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Dieses Fort wurde jenerzeit von dem Major Sinclair befehligt, der vier Officiere und etwa hundert Mann vom 20. Regiment unter sich hatte. Durch seine Lage vervollständigte es das Vertheidigungssystem der Forts Oswego, Ontario und Levis, welche zum Schutze jener entfernten und ehedem öfter durch Einfälle von Indianern bedrohten Gebiete errichtet worden waren.

Nach dem genannten Fort Frontenac war Johann ohne Namen geschafft worden. Der General-Gouverneur hatte, als er die Nachricht von jener hochwichtigen Gefangennahme durch die Mannschaften Comeau's erhielt, nicht gewollt, daß der junge Patriot nach Montreal oder nach einer anderen bedeutenden Stadt eingeliefert würde, wo seine Anwesenheit möglicher Weise einen neuen Volksaufstand hervorgerufen hätte. Aus diesem Grunde erging von Quebec der Befehl, den Gefangenen nach dem Fort Frontenac zu transportiren, ihn dort einzukerkern und aburtheilen zu lassen - das war aber gleichbedeutend mit der Verurtheilung zum Tode.

Bei dem gewöhnlich höchst summarischen Gerichtsverfahren hätte Johann schon binnen vierundzwanzig Stunden hingerichtet sein müssen. Nichtsdestoweniger erlitt seine Vorführung vor das Kreisgericht unter der Leitung des Majors Sinclair einigen Aufschub.

Das kam nämlich daher:

Daß der Gefangene der fast sagenhafte Johann ohne Namen, der unermüdliche Agitator und früher die Seele der Aufstände von 1832, 1835 und 1837 sei, darüber herrschte nicht der geringste Zweifel. Doch welcher Mann verbarg sich unter diesem Pseudonym, unter diesem Kriegsnamen - das wollte die Regierung gern erfahren, da es Handhaben geboten hätte, weiter in die Vergangenheit zurückzugreifen, vielleicht wichtige Aufschlüsse zu erhalten und gewisse geheime Umtriebe aufzudecken, da in die Sache der Unabhängigkeit noch verschiedene unbekannte Fäden hineinspielen mochten.

Es schien also von Wichtigkeit, wenn nicht die Identität, so doch die Herkunft der Persönlichkeit festzustellen, deren Namen noch nicht bekannt war, und den zu verheimlichen jener besonders schwerwiegende Gründe haben mußte. Der Kriegsrath wartete also mit der Abgabe eines Urtheils, und man drang bezüglich dieser Frage so viel wie möglich auf Johann ein. Dieser ergab sich nicht; er verweigerte es sogar hartnäckig, auf irgend eine Frage nur zu antworten, die ihm bezüglich seiner Familie gestellt wurde. Man mußte hierauf also verzichten, und am 10. December wurde der Proscribirte seinen Richtern vorgeführt.

Die Verhandlung verlief ohne besondere Verzögerung. Johann räumte unumwunden den Antheil ein, den er an den ersten wie an den letzten Aufstandsversuchen gehabt. Laut und mit stolzer Stimme forderte er von England die Canada zustehenden Rechte. Er erhob sich kühn gegenüber seinen Unterdrückern, er sprach, als hätten seine Worte die Umwallung des Forts übertönen und einen Widerhall im ganzen Lande finden können.

Als der Major Sinclair noch zum letzten Male eine Frage nach seiner Herkunft, nach der Familie, der er entstammte, an ihn richtete, begnügte er sich zu antworten:

»Ich bin Johann ohne Namen, von Geburt französischer Canadier, und das muß Ihnen genug sein. Was kommt es denn viel darauf an, wer der Mann ist, der unter den Kugeln Ihrer Söldner fallen soll? Brauchen Sie denn einen Namen für einen Leichnam?«

Johann wurde zum Tode verurtheilt, und der Major Sinclair gab Befehl, ihn in seine Zelle zurückzuführen. Um auch den Vorschriften des General-Gouverneurs Genüge zu leisten, sandte er noch einen besonderen Boten nach Quebec, um jenen zu benachrichtigen, daß das Civilverhältniß des Gefangenen von Frontenac nicht habe aufgeklärt werden können. Dabei fragte er an, ob er die Execution vollziehen lassen oder noch aufschieben solle.

Seit fast zwei Wochen schon sachte sich Lord Gosford so genau wie möglich über die Vorgänge bezüglich der Aufstandsversuche in St. Denis und St. Charles zu unterrichten und die Aburtheilungen zu beschleunigen. Fünfundvierzig der hervorragendsten Patrioten schmachteten in den Gefängnissen zu Montreal und elf in dem zu Quebec; der Gerichtshof mit seinen drei Richtern, dem General-Procurator und dem Staatsanwalt als Vertreter der Krone, sollte in Thätigkeit treten. Neben diesem Tribunal functionirte noch das Kriegsgericht unter dem Vorsitze eines General-Majors und bestand aus fünfzehn höheren englischen Officieren, welche bei der Unterdrückung des Aufstandes mitgewirkt hatten.

