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Wie erwähnt, unterhielt eines dieser Boote, der kleine Dampfer »Caroline«, eine schnelle Verbindung zwischen dem Lager und dem Ufer von Schlosser. Dieser war immer stark besetzt mit Neugierigen, welche sich drängten, den Vertheidigern der Insel Navy einen Besuch abzustatten.

Unter solchen Umständen bedurfte es für die Anführer dieser Handvoll Männer einer ganz außergewöhnlichen Energie, um den Kampf nicht aufzugeben. Leider verringerte sich überdies die Zahl der Combattanten von Tag zu Tag, und Viele, die den Muth verloren hatten, ließen sich nach Schlosser übersetzen, um nicht wieder zurückzukehren.

Seit jenem traurigen Auftritte, der mit dem Fortgange Johanns geendet und dem er selbst beigewohnt, hatte Herr de Vaudreuil das Haus noch nicht wieder verlassen. Er vermochte sich kaum aufrecht zu erhalten und seine Tochter verließ ihn keinen Augenblick. Beiden erschien es, als wären sie sozusagen durch die Schmach, welche Bridget und deren Sohn widerfahren war, selbst mit befleckt worden. Niemand hatte mehr als sie gelitten von den Beleidigungen, mit denen die verblendete Menge damals die unglückliche Familie überhäufte, welche noch von der Schande eines Namens verfolgt wurde, den sie längst abgelegt hatte. Und doch, wenn sie an das Verbrechen des Simon Morgaz dachten, an die heldenmüthigen Opfer, welche die traurige That des Verräthers aufs Schaffot geführt hatte, beugten sich Beide vor der Schwere eines Geschicks, welches kein Gerechtigkeitsgefühl ganz aufzuwiegen im Stande war.

Hier, wo sich tagtäglich die Freunde des Herrn de Vaudreuil zusammenfanden, unterließ übrigens Jeder selbst die geringste Anspielung auf das, was unlängst vorgegangen war. Vincent Hodge hielt sich mit einer seines Charakters völlig würdigen Discretion sehr zurück, da er strengstens Alles zu vermeiden suchte, was gleich einem Tadel der von Clary geoffenbarten Empfindungen hätte erscheinen können. Hatte sie denn nicht ein Recht dazu gehabt, dieses junge muthige Mädchen, gegen häßliche Vorurtheile aufzutreten, welche die Verantwortlichkeit für Schuldige auf noch völlig Unschuldige ausdehnen, welche eine Vererbung der Schande, wie der geistigen oder leiblichen Aehnlichkeit, von den Vätern auf die Kinder anzunehmen geneigt scheinen?

Wenn Johann, der jetzt ganz allein in der Welt dastand, an diese seine entsetzliche Lage dachte, empörte sich dagegen sein ganzes Sein und Wesen. Daß Joann für sein Vaterland gestorben, daß Bridget der auf ihr lastenden Schmach erlegen war, alles das bildete noch kein Gegengewicht für die Vergangenheit?. Nein, nein!. Und wenn er dann ausrief: »Das ist ungerecht!« so schien die Stimme seines Gewissens zu antworten: »Es ist doch vielleicht nur gerecht!«

Dann erblickte Johann wieder Clary, wie sie sich den Drohungen jener sinnlosen Rotte, die ihn verfolgte, ungescheut aussetzte. Sie, ja, sie hatte den Muth gehabt, einen Morgaz zu vertheidigen! Sie hatte sich sogar erboten, ihr Leben an das seinige zu knüpfen. Er mußte dieses Opfer jedoch abschlagen, damals und für immer. Und dann irrte er am Ufer des Niagara umher, wie jener Nathaniel Bumpo der Mohikaner, der sich lieber von dessen Cataracten hätte verschlingen lassen, als sich von Mabel Denham zu trennen.

Während des ganzen 18. December weilte Johann neben der Leiche seiner Mutter und beneidete diese fast um die friedliche Ruhe, die ihr endlich zu Theil geworden war; sein innigster Wunsch wäre es gewesen, sich bald wieder mit der Geliebten zu vereinen. Da erinnerte er sich jedoch ihrer letzten Worte, und daß er nicht das Recht hatte, anders den Tod zu suchen, als in den Reihen der Patrioten. Das war seine Pflicht. er wollte sie erfüllen.

