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Von diesem Tage an ließ es sich Meister Nick die vornehmste Sorge sein, jene kriegerischen Gelüste herabzustimmen. Wenn die Streitlustigsten kamen, um ihm zuzusetzen, daß er sich gegen die Unterdrücker erklären sollte, gab er sich die größte Mühe, weder ja noch nein zu sagen. Es empfehle sich, antwortete er etwa, nur nach reifster Ueberlegung zu handeln und erst abzuwarten, welche Folgen die Niederlage bei St. Charles haben werde. Vielleicht waren die Grafschaften jetzt schon von den Königlichen besetzt?. Und dann wußte man auch nicht, was die augenblicklich in alle Winde zerstreuten Reformer schon etwa planten, nach welchem Orte sie sich zurückgezogen und wo man zu ihnen stoßen könne. Sollten sie nicht gar ihre Pläne für jetzt aufgegeben haben, um zur Wiederaufnahme derselben eine günstigere Gelegenheit abzuwarten? Die Hauptführer befanden sich auch vielleicht in der Gewalt der Bureaukraten und wurden in den Gefängnissen von Montreal zurückgehalten?

Das waren doch recht vernünftige Gegengründe, welche Meister Nick seinen ungeduldigen Prätorianern vorführte. Diese nahmen dieselben freilich nicht so ohne Widerspruch hin. Einen oder den andern Tag konnten dieselben sich doch von ihrem Zorn hinreißen lassen, und dann mußte der Häuptling ihnen ja wohl oder übel folgen. Vielleicht kam dem geängstigten Notar gar der Gedanke, sich von seinem Stamme wegzustehlen. Doch das hatte seine Schwierigkeiten, denn man überwachte ihn schärfer, als er wohl selbst glaubte.

Und dann, in welchem Lande hätte er sein Wanderleben führen sollen? Das verleidete es ihm, Canada, seine Heimat, zu verlassen. Hielt er sich aber in einem Dorfe der Grafschaft verborgen, wo höchst wahrscheinlich Beamte Gilbert Argall's auf der Lauer lagen, so lief er Gefahr, diesen bald genug in die Hände zu fallen.

Ueberdies wußte Meister Nick nicht, was aus den Hauptführern des Aufstandes geworden war. Obgleich einige Mahogannis bis zu den Ufern des Richelieu und des St. Lorenzo hinausritten, hatten sie hierüber nichts Bestimmtes erfahren können. Selbst in der Farm zu Chipogan wußte Catherine nicht, was aus Thomas Harcher und ihren Söhnen, was aus Herrn de Vaudreuil und dessen Tochter, nicht, was aus Johann ohne Namen geworden sei, der sich nach den Ereignissen bei St. Charles in das geschlossene Haus zurückgezogen hatte.

Er mußte die Dinge also ihren Lauf nehmen lassen, und das gefiel Meister Nick nicht gar so wenig. Nur Zeit gewinnen und mit der Zeit einen friedlicheren Zustand der Dinge sich herausgestalten sehen, dahin vereinigten sich alle seine Wünsche.

In Bezug hierauf kam es wieder zu neuen Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und seinem jungen Schreiber, der die Loyalisten reinweg verfluchte. Die letzten Nachrichten hatten bei ihm dem Fasse noch den Boden ausgeschlagen. Jetzt war keine Zeit mehr zum Scherzen! Er machte keine Witze mehr über den Kriegspfad, über die auszugrabende Streitaxt, über das Blut der Sagamores, noch über den Indianeraufputz, den er sonst so gern im Munde führte. Er dachte jetzt nur noch an die so bedrohte nationale Sache. Was mochte aus dem heldenhaften Johann ohne Namen geworden sein? War er bei St. Charles etwa gefallen? Nein, dann hätte sich die Nachricht von seinem Tode gewiß verbreitet, und die Behörden würden nichts unterlassen haben, diese Verbreitung zu unterstützen. Das hätte Jedermann in Chipogan wie in Walhatta gehört. Doch, wenn er noch lebte, wo befand er sich dann? Lionel hätte das Leben daran gewagt, es zu wissen.

Mehrere Tage verstrichen ohne besondere Veränderung der Lage. Ein- oder zweimal drang allerdings das Gerücht bis zum Dorfe der Mahogannis, daß die Patrioten sich wieder zum Kampfe rüsteten, dasselbe blieb aber ohne Bestätigung.

