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»In jener Nacht, wo ich das geschlossene Haus verließ, traf ich nach zwei Stunden in St. Denis ein. Dort fand ich noch einige Patrioten, die das letzte Unglück überlebt hatten, und Marchessault, Nelson, Cartier, Vincent Hodge, Farran und Clerc hatten sich diesen angeschlossen. Sie rüsteten sich zur Abwehr. Die Bevölkerung wünschte nichts mehr, als sie unterstützen zu können. Gestern aber hörten wir, daß Colborne von Sorel eine starke Abtheilung Reguläre und Freiwillige zur Plünderung und Niederbrennung der Flecken abgesendet habe. Diese Colonne traf im Laufe des Abends ein. Vergebens wollten wir ihr Widerstand entgegensetzen. Sie drangen in St. Denis, das die Bewohner verlassen mußten, ein. Mehr als fünfzig Häuser wurden durch die Flammen verzehrt. Dann sahen sich auch meine Kameraden genöthigt zu entfliehen, um nicht von den Henkern hingeschlachtet zu werden: sie wichen nach der Grenze hin aus, wo Papineau und Andere sie in Plattsburg, an der Rouse's-Spitze oder in Swanton erwarteten. Jetzt überschwemmen nun die Soldaten Whiterall's und Gore's die Grafschaften im Süden des St. Lorenzo, brennend und sengend, bringen Frauen und Kinder an den Bettelstab und ersparen ihnen auch nicht die schlimmsten Gewaltthätigkeiten, die abscheulichste Schmach, während man ihre Spuren an dem Scheine der Feuersbrünste verfolgen könnte!. Das. das ist inzwischen geschehen, Herr de Vaudreuil, und doch verzweifle ich noch nicht, doch will ich an unserer Sache nicht verzweifeln!«

Ein dumpfes, schmerzliches Schweigen folgte diesen Aussagen Johanns. Herr de Vaudreuil war in die Kissen zurückgesunken.

Bridget nahm das Wort, indem sie, den Blick fest auf ihren Sohn gerichtet, diesem die Frage stellte:

»Warum bist Du hier? Warum nicht da, wo Deine Gefährten verweilen?

- Weil ich Ursache habe, zu fürchten, daß die Königlichen auch nach St. Charles kommen, hier Haussuchung vornehmen, und daß die Flammen verzehren werden, was bis jetzt noch übrig blieb von.

- Und kannst Du das abwenden, Johann?

- Nein, Mutter!

- Nun also, so wiederhole ich die Frage, warum bist Du hier?

- Weil ich habe sehen wollen, ob es nicht thunlich wäre, daß Herr de Vaudreuil das geschlossene Haus, welches ebensowenig wie die anderen Wohnstätten verschont werden dürfte, nicht verlassen könnte.

- Das ist nicht möglich, erklärte Bridget.

- So bleibe auch ich hier und werde mich tödten lassen, während ich Alle vertheidige.

- Für das Vaterland dürfen Sie in den Tod gehen, nicht aber für uns! sagte Herr de Vaudreuil. Ihr Platz ist da, wo die Patrioten sind.

- Da, wo auch der Ihrige ist, Herr de Vaudreuil! entgegnete Johann. Hören Sie mich an. Sie können nicht in diesem Hause wohnen, wo Sie bald entdeckt werden müßten. Heute Abend, als ich etwa noch eine halbe Meile zurückzulegen hatte, bin ich von einer großen Abtheilung Polizeibeamter verfolgt worden. Es steht außer Zweifel, daß die Männer mich erkannt haben, da Sie ja auch dieselben haben meinen Namen aussprechen hören. Man wird den ganzen Ort durchsuchen, und selbst wenn ich nicht mehr hier wäre, wird das geschlossene Haus dennoch von oben bis unten durchsucht werden. Sie, Herr de Vaudreuil, werden die Beamten finden, Sie werden von denselben weggeschafft werden und auf Gnade dürfen Sie dann nicht hoffen!

- Was thut das, Johann, erwiderte Herr de Vaudreuil, was thut das, wenn Sie nur wieder zu Ihren Waffengefährten an der Grenze gelangt sind?

- Bitte, hören Sie mich ruhig an! fuhr Johann fort. Alles, was für unsere Sache irgend geschehen kann, werd' ich gewiß thun. Jetzt handelt es sich aber um Sie, Herr de Vaudreuil. Vielleicht ist es doch nicht unmöglich, daß Sie die Vereinigten Staaten erreichen. Schon außerhalb der Grafschaft St. Hyazinthe werden Sie in Sicherheit sein, und dann haben Sie nur noch wenige Meilen bis zum amerikanischen Gebiete. Zugegeben, daß Ihnen jetzt die Kräfte fehlen, sich dahin zu schleppen, selbst wenn ich Sie so gut wie möglich unterstütze. Doch in einem Wagen, ausgestreckt auf einem Strohlager, wie hier in Ihrem Bette - sollten Sie die kleine Reise auch so nicht aushalten? Nun wohl, meine Mutter mag einen solchen Wagen unter irgend einem Vorwande besorgen - vielleicht unter dem Vorgeben, nachdem so viele Andere entflohen, St. Charles ebenfalls verlassen zu wollen - mit einem Worte, sie mag es auf jeden Fall versuchen. Nächste Nacht verlassen wir dann, Ihre Tochter und Sie, meine Mutter und ich, diese Wohnung und wir können bequem außer Schußweite sein, ehe die Mordgesellen Gore's aus St. Charles dasselbe wie aus St. Denis machen - einen traurigen Hausen von Ruinen!«

