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- Vincent Hodge ist dem Gemetzel glücklich entgangen, fiel da Clary ein. Im Laufe der Nacht ist er in der Umgebung von St. Charles umhergeirrt, um Dich, lieber Vater, vielleicht zu finden. Bridget und ich sind ihm auf der Straße begegnet. Ihm verdanken wir es, den Gewaltthaten mehrerer Soldaten entkommen zu sein und das geschlossene Haus erreicht zu haben. Ohne Zweifel befindet er sich jetzt in einem Dorfe der Vereinigten Staaten in Sicherheit.

- Es ist ein edler Charakter, ein glühender Patriot! sagte Johann. Was er für Fräulein de Vaudreuil und meine Mutter gethan, das that er im hitzigsten Kampfe auch für mich. Er hat mir das Leben gerettet, und doch wär' es vielleicht besser gewesen, er hätte mich sterben lassen. Ich hätte dann wenigstens die Niederlage der Söhne der Freiheit nicht mit angesehen!

- Johann, wandte sich da das junge Mädchen an ihn, Sie werden doch an unserer heiligen Sache nicht verzweifeln?

- Mein Sohn und verzweifeln! erwiderte lebhaft Bridget. Das werd' ich nimmermehr glauben!

- Nein, Mutter! rief Johann. Nach dem Siege bei St. Denis sollte sich der Aufstand über das ganze Thal des St. Lorenzo verbreiten - nach der Niederlage bei St. Charles gilt es nun, einen neuen Feldzug zu beginnen, und ich werde diesen ins Werk setzen. Noch sind die Reformer keineswegs besiegt. Schon dürften sie wieder bereit stehen, den Colonnen Sir John Colborne's Widerstand zu leisten. Leider hab' ich schon zu lange gezögert, sie aufzusuchen; doch heute Nacht reife ich ab.

- Wohin wollen Sie, Johann? fragte Herr de Vaudreuil.

- Zunächst nach St. Denis. Daselbst hoffe ich die tüchtigsten Anführer zu treffen, mit denen wir die Soldaten Gore's so glücklich zurückgeschlagen hatten.

- Gehe, ja, gehe, mein Sohn! sagte Bridget mit einem bedeutsamen Blick auf Johann. Ja, gehe bald! Dein Platz ist nicht hier. Er ist da unten. in den vordersten Reihen.

- Ja, Johann, ziehen Sie hinaus mit Gott! Sie müssen Ihre Waffengefährten wieder aufsuchen, müssen an deren Spitze erscheinen!. Die Loyalisten sollen es erfahren, daß Johann ohne Namen nicht todt ist.«

Clary konnte nicht weiter reden.

Sich halb aufrichtend, ergriff Herr de Vaudreuil die Hand Johanns, und auch er wiederholte:

»Ziehen Sie hin, Johann! Ueberlassen Sie mich der Pflege Ihrer Mutter und meiner Tochter. Wenn Sie meine Freunde wiederfinden, so sagen Sie ihnen, daß sie mich in ihrer Mitte sehen werden, sobald meine Kräfte es irgend gestatten. - Doch, fügte er mit einer Stimme hinzu, welche seine äußerste Schwäche erkennen ließ, wenn Sie uns auf dem Laufenden erhalten können über das, was im Werke ist. wenn es Ihnen möglich wäre, einmal selbst nach dem geschlossenen Hause zurückzukommen!. Ach, Johann!. Es verlangt mich so sehr zu wissen. was aus allen Denen, die mir theuer sind, geworden ist. sie, die ich vielleicht niemals wiedersehen werde!

- Sie werden es erfahren, Herr de Vaudreuil, versicherte Johann. Jetzt pflegen Sie der Ruhe!. Vergessen Sie Alles bis zur Stunde, wo es wieder zu kämpfen gilt!«

Bei dem Zustand, in dem der Verwundete sich befand, mußte ihm wirklich jede Aufregung erspart bleiben. Er fing jetzt schon an einzuschlummern, und dieser Schlummer dauerte bis zur Mitte der Nacht an. Er währte auch noch fort, als Johann gegen elf Uhr das geschlossene Haus verließ, nachdem er Clary ein Lebewohl gesagt und nachdem er seine Mutter umarmt, die auch in der Minute, wo sie sich von ihrem Sohn trennte, ihre Standhaftigkeit bewahrte.

Uebrigens waren die Verhältnisse nicht dieselben wie am Tage vorher, als Bridget Johann abhielt, sich nach St. Denis zu begeben. Seit dem Abzuge Whiterall's hatten sich die Gefahren wesentlich vermindert. St. Denis war ebenso ruhig wie St. Charles. Seit der Niederlage der Reformer am 25. vermied die Regierung vorläufig weitere Gewaltmaßregeln. Man mußte sogar darüber erstaunen, daß sie ihren Sieg nicht durch einen Vormarsch gegen die Sieger vom 23. zu vervollständigen suchte. Sir John Colborne war nicht der Mann dazu, zurückzuschrecken vor den Repressalien, welche eine feindliche Rückkehr hervorrufen konnte, und der Oberst Gore durfte wohl Eile haben, seine Niederlage zu rächen.