Auf ausdrücklichen Befehl Lord Gosford's wurden in den Grafschaften von Montreal und Laprairie die Nachsuchungen fortgesetzt. Zahlreiche Truppenabtheilungen hielten die beiden Ufer des Richelieu besetzt. Fort und fort wurden die Bewohner der verschiedenen Ortschaften durch Haussuchungen in Athem gehalten. Sir John Colborne hatte seine Colonne bereit, sofort nach jeder Stelle abzumarschiren, wo die Fahne der Empörung wieder aufflatterte. So bald die Patrioten es wagten, die amerikanische Grenze zu überschreiten, mußten sie überall auf beträchtliche Streitkräfte stoßen.

Am 5. December hörte Lionel, der zur Einziehung von Erkundigungen in der Richtung nach Chambly zu gegangen war, daß im ganzen District von Montreal der Belagerungszustand erklärt worden war. Gleichzeitig bot der General-Gouverneur eine Belohnung von viertausend Piastern Jedem, der den Abgeordneten Papineau einliefern würde. Andere Preise wurden ferner ausgesetzt auf die Gefangennahme der Führer - unter Anderen auf die des Herrn de Vaudreuil und Vincent Hodge's. Man sagte auch, daß eine große Anzahl Reformer schon in den Gefängnissen von Quebec saßen, daß sie vor das Kriegsgericht gestellt würden und daß das politische Schaffot bald weitere Opfer verschlingen sollte.

Das waren sehr ernste Dinge. Würden nun die Söhne der Freiheit auf die gegen sie erlassenen Decrete durch eine letzte Ergreifung der Waffen antworten? Oder sank ihnen vielleicht der Muth angesichts dieser unwiderstehlichen Gewaltmaßregeln? Das war die Ansicht des Meister Nick. Er wußte, daß die Aufstände, wenn sie nicht gleich im Anfange durchschlagenden Erfolg haben, nur selten oder niemals noch später Aussicht dazu besitzen.

Freilich war das nicht die Anschauung der Mahoganni-Krieger und ebensowenig die Lionels.

»Nein! wiederholte er dem Notar, nein! Die Sache ist noch nicht verloren, und so lange Johann ohne Namen lebt, verzweifeln wir nicht daran, unsere Unabhängigkeit wieder zu erlangen.«

Im Laufe des Tages trat ein Vorfall ein, der Meister Nick wieder derselben schwierigen Lage aussetzen sollte, der er sich glücklich entronnen glaubte, da jener die kriegerischen Neigungen der Huronen bis zum Paroxysmus steigerte.

Seit einigen Tagen hatte man aus verschiedenen Kirchspielen des Landes die Anwesenheit des Abbe Joann gemeldet. Der junge Priester durchwanderte die Grafschaft Laprairie und predigte den Massenaufstand der franco-canadischen Bevölkerung. Seine flammensprühenden Reden kämpften nicht ohne Mühe gegen die Entmuthigung an, von welcher verschiedene Patrioten seit der Niederlage von St. Charles ergriffen waren.

Der Abbe Joann gab sich einer solchen nicht hin. Er ging seinen Weg geradeaus, beschwor seine Mitbürger sich bereit zu halten, um die Waffen zu ergreifen, sobald ihre Führer wieder im Districte erschienen.

Sein Bruder war freilich jetzt nicht da, und er wußte auch nicht, was aus ihm geworden sei. Ehe er seine Wanderpredigten wieder aufnahm, hatte er sich nach dem geschlossenen Hause begeben, um seine Mutter zu umarmen und Nachrichten von Johann einzuziehen.

Das geschlossene Haus blieb vor ihm verschlossen!

Joann machte sich auf, seinen Bruder zu suchen. Auch er konnte nicht glauben, daß derselbe gefallen sei, denn die Nachricht von seinem Tode hätte den verbreitetsten Widerhall finden müssen. So sagte er sich, daß Johann jedenfalls an der Spitze seiner Gefährten zurückkehren werde.

Die Anstrengungen des jungen Geistlichen richteten sich dann vorzüglich dahin, die Indianer aufzuwiegeln, und vor Allen die Krieger huronischen Stammes, welche ja danach verlangten, in den Kampf eintreten zu können. Unter diesen Verhältnissen traf der Abbe Joann bei den Mahogannis ein. Meister Nick mußte ihn schon gut aufnehmen; er hätte den Neigungen seines Stammes sich doch nicht zu widersetzen vermocht.

»Nun, sei es darum! sagte er sich kopfschüttelnd, es kann einmal Niemand seinem Schicksal entgehen. Wenn ich auch nicht weiß, wie die Rasse der Sagamores einst angefangen hat, so weiß ich leider zu gut, wie sie endigen wird!. Das wird vor dem Kriegsgericht sein!«

In der That zeigten sich die Huronen gern bereit, mit ins Feld zu ziehen, und Lionel hatte nicht wenig beigetragen, sie dazu anzureizen.