Der Vorschlag Johanns verdiente gewiß erwogen zu werden. Wenige Meilen südlich von der Grafschaft würde Herr de Vaudreuil die Sicherheit finden, welche ihm das geschlossene Haus nicht zu bieten vermochte, sobald die königlichen Truppen den Flecken besetzten und bei den Bewohnern Haussuchungen vornahmen. Es war nur zu gewiß, daß die Leute Rip's von Johanns Anwesenheit hier erfahren hatten. War er ihnen bisher entgangen, so mußten sie wohl annehmen, daß er sich in irgend einem Hause von St. Charles versteckt halte. Und sollten sie nicht Alles aufbieten, um ihn zu finden? Die Lage gestaltete sich demnach sehr bedrohlich. Auf jeden Fall erschien es unumgänglich, daß nicht allein Johann, sondern auch Herr de Vaudreuil und dessen Tochter das geschlossene Haus rechtzeitig verlassen hatten.

Die Flucht erschien nicht unausführbar, im Falle es Bridget gelang, einen Wagen zu erhalten, und Herr de Vaudreuil im Stande war, eine Fahrt von einigen Stunden zu ertragen. Selbst angenommen, daß er zu schwach wäre, bis zur Grenze zu kommen, so würde er doch in jeder Farm der Grafschaft St. Hyazinthe Aufnahme finden.

Kurz, die Nothwendigkeit, St. Charles zu verlassen, ergab sich daraus, daß die Polizei Nachsuchungen vornahm.

Johann hatte keine Mühe, Herrn de Vaudreuil und seine Tochter zu überzeugen. Auch Bridget billigte den Plan. Leider konnte man nicht daran denken, dieselbe Nacht aufzubrechen. Erst mit Tagesanbruch sollte Bridget ein Gefährt zu erlangen suchen, und im Laufe der nächsten Nacht der Vorschlag zur Ausführung kommen.

Der Tag brach an. Bridget hielt es für besser, ganz offen zu Werke zu gehen. Niemand würde es ja auffallend finden, daß sie sich entschlossen hätte, den Schauplatz des Aufstandes zu verlassen. Schon war eine große Anzahl Einwohner entflohen, und ein gleicher Entschluß ihrerseits konnte Niemand verwundern.

Zuerst war es ihre Absicht gewesen, Herrn de Vaudreuil, Clary und Johann nicht zu begleiten. Ihr Sohn gab ihr aber zu erwägen, daß, wenn sie ihre Abreise einmal angemeldet, ihre Nachbarn, sobald diese sie noch immer sähen, auf die Vermuthung kommen müßten, daß der entliehene Wagen nur einem im geschlossenen Hause versteckt gewesenen Patrioten gedient haben werde, daß auch die Polizeibeamten das schließlich hören würden, und daß sie, im eigenen Interesse wie in dem des Herrn de Vaudreuil, keine Veranlassung geben dürfe, eine Untersuchung hierüber anzustellen.

Bridget mußte sich diesen drei schwerwiegenden Gründen fügen. Wenn die unruhige Zeit vorüber war, wollte sie dann nach St. Charles zurückkehren und hoffte ihr trauriges Leben im Innern des Hauses, das sie niemals hatte verlassen wollen, einst zu beendigen.

Nach endgiltiger Lösung dieser Fragen beschäftigte sich Bridget mit der Beschaffung eines Transportmittels. Wäre es auch nur ein leichter Planwagen, so mußte ein solcher hinreichen, bis zur Grafschaft Laprairie zu gelangen, welche die königlichen Truppen vorläufig noch nicht bedrohten. Am frühen Morgen machte sich dann Bridget schon auf. Sie war zur Miethung, oder vielmehr zur Beschaffung eines Wagens hinlänglich mit Geld versehen, welches Herr de Vaudreuil zu diesem Zwecke gegeben hatte.

Während ihrer Abwesenheit entfernten sich Johann und Clary nicht aus dem Zimmer des Herrn de Vaudreuil. Dieser hatte seine ganze Energie wieder gewonnen.

Gegenüber der Anstrengung, die es ihm kosten mußte, die Fahrt auszuhalten, fühlte er, daß es ihm an physischer Kraft nicht fehlen werde. Schon hatte eine Art Reaction seinen Zustand merkbar verändert. Trotz noch andauernder großer Schwäche, war er bereit, sich zu erheben, bereit, vom Bette aus sich auf den Weg zu begeben, wenn der Augenblick kam, das geschlossene Haus zu verlassen. Er stand für sich ein -wenigstens für einige Stunden. Das Weitere blieb dann Gott anheimgestellt. Doch kümmerte er sich um nichts weiter, hatte er nur seine Kampfgenossen wiedergesehen, seine Tochter in Sicherheit bringen können, und wußte er nur, daß sich Johann inmitten der zu einer letzten Anstrengung entschlossenen französischen Canadier befand.