- Nein, dann würde ich gar nichts verdienen!«
Hiermit trennten sich die beiden Freunde. Nachdem Johann den eine Kabellänge vom Ufer verankerten »Champlain« wieder erreicht hatte, segelte dieser mit der Strömung nach Montreal zu weiter.
Siebentes Capitel
Von Quebec nach Montreal
Um Mitternacht hatte der Kutter bereits einige Meilen stromaufwärts zurückgelegt. In dieser vom Scheine des Vollmonds erhellten Nacht steuerte Pierre Harcher mit voller Sicherheit daher, obwohl er von einem Ufer zum anderen laviren mußte, denn der Wind wehte als frische Brise genau aus Westen.
Der »Champlain« hielt erst kurz vor Anbruch des Morgenroths an. Leichte Dunstmassen huschten da über die Wasserfläche der beiden Ufer. Bald tauchten dann im Hintergrunde stehende Bäume aus diesem Nebelschleier auf, den die Sonne aufzulösen begann, und der Lauf des Stromes wurde wieder sichtbar.
Schon waren viele Fischer bei der Arbeit, indem sie Netze und Angelschnuren hinter ihren kleinen Booten her schleppten, welche nur den Oberlauf des St. Lorenzo und seine Nebenflüsse zur Rechten und zur Linken befahren. Der »Champlain« verlor sich bald unter dieser Flottille, welche ihrer nationalen Beschäftigung zwischen den Ufern der Grafschaften Port-Neuf und Lotbiniere nachging. Auch die Brüder Harcher begannen sofort ihre Arbeit, nachdem sie an der Nordseite den Anker versenkt hatten. Sie brauchten noch einige Körbe Fische, um diese in den Dörfern zu verkaufen, sobald die Fluth gestatten würde, trotz des Gegenwindes den Strom wieder hinauf zu gelangen.
Während des Fischfanges legten mehrere Rindenboote am »Champlain« an. Es waren zwei oder drei jener leichten »Skifs«, die man auf die Schulter nehmen kann, wenn es sich darum handelt, Untiefen, also Stellen, an denen der Fluß nicht schiffbar ist oder wo ihn Felsen sperren, ebenso längs der Stromschnellen und Wasserfälle, welche ihn da und dort unterbrechen, zu passiren.
Die Leute in den Canots gehörten meist der indianischen Race an. Sie kamen, um Fische zu kaufen, welche sie dann sogleich nach den Flecken und Dörfern des Inneren beförderten, wohin, auf den kleinen Wasserläufen des Landes, nur ihre leichten Boote vordringen konnten. Zu wiederholten Malen legten auch Canadier an den »Champlain« an. Einige Minuten unterhielten sie sich mit Johann und steuerten dann wieder zum Ufer zurück, um die ihnen gegebenen Aufträge auszuführen.
Hätten die Brüder Harcher an diesem Morgen geschäftsmäßig oder nur zum Vergnügen gefischt, so wäre ihnen eine reiche Beute zugefallen. In den Netzen und an den Schnuren fing sich eine große Menge Hechte, Barsche und jener in den canadischen Gewässern so zahlreich vorkommenden Maskinongis und Turadis, welche von den Feinschmeckern Nordamerikas so hochgeschätzt werden.
Daneben singen sie auch viele »Weißfische«, welche ihres zarten vortrefflichen Fleisches wegen ebenfalls allgemein beliebt sind. Die Leute vom »Champlain« durften also in den Uferwohnungen auf den besten Empfang rechnen, und dieser ward ihnen denn auch zutheil.
Uebrigens waren sie durch ein prächtiges Wetter ungemein begünstigt - ein Wetter, wie es dem glücklichen und unvergleichlichen Thale des St. Lorenzo eigenthümlich ist. Welch' wunderbar schönen Anblick boten da die benachbarten Gelände vom Ufer des Stromes bis zum Fuße der Laurentidenkette! Nach der poetischen Schilderung Fenimore Cooper's zeigten sie sich in ihrem Herbstschmuck - dem gelben und grünen Gewand der letzten schönen Tage - ganz besonders schön.
Der »Champlain« richtete seinen Lauf zunächst nach dem Strande der Grafschaft Port-Neuf am linken Ufer. Im Flecken gleichen Namens wie in den Dörfern St. Anna und St. Stanislaus wurden recht gute Geschäfte gemacht. Vielfach ließ der »Champlain« daselbst freilich mehr an Geld zurück, als er für die Producte der Fischerei vereinnahmte. Die Brüder Harcher dachten jedoch gar nicht daran, sich darüber zu beklagen.