Doch wie dem auch sein mochte, in St. Charles und folglich auch im geschlossenen Hause erhielt man keine Neuigkeiten. Auch das Vertrauen der Einwohner des Ortes war wieder gestiegen. Nachdem sie sich erst weithin verstreut, kehrten die meisten jetzt nach ihren Wohnstätten zurück und arbeiteten schon daran, die Zerstörungen von der Plünderung und der Feuersbrunst wieder nach Möglichkeit auszugleichen. Bei Bridgets seltenen Ausgängen fragte diese auch nach Nichts, hörte dagegen auf Alles und konnte so Herrn und Fräulein de Vaudreuil über alles Vorgehende unterrichten. Doch wie gesagt, keine bedrohliche Neuigkeit tauchte jetzt mehr im Lande auf, und von einer Truppenannäherung auf der Straße von Montreal verlautete nicht das Geringste.

Auch während der drei folgenden Tage wurde diese Ruhe ebenso in der Grafschaft Hyazinthe wie in den benachbarten Grafschaften nicht gestört. Man hätte fast glauben mögen, daß die Regierung den Aufstand für vollständig gedämpft halte, und es gewann den Anschein, als lasse sie nur die Häupter der Opposition verfolgen, die die Signale zur Empörung gegeben hatten. Niemand konnte dagegen annehmen, daß die Reformer schon auf jede Fortsetzung des Kampfes verzichten und sich für unbedingt besiegt halten könnten, so daß ihnen nichts als die unbedingte Unterwerfung übrig bliebe. Nein! Im geschlossenen Hause wie in ganz Canada erwartete man bestimmt ein neues Auflodern des schweren Kampfes.

Unter Bridgets und Clarys liebevoller Pflege besserte sich der Zustand des Herrn de Vaudreuil zusehends. Trotz der noch fortdauernden Schwäche begann die Wunde doch zu vernarben. Leider drohte die völlige Wiedergenesung recht lange Zeit in Anspruch zu nehmen, selbst bis zu dem Zeitpunkt, wo Herr de Vaudreuil voraussichtlich das Bett verlassen konnte. Gegen Ende des dritten Tages vermochte er etwas Nahrung zu sich zu nehmen. Das Fieber, welches ihn anfänglich verzehrte, war fast gänzlich verschwunden. Trat jetzt keine unerwartete Complication ein, so war nichts Besonderes mehr zu fürchten.

In den langen müßigen Stunden, welche Bridget und Clary an seinem Lager verbrachten, berichteten sie ihm Alles, was man draußen sagte. Der Name Johann flocht sich immer und immer wieder in ihre Aussagen ein, da sie noch nicht wußten, ob er sich seinen Gefährten in St. Denis habe anschließen können, und sie doch kaum glaubten, daß er die Insassen des geschlossenen Hauses ohne Nachricht lassen werde.

Und während Clary, die Augen gesenkt und in Gedanken in die Weite schweifend, da saß, erschöpfte sich Herr de Vaudreuil in Lobsprüchen bezüglich des jungen Patrioten, der ihm die nationale Sache gewissermaßen zu verkörpern schien. Ja, Frau Bridget konnte stolz sein auf einen solchen Sohn!

Den Kopf niederbeugend, antwortete Bridget entweder gar nicht, oder wenn sie es that, erklärte sie nur, daß Johann vielleicht seine Pflicht, gewiß aber nichts mehr gethan habe.

Es konnte weder Wunder nehmen, daß Clary eine warme Freundschaft, fast eine kindliche Liebe für Bridget empfand, noch daß ihr Herz sich so innig zu Jener hingezogen fühlte. Es erschien ihr so natürlich, sie »Mutter« zu nennen. Und doch kam es ihr vor, wenn sie ihre Hand ergreifen wollte, als ob Bridget diese zurückzuziehen suchte. Wenn Clary Bridget umarmte, wandte diese fast auffallend den Kopf zur Seite. Das junge Mädchen vermochte sich das nicht zu erklären, und wie gern hätte sie auch etwas von der Vergangenheit dieser Familie erfahren, welche nicht einmal mehr einen Namen hatte. Bridget blieb aber dieser Frage gegenüber stumm. Die gegenseitige Lage der beiden Frauen gestaltete sich also so, daß auf der einen Seite die aufrichtigste Hingebung und fast kindliche Liebe, auf der anderen eine sorgsame Zurückhaltung bestand, bei der die betagte Mutter sich von der jungen Tochter sozusagen zu entfernen suchte.