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- O, möchte dieser Tag doch kommen! rief Herr de Vaudreuil.

- Ja, mein Vater, er wird kommen, ließ sich da Clary vernehmen, er wird kommen und Du wirst ihn noch sehen.

- Nein, mein Kind, ich werde ihn nicht sehen.

- Halten Sie denn dafür, daß unsere Sache für immer verloren ist, weil sie dieses Mal besiegt wurde? fragte Vincent Hodge.

- Eine gerechte Sache muß immer zuletzt triumphiren, antwortete Herr de Vaudreuil. Die Zeit, die mir fehlt, wird doch Ihnen nicht fehlen, diesen Triumph mit anzusehen. Ja, Hodge, Sie werden Zeuge desselben sein, und gleichzeitig werden Sie auch Ihren Vater gerächt haben, Ihren Vater, der durch den Verrath eines Morgaz auf dem Schaffot sein Leben aushauchte!«

Nach diesem so unerwartet ausgesprochenen Namen fühlte sich Clary wie ins Herz getroffen. Fürchtete sie wohl, die Röthe sehen zu lassen, die ihr Gesicht überflog?

Ja, wahrscheinlich, denn sie erhob sich und nahm an einem Fenster Platz.

»Was fehlt Ihnen, Clary? fragte Vincent Hodge, der zu dem jungen Mädchen herantrat.

- Du bist leidend? setzte Herr de Vaudreuil hinzu, und machte schon eine Anstrengung, den Armstuhl zu verlassen.

- Nein, mein Vater, es ist nichts!. Ein wenig frische Luft macht Alles wieder gut!«

Vincent Hodge öffnete die Fensterflügel und wandte sich an Herrn de Vaudreuil zurück.

Dieser wartete einige Minuten. Als dann Clary wieder an seine Seite gekommen, ergriff er ihre Hand, indem er gleichzeitig das Wort an Vincent Hodge richtete:

»Mein Freund, sagte er, obwohl nur der Patriotismus bisher Ihre Brust erfüllt hat, ließ er in Ihrem Herzen doch noch für eine andere Empfindung Raum. Ja, Hodge, ich weiß es, Sie lieben meine Tochter, und ich weiß auch, welche Hochachtung diese für Sie hegt. Ich würde weit ruhiger sterben, wenn ich wüßte, daß Sie das Recht und die Pflicht hätten, über sie zu wachen, wenn sie allein in der Welt steht. Wenn sie nun dazu Ja sagte, würden Sie Clary als Weib nehmen?«

Clary hatte die Hand aus der ihres Vaters gezogen; die Augen auf Vincent Hodge gerichtet, erwartete sie dessen Erklärung.

»Mein lieber Vaudreuil, antwortete Vincent Hodge, Sie bieten mir da die Erfüllung des höchsten Glücks, das ich mir je geträumt, das, mich durch ein süßes Band an Sie zu fesseln. Ja, Clary, ich liebe Sie - schon seit langer Zeit - von ganzem Herzen; doch bevor ich Ihnen von meinen Empfindungen sprach, hatte ich die Sache unseres Volkes triumphiren sehen wollen. Jetzt sind die Verhältnisse freilich sehr ernste geworden und die jüngsten Ereignisse haben die Lage der Patrioten geändert, so daß wohl mehrere Jahre vergehen können, ehe es zu erneutem Kampfe kommt.

Nun also, wollen Sie diese Jahre an meiner Seite und in dem Amerika, welches ja fast auch Ihr Vaterland ist, verleben? Wollen Sie mir das schöne Recht einräumen, den Vater an Ihrer Seite zu ersetzen, ihm die Freude gewähren, mich seinen

Sohn zu nennen?. Sprechen Sie, Clary, ist das auch Ihr Wille?«

Das junge Mädchen schwieg.

Vincent Hodge senkte diesem Schweigen gegenüber den Kopf und wagte keine Wiederholung seiner Frage.

»Nun, mein Kind, nahm Herr de Vaudreuil wieder das Wort, Du hast mich verstanden?. hast gehört, was Hodge darauf sagt?. Es hängt jetzt nur davon ab, ob ich auch sein Vater sein kann, und ob ich, nach so vielen Leiden in diesem Leben, als letzte Tröstung die haben soll, Dich mit einem Patrioten, der Dich liebt und Deiner würdig ist, vereinigt zu sehen!«

Da gab Clary mit tief erregter Stimme eine Antwort, welche freilich jede solche Hoffnung abschnitt.

»Du weißt, mein Vater, daß ich Dir gewiß stets die größte Achtung bewahrt habe; auch für Sie, Herr Hodge, empfand ich von jeher die aufrichtigste Hochachtung und die Liebe einer Schwester; Ihre Gattin aber kann ich nicht werden!

