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Gegen sechs Uhr wünschte Bridget, daß Clary und Johann ein kleines Mahl verzehrten, das sie bereitet hatte. Herr de Vaudreuil aß kaum einen Bissen. Aufs äußerste erregt durch die Gefahr der Lage und durch die Nothwendigkeit, ihr Stand zu halten, erwartete er ungeduldig den Augenblick, sich auf den Weg zu machen.

Kurz vor sieben Uhr klopfte es leise an die Hausthür.

War das der Farmer, der den Wagen noch vor der verabredeten Zeit herbrachte? Jedenfalls war es keine Feindeshand, die mit solcher Vorsicht anklopfte.

Johann und Clary zogen sich in das Zimmer des Herrn de Vaudreuil, dessen Thür sie halb angelehnt ließen, zurück.

Bridget schritt durch die Hausflur und öffnete, nachdem sie die Stimme Luc Archambaut's erkannt hatte.

Der ehrsame Farmer kam, um Frau Bridget mitzutheilen, daß es ihm unmöglich sei, sein Versprechen einzulösen, und brachte das Geld für den Wagen wieder, den er nicht liefern konnte.

Seine Farm war nämlich ebenso wie die benachbarten Farmen von Soldaten besetzt worden.

Der Flecken selbst war eingeschlossen, und selbst wenn der Wagen Frau Bridget zur Verfügung gestanden hätte, würde sie davon haben keinen Gebrauch machen können.

Man mußte wohl oder übel warten, bis St. Charles endgiltig geräumt war.

Johann und Clary hörten von dem Zimmer aus, in dem sie regungslos stillstanden, was Luc Archambaut sagte; Herr de Vaudreuil natürlich ebenfalls.

Der Farmer setzte noch hinzu, daß Frau Bridget für das geschlossene Haus nichts zu fürchten habe, und daß die Rothröcke nur nach St. Charles zurückgekehrt seien, um die Polizei bei den vorzunehmenden Nachforschungen in allen Grundstücken des Ortes zu unterstützen. Und weshalb?. Weil das Gerücht ging, Johann ohne Namen habe sich hier im Flecken verborgen, wo nun alle Mittel daran gesetzt werden sollten, ihn zu entdecken.

Als der Farmer den Namen ihres Sohnes aussprach, unterdrückte Bridget jede Bewegung, die sie hätte verrathen können.

Luc Archambaut zog sich dann zurück, und Bridget sagte, als sie das Zimmer betrat:

»Entfliehe, Johann! Flieh' auf der Stelle!

- Es muß sein, rief Herr de Vaudreuil.

- Fliehen ohne Sie? erwiderte Johann.

- Sie haben nicht das Recht, sich für uns zu opfern, erklärte Clary. Das Vaterland geht vor.

- Und ich gehe doch nicht von hier! sagte Johann. Ich werde Sie nicht den Gewaltthätigkeiten und Rohheiten dieser Schurken ausgesetzt lassen!.

- Und was könnten Sie thun, Johann?

- Das weiß ich nicht, aber ich weiche nicht von hier!«

Der Entschluß Johanns schien so unerschütterlich, daß Herr de Vaudreuil ihn gar nicht weiter zu bekämpfen sachte.

Es wird sich übrigens zeigen, daß eine Flucht unter den jetzigen Umständen auch nur wenig Aussicht auf Gelingen gehabt hätte. Der ganze Flecken war ja nach der Aussage Luc Archambaut's eingeschlossen, die Landstraße von Soldaten überwacht, und durch das platte Land streiften Einzelabtheilungen Cavallerie.

Da Alle auf Johann aufmerksam gemacht waren, hätte dieser ihnen wohl kaum entgehen können, und so erschien es vielleicht rathsamer für ihn, im geschlossenen Hause zu bleiben.

Diese Erwägungen waren es jedoch keineswegs, welche seinen Entschluß bestimmt hatten, doch war's ihm unmöglich, seine Mutter, sowie Herrn und Fräulein de Vaudreuil zu verlassen.

Hatte man sich hierüber geeinigt, so entstand die Frage, ob die drei Zimmer des geschlossenen Hauses oder der darüber gelegene Boden wohl ein verläßlicheres Versteck enthalte, in dem sich die zwei meist gefährdeten Bewohner den Nachforschungen der Beamten zu entziehen hoffen durften.

Johann hatte nicht Zeit genug, sich hiervon zu unterrichten.

Fast gleichzeitig erzitterte die Thür unter gewaltsamen Schlägen.

Der kleine Vorhof war schon von einem Dutzend Polizisten besetzt.

»Aufmachen! rief man von außen, während die Schläge sich verdoppelten. Aufmachen, oder wir sprengen die Thür.«

Johann und Clary schlossen eiligst das Zimmer des Herrn de Vaudreuil und begaben sich in dasjenige Bridgets, von wo aus sie Alles besser hören konnten.