In Erwartung eines Urtheils, welches gewiß auf die härtesten Strafen hinauslief, sahen sich die Gefangenen einer Behandlung ausgesetzt, deren Grausamkeit durch keine politische Leidenschaft entschuldigt werden kann.

In Montreal im Gefängnisse der Pointe-a-Callieres, in dem alten Kerker am Jacques Cartier-Platze, im neuen Gefängniß am Fuße des Courant, waren Hunderte von armen Leuten zusammengepfercht, welche furchtbar von der Kälte des canadischen Winters zu leiden hatten. Dazu wurden sie von Hunger zernagt, denn die Brotration, welche sie als einzige Nahrung empfingen, war völlig unzureichend.

Wohl flehten sie wenigstens um eine Untersuchung, um eine Verurtheilung, so hart diese auch ausfallen möchte. Ehe er sie aber dem ordentlichen oder dem Kriegsgerichte zuführte, wollte Lord Gosford warten, bis die Polizei ihre Nachforschungen beendigt hätte, damit dann alle Patrioten, deren sie hatte habhaft werden können, in seinen Händen wären.

Unser diesen Verhältnissen gelangte die Nachricht von der Gefangennahme Johanns ohne Namen und von der Einlieferung desselben in das Fort Frontenac nach Quebec. Die allgemeine Meinung ging dahin, daß die Sache der Unabhängigkeit damit den Todesstoß erhalten habe.

Es war um neun Uhr Abends, als der Abbe Joann und Lionel am 12. December vor jenem Fort eintrafen. So wie Johann es gethan, waren sie erst dem rechten Ufer des St. Lorenzo gefolgt und hatten diesen dann überschritten auf die Gefahr hin, bei jedem Schritte, den sie thaten, verhaftet zu werden. War auch Lionel durch sein Auftreten in Chipogan nicht eigentlich bedroht, so suchten die Agenten Gilbert Argall's doch den Abbe Joann jetzt desto eifriger. Jene Beiden mußten also gewisse Vorsichtsmaßregeln beobachten, welche ihr Fortkommen natürlich verlangsamten.

Dazu herrschte eine wahrhaft schreckliche Witterung. Seit vierundzwanzig Stunden tobte einer jener furchtbaren Schneestürme, welche die Meteorologen des Landes mit dem Namen »Blizzard« zu bezeichnen pflegen. Zuweilen bringt das Auftreten eines solchen einen Wärmesturz von dreißig Graden, das heißt eine solche Kälte hervor, daß dadurch zahlreiche Opfer verschlungen werden.

Was hoffte denn der Abbe Joann davon, daß er selbst nach dem Fort Frontenac ging? Welchen Plan hatte er entworfen? Gab es für ihn ein Mittel, sich mit dem Gefangenen in Verbindung zu setzen? Wäre es möglich, nach vorheriger Verabredung dessen Entweichung zu begünstigen? - Jedenfalls kam es ihm darauf an, noch diesen Abend in die Zelle des Bruders Einlaß zu erhalten.

Wie der Abbe Joann war auch Lionel bereit, sein Leben hinzugeben, um das Johanns ohne Namen zu retten. Doch wie sollten Beide zu Werke gehen? Sie waren jetzt bis auf eine halbe Meile an das Fort Frontenac herangekommen, das sie hatten umgehen müssen, um einen Wald zu erreichen, dessen Saum sich in den Wellen des Sees badete. Hier unter diesen Bäumen, welche die Winterkälte ganz erstarrt hatte, brauste der eisige Samum dahin, dessen Wirbel die Oberfläche des Ontario in Aufruhr brachten.

Da sagte der Abbe Joann zu dem jungen Schreiber:

»Bleiben Sie hier, Lionel, ohne sich Jemand zu zeigen, und erwarten Sie meine Rückkehr. Die Wachtposten im Ausfalltsthore dürfen Sie nicht gewahr werden. Ich werde versuchen, in das Fort zu gelangen und mit meinem Bruder in Verbindung zu kommen. Gelingt mir nun das, so besprechen wir Beide die Möglichkeit einer Flucht. Wäre eine solche ganz unausführbar, so prüfen wir die Aussicht eines Angriffs, den die Patrioten unternehmen könnten, im Falle die Besatzung von Frontenac nicht gar zu zahlreich ist.«