- Du kannst nicht, Clary? murmelte Herr de Vaudreuil, den Arm seiner Tochter erfassend.

- Nein, lieber Vater!

- Und weshalb nicht?.

- Weil mein Leben einem Anderen gehört.

- Einem Anderen?. rief Vincent Hodge, in dem sich unwiderstehlich ein Gefühl der Eifersucht regte.

- Seien Sie nicht eifersüchtig, Hodge, fuhr das junge Mädchen fort. Warum sollten Sie das auch sein, mein Freund? Derjenige, den ich liebe und gegen den ich von dieser Liebe niemals eine Silbe sprach, der. ist nicht mehr! Auch wenn er noch lebte, wär' ich vielleicht sein Weib nicht geworden. Doch er ist todt, gestorben für sein Vaterland, und ich. ich werde seinem Andenken treu bleiben.

- Es ist also Johann?. rief Herr de Vaudreuil.

- Ja, Vater, es ist, oder es war Johann.«

Clary konnte ihre Antwort nicht vollenden.

»Morgaz!. Morgaz.« so ertönte es plötzlich aus einem wüsten, jetzt noch ziemlich entfernten Geschrei hervor; gleichzeitig hörte man ein Lärmen unruhiger Massen, welches vom Norden der Insel und vom Ufer des Niagara herkam, an dem das Haus des Herrn de Vaudreuil sich erhob.

Bei diesem geräuschvoll ausgerufenen Namen, der ja den Johanns jetzt so seltsam vervollständigte, wurde Clary leichenblaß.

»Was hat der Lärm zu bedeuten? fragte Herr de Vaudreuil.

- Und warum dieser Name?« fragte Vincent Hodge.

Er erhob sich, trat an das noch offene Fenster und beugte sich hinaus.

Das Uferland lag ziemlich hell vor ihm. Gegen hundert Patrioten, viele derselben mit Fackeln aus Birken- oder Buchenrinde, drängten sich am hohen Stromufer daher.

Männer, Frauen und Kinder umringten, den verhaßten Namen ausstoßend, eine alte Frau, welche ihren thätlichen Mißhandlungen nicht entfliehen konnte, da sie sich kaum selbst weiter zu schleppen vermochte.

Es war Bridget.

In diesem Augenblicke stürzte Clary aus Fenster und erkannte das Opfer der Volkswuth, deren Grund sie recht wohl errieth.

»Bridget!.« rief sie.

Sofort sprang das junge Mädchen nach der Thür, riß diese auf und eilte hinaus, ohne ihrem Vater, der ihr mit Vincent Hodge folgte, noch eine Erklärung zu geben.

Die Volksmenge befand sich jetzt kaum noch fünfzig Schritte vom Hause und das Geschrei nahm immer mehr zu. Einige warfen Bridget Straßenkoth ins Gesicht; wüthende Hände streckten sich drohend nach ihr aus, und viele sammelten Steine von der Erde, um sie damit zu werfen.

Im nächsten Augenblick stand Clary neben Bridget und deckte diese mit ihren Armen, während die Menge desto heftiger heulte und ihr zurief:

»Das ist Bridget Morgaz!. Das ist das Weib des Simon Morgaz!. Zum Tode mit ihr!. Zum Tode!«

Herr de Vaudreuil und Vincent Hodge, welche sich schon zwischen die rasenden Leute hatten stürzen wollen, hielten plötzlich still. Bridget, die Gattin Simon Morgaz'!. Bridget trug diesen. diesen von Allen verfluchten Namen!

Clary unterstützte die Unglückliche, welche in die Knie gesunken war; deren Kleid war zerrissen und beschmutzt. Die weißen, jetzt wirr herabhängenden Haare verhüllten ihr Gesicht.

»Tödtet mich!. Tödtet mich! murmelte sie flehend.

- Unglücksel'ge! rief Clary, sich an die Nächststehenden wendend, welche sie bedrohten, Achtung vor dieser Frau!

- Vor der Frau des Verräthers Simon Morgaz'! heulten hundert wüthende Stimmen.

- Ja. vor der Frau des Verräthers, erwiderte Clary so laut sie konnte, doch auch der Mutter Desjenigen.«

Sie wollte den Namen Johanns aussprechen, den Namen, der Bridget vielleicht allein zu schützen und zu retten vermochte.

Bridget aber, die sich noch einmal mit aller Kraft aufrichtete, flüsterte ihr zu:

»Nein, Clary, nein!. Aus Mitleid für meinen Sohn. aus Mitleid gegen sein Andenken!«

Und wiederum erschallten die Rufe lauter und wurden die Drohungen schlimmer. Die Menge war angewachsen und schien besessen von jenem unbesieglichen Wahnwitz, der oft zu den schrecklichsten Thaten treibt.