In dem Augenblicke, wo Bridget durch die Hausflur nach vorn ging flog die Thür des geschlossenen Hauses in Stücke.

Ein heller Schein, von den Fackeln, welche die Polizisten trugen, herrührend, drang in den schmalen Gang.

»Was wollen Sie hier? fragte Bridget einen der Männer.

- Ihr Haus durchsuchen, antwortete dieser. Hat sich Johann ohne Namen hierher geflüchtet, so verhaften wir erst diesen und dann setzen wir Ihnen den rothen Hahn aufs Dach!

- Johann ohne Namen ist nicht hier, erklärte Bridget ruhigen Tones, und ich weiß auch nicht.« Plötzlich drängte sich der Führer des Polizeitrupps schnell nach der alten Frau vor.

Es war Rip - dessen Stimme ihr schon auffiel, als Johann eben ins geschlossene Haus getreten - Rip, der ihren Gatten einst zu jenem abscheulichen Verbrechen zu verleiten gewußt hatte.

Bridget erkannte ihn höchst bestürzt.

»Ah, sieh' da! rief Rip erstaunt, das ist ja Frau Bridget. Das ist die Gattin jenes braven Simon Morgaz!«

Als er den Namen seines Vaters nennen hörte, wich Johann bis tief ms Zimmer zurück.

Bridget, welche diese entsetzliche Erinnerung wie ein Donnerschlag traf, fand nicht die Kraft zu einer Antwort.

»Wahrhaftig!. Frau Morgaz!. wiederholte Rip. In der That, ich hätte geglaubt, daß Sie nicht mehr unter den Lebenden wandelten!. Wer hätte auch erwartet, Sie hier und nach vollen zwölf Jahren wiederzusehen!«

Bridget schwieg noch immer.

»Vorwärts, Ihr Leute, fügte Rip, sich an seine Leute wendend, hinzu, hier haben wir nichts zu thun! - Wackre Frau, die Bridget Morgaz!. Sie wird keinen Rebellen verbergen!. Kommt, wir wollen unsere Nachsuchungen an anderer Stelle fortsetzen! Da Johann ohne Namen in St. Charles ist, müßte es doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir ihn nicht fänden!«

Rip, dem seine Beamten folgten, war bald nach der Straße hinauf verschwunden.

Das Geheimniß Bridgets und ihres Sohnes war aber jetzt enthüllt. Hatte auch Herr de Vaudreuil nichts hören können, so konnte Clary doch kein Wort entgangen sein.

Johann ohne Namen war der Sohn von Simon Morgaz!

In einer ersten Erregung des Entsetzens eilte Clary, aus dem Zimmer Bridgets entfliehend, nach dem ihres Vaters.

Johann und Bridget waren allein.

Nun wußte Clary Alles - Alles!

Bei dem Gedanken, sich ihr und Herrn de Vaudreuil gegenüber zu befinden, dem Freunde jener Patrioten, denen der Verrath Simon Morgaz' den Kopf gekostet hatte, fürchtete Johann den Verstand zu verlieren.

»Mutter, liebste Mutter! rief er; keinen Augenblick bleib' ich mehr hier!. Herr und Fräulein de Vaudreuil bedürfen meiner nicht mehr, um sie zu vertheidigen!. Sie werden - im Hause eines Morgaz in Sicherheit sein!. Leb' wohl!.

- Mein Sohn!. Mein Sohn!. murmelte Bridget. Ach, Du Unglücklicher! Glaubst Du, ich hätte Dich nicht durchschaut?. Du, der Sohn von. Du liebst Clary de Vaudreuil!

- Ja, Mutter, was soll ich es leugnen, doch eher würd' ich sterben, eh' ich ihr eine Silbe davon sagte!« Und Johann stürmte aus dem geschlossenen Hause fort.

Sechstes Capitel

Meister Nick in Walhatta

Nach dem Vorfall in Chipogan und dem Mißerfolg der Polizisten und Freiwilligen waren Thomas Harcher und seine Söhne, welche sich nach außerhalb des canadischen Gebietes hatten flüchten müssen, zurückgekehrt, um an dem Kampfe von St. Charles theilzunehmen. In Folge dieser traurigen Niederlage aber, welche Remy das Leben gekostet, hatten Thomas, Pierre, Michel, Tomy und Jacques sich den Reformern in St. Albans an der amerikanischen Grenze angeschlossen.

Was den Meister Nick angeht, weiß der Leser, daß dieser sich wohl gehütet hatte, in Montreal wieder zu erscheinen, da er sein Auftreten in Chipogan nur schwer hätte erklären können. Trotz der Achtung, die er überall genoß, würde Gilbert Argall doch nicht gezögert haben, ihn wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt zu verfolgen. Dann hätten sich die Pforten des Gefängnisses von Montreal sicherlich hinter ihm geschlossen, und in Gesellschaft mit ihm hätte Lionel hinreichend Muße gefunden, sich seinen poetischen Eingebungen intra muros zu widmen.