Während der beiden folgenden Tage besuchte Johann abwechselnd beide Stromufer. In der Grafschaft Lotbiniere auf dem rechten Ufer, in Lotbiniere selbst, in St. Pierre-les-Bosquets - in der Grafschaft Champlain am entgegengesetzten Ufer in Batiscan - ferner wieder auf der Gegenseite in Gentilli und Doucette, erhielten die hervorragendsten Reformer seinen Besuch. Sogar eine der einflußreichsten Persönlichkeiten von Nicolet, in der Grafschaft gleichen Namens, ein gewisser Aubineau, Friedensrichter und Gerichtscommissär für die geringfügigeren Angelegenheiten, setzte sich in Verbindung mit ihm. Hier wie in Quebec hörte Johann, daß der Abbe Joann die Kirchspiele durchwanderte und daß seine Predigten die Geister aufgerüttelt hatten. Aubineau hatte ihm vertraut, daß es in seiner Umgebung vor Allem an Waffen und Schießbedarf fehle.
»Sie werden damit versorgt werden, antwortete er. Eine von Montreal in vergangener Nacht abgegangene Holzladung muß sehr bald eintreffen und Flinten, Pulver und Blei mitbringen. Doch hüten Sie sich, vor der Zeit eine Erhebung zu versuchen. Wäre das nicht zu umgehen, so setzen Sie sich mit dem Comite in der Villa Montcalm auf der Insel Jesus in Verbindung und wenden Sie sich brieflich an dessen Vorsitzenden.
- An Herrn de Vaudreuil?.
- Ja, an ihn.
- Einverstanden.
- Sagten Sie nicht, daß der Abbe Joann durch Nicolet gekommen sei?
- Vor sechs Tagen war er hier.
- Wissen Sie vielleicht, wohin er sich von Ihnen aus gewendet hat?
- Nach der Grafschaft Vercheres, und von da aus wird er sich, wenn ich nicht irre, nach der Grafschaft Laprairie begeben.«
Hierauf nahm Johann von dem Friedensrichter Abschied und kehrte an Bord des »Champlain« zurück, als die Brüder Harcher, nachdem sie ihre Fische abgesetzt, auf diesem wieder eintrafen. Nun steuerten sie schräg über den Strom in der Richtung nach der Grafschaft St. Maurice.
An der Mündung des Flusses dieses Namens erhebt sich einer der letzten Flecken des Landes, die Ortschaft Trois-Rivieres, am Rande eines fruchtbaren Thales. Zu jener Zeit hatte man daselbst eben eine, von einer französisch-canadischen Gesellschaft geleitete Kanonengießerei errichtet, welche auch nur französisch-canadische Arbeiter beschäftigte.
Diese Gegend war ein Mittelpunkt anti-loyalistischer Bestrebungen, den Johann nicht vernachlässigen konnte. Der »Champlain« segelte mehrere Meilen weit den Lauf des St. Maurice hinauf, und der junge Patriot setzte sich mit den in den Kirchspielen schon vorhandenen Comites in Beziehung.
Die genannte, eben begründete Gießerei befand sich freilich noch im Zustande der Organisation. Wenige Monate später hätten die Reformer sich wohl hier mit den Feuerschlünden ausrüsten können, die ihnen so sehr fehlten. Es wäre dann - bei Tag und Nacht fortgesetzter Arbeit - möglich gewesen, der Artillerie der königlichen Truppen die ersten in dem Werke von St. Maurice gegossenen Kanonen gegenüberzustellen. Johann hatte über diese Angelegenheit ein wichtiges Gespräch mit den Vorstehern des Comites, damit wenigstens einige Feldstücke schleunigst hergestellt würden, zu deren Bedienung es an Mannschaften schon nicht fehlen werde.
Von Trois-Rivieres absegelnd, folgte der »Champlain« zur Linken dem Ufer der Grafschaft Maskinonge, hielt bei der kleinen Stadt dieses Namens einmal an und steuerte dann in der Nacht vom 24. bis 25. September nach einer weit offenen Stelle des St. Lorenzo, welche unter dem Namen des St. PierreSees bekannt ist. Hier breitet sich in der That ein gegen fünf Lieues langer See aus, stromaufwärts begrenzt von einer Menge von Eilanden, welche sich von Berthier, einer Ortschaft gleichen Namens, bis nach Sorel, das schon zur Grafschaft Richelieu gehört, hinstrecken.
Hier spannten die Brüder Harcher ihre Netze aus oder schleppten dieselben vielmehr nach, wobei sie mit Hilfe der Strömung mäßig schnell den Fluß weiter hinauf gelangten. Dicke Wolken bedeckten den Himmel, und die Dunkelheit war stark genug, um weder nach Norden noch nach Süden zu eines der Ufer erblicken zu können.