Als die Nacht gekommen, eine dunkle Nacht, kaum erhellt durch den »Blink« der Schneefläche - eine Art weißliche Widerspieglung, welche man in polaren Gegenden am Himmel wahrnimmt - verließ Johann das Haus, in dem die sterblichen Ueberreste Bridgets lagen. Wenige Schritte davon und unter dem Schutze rauchfrostgeschmückter Bäume, hob er mit seinem großen canadischen Messer ein Grab aus. Hier am Rande des Waldes, über dem undurchdringliche Finsterniß lagerte, konnte ihn Niemand sehen und er wollte auch nicht gesehen werden. Niemand würde wissen, wo Bridget ihre letzte Ruhestätte gefunden - kein Kreuz würde ihr Grab bezeichnen. Wenn Joann in dem unbekannten Winkel des Fort Frontenac der Auferstehung entgegenschlummerte, so deckte seine Mutter wenigstens die Erde Amerikas, die geliebte Erde ihrer Heimat. Johann selbst hoffte im nächsten Kampfe den Tod zu finden, und seine Leiche mußte dann, mit so vielen anderen Dahingerissenen, in den Stromschnellen des Niagara verschwinden.

Dann würde nichts - nicht einmal eine Erinnerung - mehr übrig sein von dem, was einst die Familie Morgaz gewesen war.

Als das Grab tief genug erschien, daß für die darin ruhende Todte nichts von den Klauen der Raubthiere zu fürchten war, kehrte Johann nach der Hütte zurück, nahm den Körper Bridgets in die Arme, trug ihn unter die Bäume, drückte einen letzten Abschiedskuß auf die Stirn der geliebten Todten und legte sie, in seinen Mantel aus vaterländischem Stoffe eingehüllt, nieder. Dann bedeckte er sie mit Erde, kniete nieder und betete, bis er mit den Worten schloß:

»Ruhe in Frieden, Du arme, arme Mutter!«

Der Schnee, welcher eben herabzuwirbeln begann, hatte bald die Stelle verhüllt, unter der Diejenige ruhte, welche nicht mehr war, welche nie hätte sein sollen!

Dann aber, wenn die Soldaten Mac Nab's eine Landung auf der Insel Navy versuchen würden, wollte Johann wieder in die vordersten Reihen der Kämpfenden eilen, um einen rühmlichen Tod zu finden.

Schon am nächstfolgenden Tage, dem 19. December, in den ersten Morgenstunden erkannte man, daß der Oberst Mac Nab zu einem unmittelbaren Angriff überzugehen beabsichtigte. Große flache Boote lagen in Reihen längs des Ufers unterhalb des Lagers von Chippewa. Aus Mangel an Artillerie waren die Blaumützen außer Stande, jene Boote zu zerstören, ehe sie sich in Bewegung gesetzt, noch sie aufzuhalten, wenn sie über den Strom daherkamen. Ihr Heil lag nur darin, sich einer gewaltsamen Landung zu erwehren, indem sie sich an dem bedrohten Punkte sammelten, und doch vermochten wenige Hundert Mann sich kaum jener Ueberzahl von Angreifern zu erwehren, wenn diese gleichzeitig an verschiedenen Stellen der Insel aus Land gingen. Hatten die Königlichen aber einmal Fuß gefaßt, so mußte ein Sturm auf das Lager unmittelbar folgen, und die Vertheidiger desselben, welche immerhin zu zahlreich waren, um in den Booten von Schlosser auf einmal Platz zu finden, mußten niedergemetzelt werden, ehe sie sich auf amerikanischen Boden flüchten konnten.

Diese bedrohlichen Aussichten beunruhigten vor Allem Herrn de Vaudreuil und dessen Freunde. Sie begriffen zu gut die Gefahren einer solchen Lage. Um denselben zu entgehen, hätten sie freilich sich nur nach Schlosser zurückzuziehen brauchen, so lange der Wasserweg dahin noch frei war. Doch Keiner derselben wollte von der Stelle weichen, ehe er nicht bis zum letzten Blutstropfen gekämpft hatte.

Vielleicht hielten sie sich auch für stark genug, um ernsthaften Widerstand zu leisten, und stellten sie sich die Schwierigkeiten einer Landung größer vor, als diese thatsächlich waren.

Jedenfalls gab sich indeß Einer von ihnen darüber keiner Täuschung hin. Dieser Eine war Meister Nick, der sich so gänzlich wider Willen in diesen Kampf verwickelt sah. Seine Stellung an der Spitze der Mahoganni-Krieger erlaubte ihm aber nicht, seinen Befürchtungen Ausdruck zu geben.