nacht in die Mündung des Saguenay flüchten.

Der Sturm hatte nur wenige Stunden angehalten. Am folgenden Tag, am 19. September, konnte Johann schon frühzeitig seinen Zug fortsetzen, wobei er dem Saguenay folgte, dessen Bett zwischen den hohen Felsmassen der Caps der Dreieinigkeit und der Ewigkeit einschneidet. Die genannten Caps erreichen übrigens eine Höhe von achtzehnhundert Fuß. Hier in diesem malerischen Landstriche finden sich die herrlichsten Gegenden und bieten sich dem Auge die eigenthümlichsten Bilder der ganzen Provinz Canada, und darunter die prächtige Bai Ha-ha - eine onomatopoetische Bezeichnung, welche die Bewunderung der Lustreisenden für dieselbe erfand. Der »Champlain« erreichte Chicoutimi, wo Johann sich mit den Mitgliedern des Reformer-Comites in Verbindung setzen konnte, und am nächsten Tage schlug er, die nächtliche Fluth benutzend, wieder die Richtung nach Quebec ein.

Inzwischen vergaßen Pierre Harcher und seine Brüder keinen Augenblick, daß sie von Beruf Fischer waren. Jeden Abend legten sie ihre Netze und Leinen aus. Zeitig des Morgens liefen sie dann die zahlreichen Dörfer an beiden Ufern an. So besuchten sie an dem fast wild erscheinenden Nordufer, das sich längs der Grafschaft Charlevoix von Tadoussac bis zur Bai St. Paul ausdehnt, Maibaie, St. Irenee und Notre-Dame-des-Eboulements, dessen bezeichnender Name durch seine Lage inmitten chaotischen Felsgewirrs gerechtfertigt wird. Weiter konnte Johann an den Küsten von Beauport und Beaupre für seine Sache wirken, wobei er zuerst bei Chateau Richer und dann an der Insel Orleans stromabwärts von Quebec aus Land ging.

Am südlichen Ufer hielt der »Champlain« unter Anderem bei St. Michel an der Levisspitze. Hier galt es einigermaßen vorsichtig zu sein, denn gerade dieser Theil des Flusses wurde scharf überwacht. Vielleicht wäre es rathsam gewesen, bei Quebec gar nicht anzulegen, wo der Kutter am Abend des 22. September eintraf. Johann hatte aber hier ein Stelldichein mit dem Advocaten Sebastian Grammont, einem der entschiedensten Abgeordneten der canadischen Opposition, verabredet.

Da es ganz finster war, schlich sich Johann nach dem oberen Theil der Stadt, wo er in der Straße Petit Champlain das Haus Simon Grammont's erreichte.

Die Beziehung zwischen dem Advocaten und Johann bestand schon mehrere Jahre. Sebastian Grammont, jetzt sechsunddreißig Jahre alt, hatte sich an allen politischen Kundgebungen der letzten Jahre betheiligt - vorzüglich 1835, wo er kühn mit seiner Person eingetreten war. Von daher schrieb sich seine enge Verbindung mit Johann ohne Namen, der ihm übrigens nichts über seine Herkunft und seine Familie gesagt hatte. Sebastian Grammont wußte nur das Eine, daß der junge Patriot, wenn die Stunde gekommen war, sich an die Spitze des Aufstandes setzen werde. Jetzt, wo er diesen seit dem mißlungenen Versuch von 1835 noch nicht wieder gesehen, erwartete er ihn mit lebhafter Ungeduld.